Management

Apothekenmanagement und mehr

8. Deutscher Apothekenkongress

WIESBADEN (diz). Der Apotheken- und Pharmamarkt, Management und Marketing für Apotheken, Versandhandel, Kooperationen, Filialen, Social Media – der 8. Deutsche Apothekenkongress, der am 5. und 6. März in Wiesbaden stattfand, spannte einen weiten Bogen. Der Veranstalter, das Management-Forum der Verlagsgruppe Handelsblatt, präsentierte Vorträge und Berichte, die zeigten, wie heute Apotheken gemanagt werden und was machbar ist. Die Referenten beleuchteten rechtliche Aspekte und Erfolgskonzepte und gaben Hintergrundinfos. Hier punktuell einige Schlaglichter vom Kongress.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der wirtschaftliche Druck auf Apotheken wächst, die Zahl der Apotheken nimmt weiter ab. Zählte man in Deutschland im Jahr 2000 noch 21.592 Apotheken, so gab es Ende 2012 nur noch 20.934 Apotheken, davon wurden 3785 als Filialbetrieb geführt. Die Handelsspanne ist von 23,7 auf 22,2% gesunken. Wie Dr. Markus Preißner, Wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Handelsforschung, Köln, erläuterte. Allerdings, ein Auslaufmodell ist die Apotheke noch lange nicht. Die Verbraucher sind mit Apotheken weitgehend zufrieden. Laut einer Umfrage schätzen 80 Prozent der Befragten die Einrichtung Apotheke und wünschen sich, dass die Apotheke so bleibt wie sie heute ist. Auch Serviceleistungen wie Boten- und Lieferdienst, persönliche Kundenakte und die Möglichkeit der Online-Arzneimittelvorbestellung wünscht sich die Bevölkerung von Apotheken. 54 Prozent begrüßen es zudem, wenn sich die Apotheke um die Ausarbeitung eines Medikationsplans kümmert, auch in Zusammenarbeit mit Ärzten. Preißners Fazit: Der ökonomische Druck auf Apotheken und der Wettbewerb unter den Apotheken wird in Zukunft weiter zunehmen. Dies bedeutet, dass die kaufmännische Komponente des Apothekerberufs an Bedeutung gewinnen wird. Wichtige Wettbewerbsfaktoren werden die Beratung und die Nähe zum Kunden sein – das sollte weiter ausgebaut werden.

Apotheke als Marke Das von Peter Menk entworfene Apothekenkonzept, umgesetzt in der Apotheke am Dermatologikum in Hamburg, will den Kunden durch den "Zauber einer Apotheke" begeistern und diese Apotheke zu einer Marke machen.
Foto: Peter Menk, GDG

Der Versandhandel wächst langsamer

Auch wenn die großen Wachstumsraten nicht mehr festzustellen sind, noch wächst der Versandhandel: im vergangenen Jahr legte er bei der Anzahl der Packungen um 8 Prozent zu und beim Umsatz um 10 Prozent. Für das laufende Jahr geht Christian Buse, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands deutscher Versandapotheken (BVDVA) von einem Wachstum im OTC-Bereich von 7 Prozent aus.

Im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel dagegen dürfte das Boni-Verbot für ein gedämpftes Wachstum sorgen. Buse kritisierte hier die unklaren Urteile zum Boni-Verbot. Einerseits habe das Gericht Rabatte und Boni für Rx-Arzneimittel grundsätzlich verboten, andererseits sei ein Bonus aber wettbewerbsrechtlich nicht angreifbar, wenn er unter der Spürbarkeitsschwelle liege, die sich bei etwa 1 Euro eingependelt habe. Dazu komme, dass vom Boni- und Rabattverbot sogenannte Prämien nicht erfasst werden, die den Kunden als Entschädigung für Unannehmlichkeiten gewährt werden.

Vom Urteil des Gemeinsamen Senats, wonach auch für ausländische Versandapotheken die deutsche Arzneimittelpreisverordnung gelte, verspricht sich Buse keine positiven Auswirkungen auf die deutschen Versender.

