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Management
Eigene Emotionen einfangen und den Kunden beruhigen
Anfang des Jahres ging eine überraschende Meldung durchs Land: Der Umgang mit aggressiven Kunden kann durchaus dumm machen, zumindest kurzfristig. Ein psychologisches Experiment an der technischen Universität Haifa in Israel hat ergeben, dass sich Mitarbeiter durch aggressive Kunden schnell aus dem Konzept bringen lassen und so ihre volle Leistungsfähigkeit nicht erreichen können.
Die Psychologin Anat Rafaeli hatte 86 Studenten zum Experiment eingeladen. Die Studenten bekamen zum Beispiel zwei mitgeschriebene Kundengespräche zu lesen. In einem Kundengespräch hatte es der Verkäufer mit einem wütenden und aggressiven Kunden zu tun, im zweiten dagegen mit einem sehr höflichen. Das Forscherteam um Anat Rafaeli stellte fest, dass die Studenten, die sich mit den aggressiven Kundenäußerungen konfrontiert sahen, sich Gesprächsdetails schlechter merken konnten als die Vergleichsgruppe, die sich mit den höflichen Kunden beschäftigen durfte.
Weitere Folgen dieses und weiterer Experimente: Das Arbeitsgedächtnis jener Studenten war beeinträchtigt, die Qualität ihrer Arbeit ließ nach. Die Schlussfolgerung: Kundenaggressionen schränken die geistigen Fähigkeiten des Gegenübers ein. In der Zeitschrift "Wirtschaftspsychologie heute" wird betont: "Bislang wurden Kundenaggressionen meist als emotionales und langfristiges Problem von Kundenberatern angesehen." Jetzt aber stehe fest, dass die Kundenaggressionen auch eine nachteilige kurzfristige Wirkung haben: Ein Verkäufer ist nicht wie üblich in der Lage, ein professionelles Kundengespräch zu führen.
Das aggressive Gespräch beenden
Was also tun? Natürlich kann ein Apotheker einen Kunden, der aggressiv wird, weil zum Beispiel ein Medikament nicht rechtzeitig geliefert wurde, bitten, die Apotheke zu verlassen. Oder er bietet ihm ein Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt an – wenn sich nämlich der psychologische Nebel verzogen hat, der die Denkfähigkeit des Kunden zurzeit einschränkt. Aber wird sich dies auch die Apothekenmitarbeiterin zutrauen? Und mit einiger Wahrscheinlichkeit wird ein Apotheker den Kunden durch den "Rausschmiss" nicht auf immer und ewig vergraulen wollen und daher nach einer Möglichkeit suchen, die aggressive Grundstimmung des Kunden doch noch in verträgliche Bahnen zu lenken.
Aggressivitätssituationen vermeiden und sich auf sie vorbereiten
Selbstverständlich sollten der Apotheker und sein Team versuchen, gar nicht erst eine Situation entstehen zu lassen, die den Kunden in eine aggressive Stimmung versetzen könnte. In einer Teamsitzung kann gemeinsam überlegt werden, wie solche Situationen in der Vergangenheit entstanden sind. Eventuell wird sich dabei herausstellen, dass die Kunden vor allem bei Reklamationen zu Aggressionen neigen. Und so kann das Team überlegen, wie es sich im Reklamationsfall professionell verhält und zumindest die Eskalation der aggressiven Situation vermeiden.
Doch jeder Apotheker wird genügend Kunden kennen, die "von Natur aus" zu einer aggressiven Haltung tendieren und bei denen das kleinste Tröpfchen genügt, um das Aggressionsfass zum Überlaufen zu bringen. Wenn Apotheker und Team aber ihre Pappenheimer kennen und wissen, welche Stammkunden zur Überreaktion neigen, können sie sich darauf einstellen.