Die in der Apothekenbetriebsordnung auch für den Versandhandel festgelegte Beratungspflicht kam beim BVDVA nicht gut an, wie Buse darstellte: "Damit wird Politik gemacht." Dies habe auch die Resolution der Pharmazieräte gezeigt, die präzisierte, dass bei jedem Versand von Arzneimitteln eine Beratung durchgeführt werden müsse. Der BVDVA nahm dies zum Anlass, beim Bundesgesundheitsministerium um eine Klarstellung zu bitten. Laut Antwort des Ministeriums entfalle beim Versandhandel grundsätzlich die Pflicht, eigeninitiativ zu beraten, nicht aber das Recht des Patienten beraten zu werden. Der Kunde habe die freie Entscheidung, ob er die Beratung im Versandhandel in Anspruch nehme oder nicht, so Buse.

Heimbelieferung – ein Jein

Einen zunehmenden Kostendruck in Heimen und einen wachsenden Wettbewerb um die Heimbelieferung sieht Apotheker Detlef Steinweg, Inhaber der Paracelsus-Apotheke in Castrop-Rauxel und Geschäftsführer der Steinweg Medical GmbH, ein Herstellungsbetrieb, der patientenindividuelle Blister nach dem AMG produziert. Er zeigte die Vorteile der Verblisterung für die patientenorientierte Arzneimittelversorgung auf. Steinweg warnte allerdings davor, dass sich eine Apotheke selbst einen teuren Blisterautomaten anschafft. Besser sei es, sich eines Verblisterers zu bedienen. Bei der Auswahl eines geeigneten Dienstleisters solle die Apotheke auf Service, Preis, Sicherheit achten und ob der Dienstleister selbst als Wettbewerber in der Heimbelieferung auftrete. Nach eigenen Kostenrechnungen bleibe in der Heimbelieferung unterm Strich nur dann ein kleiner Gewinn übrig, wenn man sich eines externen Verblisterers bediene, so Steinweg, und die Apotheke vom Kostenträger und/oder Heim etwa zwei Euro fürs Verblistern erhalte.

Der Wunsch von Heimen, dass die beliefernden Apotheken diesen Service bieten, werde zunehmen. Allerdings, so räumte Steinweg ein, solle der Apotheker nicht unbedingt auf die Heime zugehen und ihnen die Verblisterung von sich aus anbieten, wenn ein Heim nicht selbst danach frage. Ein Vorteil der Heimversorgung: Bei allen Schwierigkeiten und wirtschaftlichen Problemen im Bereich der Heimversorgung, so Steinweg, könne ein Heim kaum noch die Apotheke wechseln, wenn sie mit der Belieferung durch diese zufrieden sei.

Facetten des Managements

Ertragssteigerungen im Segment Frei- und Sichtwahl bis zu 12 Prozent und zum Teil mehr sind möglich, wenn konsequent und professionell Category Management in der Apotheke umgesetzt wird. Verena Schielein, Geschäftsführerin der Medicon BRL GmbH, Nürnberg, zuständig für die Medicon Partner-Apotheken, berichtete vom erfolgreichen Einsatz des Category Managements in Zusammenarbeit mit der MCM Klosterfrau GmbH (siehe auch den Bericht in AZ 2012, Nr. 45). Die Umgestaltung der Produktpräsentation in der Offizin bescherte den Medicon-Apotheken neue Kundschaft und eine gesteigerte Kundenzufriedenheit. Die Apotheken mussten sich dabei nicht auf das Bauchgefühl oder persönliche Vorlieben zur richtigen Platzierung der Produkte in der Frei- und Sichtwahl verlassen, sondern konnten auf professionelle Daten und Auswertungen im Rahmen des Category Managements bauen. Die Medicon Partner-Apotheken konnten dieses Projekt in Kooperation mit der MCM Klosterfrau GmbH verwirklichen im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Prozeus-Projektes, das kleine und mittlere Unternehmen bei der Steigerung der eigenen Effizienz durch die Einführung etablierter Prozess- und eBusiness-Standards unterstützte.

Von seinen positiven Erfahrungen beim Arbeiten mit einem Kommissionierautomaten berichtete Apotheker Dr. Christian Gerninghaus, Sonnen-Apotheke, Schlitz. Er hatte sich dazu entschlossen, einen Rowa Vmax anzuschaffen, den er um eine Kühleinheit erweiterte. 75 Prozent seines Warenlagers werden über den Automaten in die Offizin ausgegeben, auch alle Präparate, die sonst in der Sichtwahl ihren Platz haben. Seine Sichtwahl bestückte er mit Schau- und Leerpackungen, so dass der Kunde hier immer eine aufgeräumte Ansicht vorfindet.

Zwei Teilzeit-PKA, die früher mit der Pflege des Warenlagers betraut waren, konnten neue Aufgabengebiete im Bereich der Kosmetik übernehmen.

Sein Fazit: Er möchte den Automaten nicht mehr missen. Das Arbeiten mit dem Kommissionierer bringe Zeitgewinn, eine größere Lieferfähigkeit bei geringerer Kapitalbindung, eine geringere Fehlerquote, eine Verbesserung des Workflows und volle Konzentration auf den Kunden.

Bodo Lauterbach, Leiter Vertrieb von Orthomol, gab Tipps zum Preismarketing, das im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten machbar ist. Statt mit Niedrigpreisen zu werben und hochwertige Produkte mit Schnäppchenpreisen zu belegen, könne der Apotheker ein seriöseres Image aufbauen beispielsweise durch Couponing. Gegen Abgabe eines über Handzettel, Flyer oder Anzeigen verbreiteten Coupons erhält der Kunde beim Kauf eines Produkts ein weiteres Produkt als Geschenk dazu. Couponing habe den Vorteil, dass der Kaufpreis des Produkts nicht gesenkt werden müsse, neue Kunden gewonnen werden können, Kundentreue belohnt werde und eine Preisspirale nach unten vermieden werde.

Auf mehr Emotionalität, auf "anders sein" und mehr Kundennähe setzt Apotheke Jan Reuter, Central-Apotheke, Walldürn. "Anders sein" müsse dabei nicht unbedingt bedeuten, besser als andere sein zu müssen. Der Apotheker könne überlegen, wo seine Stärken liegen, was ihm persönlich Spaß mache, was seinen Talenten entspreche und sich so anders positionieren. Besonders gut könne dies beispielsweise im Bereich der alternativen und Komplementär-Medizin gelingen. 84 Prozent der Apothekenkunden sind an alternativer Medizin interessiert, so Reuter. Das hierzu erforderliche Wissen lasse sich rasch aneignen, Mitarbeiter können einbezogen werden, so dass dieses Gebiet delegierbar sei.

Kundennähe bedeutet für Reuter beispielsweise auch die Einrichtung eines Apotheken-Kinderclubs oder telefonische Gratulation der Kunden zum Geburtstag. Und er bekannte sich dazu, dass er als Apotheker auch "Verkäufer" sein müsse, der sich durchaus Verkaufstechniken bediene dürfe, z. B. der Nur-oder-auch-Technik (NOA-Technik), zum Beispiel bei der Abgabe eins Antibiotikums an einen Erkältungspatienten: "Wollen Sie nur das Antibiotikum und einen Schleimlöser oder auch noch die große Darmkur?" Reuters Credo: Kunden nicht nur zufrieden stellen, sondern begeistern.

Storekonzept von vivesco Die Apothekenkooperation vivesco will auch für den Kunden sichtbar über das Logo, die Dominanz der gelben Farbe und das weiße Kreuz auf gelbem Grund einen Markencharakter aufbauen.
Foto: vivesco

Trends bei Kooperationen

Auch das Thema Kooperationen stand auf dem Programm des Apothekenkongresses. Klaus Hölzel, Apotheken Management-Institut GmbH, zeigte die Trends in diesem Bereich auf. Derzeit haben sich 16.490 Apotheken einer Kooperation angeschlossen, etwa 2900 von ihnen sind sogar in zwei oder mehr Kooperationen. Die Zahl der Apotheken, die noch keiner Kooperation angehören, nimmt stetig ab. Insgesamt finden sich in Deutschland 81 Kooperationen, wenn man alle kleineren Kooperationen wie z. B. Regionalgruppen mitzählt. Zu den großen Koooperationen (über 1000 Mitglieder) zählen MVDA, Linda, Vivesco, Meine Apotheke, EMK, Gesund leben und E-plus.