Das oberste Gebot lautet dann: die verbale Aggression nie als Angriff auf die eigene Person werten, den Kunden ausreden lassen, ihm Gelegenheit geben, Dampf abzulassen, ihm vorsichtig zustimmen und einen Stoßdämpfer einbauen: "Lieber Herr Kunde, ich kann voll und ganz verstehen, warum Sie sich so aufregen. Erzählen Sie bitte in Ruhe, was passiert ist." Wichtig ist: Der aggressive Kunde muss loswerden können, was ihn bedrückt.
Allerdings: Grobe Beleidigungen sollte sich niemand gefallen lassen. Solange jedoch die Tür zu einer Einigung und zu einer Beruhigung des Kunden offen steht, kann der Apotheker nach einem Ausweg aus der Aggressivitätsfalle suchen.
Die eigenen Emotionen unter Kontrolle halten
So gut wie immer spielen im Umgang mit aggressiven Kunden die Emotionen eine Rolle. Der Einfluss des Apothekenteams auf die Emotionen des Kunden ist eingeschränkt. Was man aber in den Griff bekommen kann, sind die eigenen Gefühle. Es ist daher zielführend, wenn sich etwa der Apotheker mit seiner Persönlichkeitsstruktur beschäftigt und einschätzen kann, wie er wohl in der stressigen Auseinandersetzung mit einem aggressiven Kunden reagieren wird. Wer dabei Probleme hat, kann es trainieren, sich wütende Angriffe nicht zu Herzen zu nehmen und auch in einem aggressiven Klima einigermaßen ruhig und gefasst zu bleiben.
Einen wichtigen Beitrag dabei leistet die Einstellung zu aggressiven Kunden. Natürlich fällt es niemandem leicht, sich dabei gelassen zu verhalten. Wer den aggressiven Kunden aber als Herausforderung an seine Kompetenz als Kundenberater begreift, wird weniger die unangenehmen Aspekte in den Vordergrund stellen, sondern die Chance sehen, sich nun in einer schwierigen Situation bewähren zu dürfen. Dieser optimistisch-positive Zugang führt oft zur Freisetzung von Energien, mit denen der Apotheker den Kunden ins sachliche Fahrwasser leiten kann.
Mit anderen Worten: Es ist leichter und angenehmer, im ruhigen Dialog den Kunden im Frei- und Sichtwahlbereich zu beraten. Es sind aber vor allem die Gespräche mit den "schwierigen" Kunden, die zur persönlichen Weiterentwicklung beitragen. Darum sollten sie als Lernchance begriffen und genutzt werden.
Kommunikative Techniken einsetzen
Es gibt einige kommunikative Tricks, mit denen das Apothekenteam einem aggressiven Kunden begegnen kann. Dazu zählt zum Beispiel, den eigenen Redeanteil so gering wie möglich zu halten – der Kunde soll sich ausführlich äußern können. Wenn der Apotheker selbst redet, fasst er die Kundenäußerungen zusammen und vergewissert sich, ob alles richtig bei ihm angekommen ist. Er unternimmt mithin alles, um die Sachebene zu klären. Er hört genau zu, um dem Grund für die Aggressivität des Kunden auf die Spur zu kommen – dann verfügt er vielleicht über Ansatzpunkte, das Aggressivitätspotenzial des Kunden zu senken.
Um den Redeanteil des Kunden auszuweiten, ist es zielführend, möglichst mit offenen Fragen (W-Fragen wie "warum", "weshalb" oder "was") zu operieren, ihn also zum Reden zu bringen. Weitere zielführende Fragearten in diesem Zusammenhang sind die Bestätigungsfrage: "Habe ich Sie richtig verstanden, Herr Kunde, dass Sie also ...", und die Präzisierungsfrage: "Können Sie diesen Aspekt etwas ausführlicher darstellen?"
Die Aufgabe des Apothekers besteht im genauen Nachfragen. Je mehr er auf diese Art und Weise über den Kunden in Erfahrung bringt, desto mehr konstruktive Lösungsmöglichkeiten eröffnen sich.
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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