Relativ neu im Markt sind die Bären-Apotheken, Apodirekt, Vivavita, zu den heranwachsenden Kooperationen rechnet Hölzel die Medicon-Apotheken, Lieblings-Apotheken und die Omnicare als Fachkooperation.

Nach wie vor werden als Hauptgrund für die Mitgliedschaft in einer Kooperation die finanziellen Vorteile beim Einkauf angegeben, daneben eine klare Positionierung, überschau- und nachvollziehbare Kosten, eine individuelles Marketing und starke Industriepartner.

Von Seiten der Kooperationszentrale setzt man nicht mehr auf Mitglieder um jeden Preis. Vielmehr möchte man mehr Verbindlichkeit seitens der Mitglieder erreichen.

Thomas Hofmann, Geschäftsführer der Vivesco Apotheken-Partner GmbH, stellte am Beispiel von Vivesco dar, was eine Kooperation heute bietet. Vorteile für Vivesco sieht Hofmann darin, dass diese Kooperation vom Alliance Healthcare-Verbund und vom Know how aus anderen Ländern profitieren kann. Aber: Jede Kooperation kann nur so gut sein wie ihre Mitglieder. Für Apotheker Wolfgang Kempf, Rhein-Neckar-Apotheke in Viernheim, jedenfalls hat sich der Beitritt zu Vivesco als richtig erwiesen. Ihm gefällt das ganzheitliche Marketing-Konzept, die professionellen Dienstleistungen, die personalisierten Werbemedien, die Unterstützung beim Category Management, die Optimierung der Warenwirtschaft und das Lieferdienstportal dedendo, das sich derzeit im Aufbau befindet. Zudem begrüßt er, dass Vivesco die inhabergeführte Apotheke stärkt.

Für Peter Menk, Geschäftsführender Gesellschafter der GDG Gesundheitsdienstleistungen GmbH ist das rote Apotheken-A allein noch keine Marke, sondern eher ein Hinweisschild vergleichbar dem blauen P-Schild, das auf ein Parkhaus hinweist. Aber eine Apotheke kann eine eigenständige Marke werden, wenn sie sich durch ein eigenes Konzept hervortut und beim Kunden profiliert. Er habe beispielsweise ein Apothekenkonzept entwickelt, das er mit der Apotheke am Dermatologikum in Hamburg umgesetzt habe: dazu gehöre eine besondere Apothekeneinrichtung, die den "Zauber der Apotheke", so Menk, ausstrahlt, außerdem freundliche und gepflegt aussehende Mitarbeiterinnen. Darüber hinaus bietet die Apotheke ihren Kunden Premium-Konzepte über verschiedene Kundenkarten (z. B. schwarze Card, Company-Card) oder besondere Tee-Eigenmarken an. Rezepturen erhalten ein eigenhändig unterschriebenes Siegel und unterstreichen so die individuel-le Leistung der Apotheke für den Kunden.

Rezept-App und Social Media

Dirke Radtke von der Awinta GmbH stellte die App "Mein Rezept" vor, die sich an den Apothekenkunden richtet. Diese App für Smartphones ermöglicht es dem Apothekenkunden, Rezepte zu scannen und sie direkt an das Warenwirtschaftssystem der Apotheke zu schicken, um sie in der Apotheke vorzubestellen und abholbereit zu halten.

Wie Facebook als Marketinginstrument für die Apotheke genutzt werden kann, stellte Dr. Bernhard Bellinger, Rechtsanwalt und Steuerberater, vor. Dabei gehe es nicht darum, Preis- oder Produktwerbung zu machen, sondern die Bekanntheit der Apotheke zu steigern und die Apotheke als Sympathieträger bei den Facebook-Freunden zu verankern. Durch Vernetzung, durch lokale Aktionen, Gewinnspiele, fachliche Infos und Infos aus der Apotheke lässt sich rasch eine Fan-Gemeinde aufbauen.



AZ 2013, Nr. 11, S. 6

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