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- AZ 27/2013
- Schimmel in der Wohnung
Recht
Schimmel in der Wohnung
Vermieter behaupten gerne, dass der Mieter falsch lüfte. Dabei ist es eine Frage des Einzelfalles, welches Lüftungsverhalten vom Mieter zu erwarten ist. Somit spielt auch bei dieser Frage der bauliche Zustand der Immobilie eine wichtige Rolle. Die Pflicht des Mieters zur Vermeidung von Schimmelbildung findet also dort ihre Grenze, wo dafür unzumutbare Anstrengungen von ihm verlangt werden. Das Landgericht Frankfurt hatte über eine solche Anstrengung zu entscheiden. Der Fall macht deutlich, wie schwierig es sein kann, Theorie und Praxis zusammenzubringen.
Eine Mietwohnung war von Schimmel befallen, und ein Gutachten machte deutlich, dass nicht die Bausubstanz, sondern das Lüftverhalten des Mieters Grund für den Schimmel sei. Das Gericht verpflichtete den Mieter grundsätzlich dazu, drei- bis viermal täglich "Stoß zu lüften". Es sei ihm allerdings nicht zuzumuten (was das Gutachten empfahl), die "Lüftungen" gleichmäßig über den Tag zu verteilen. Vielmehr reiche es aus, morgens ein bis zweimal, nach Feierabend sowie ein weiteres Mal am Abend, die Fenster zu öffnen. Die Arbeit müsse dafür nicht unterbrochen werden (LG Frankfurt am Main, 2/17 S 89/11). Dass ein Mieter, der zum Beispiel um 5.30 Uhr die Wohnung verlässt, um zur Arbeit zu fahren, einer allmorgendlichen Stoßlüftung missmutig gegenüber steht, liegt auf der Hand – insbesondere im Winter ...
Mieter im Vorteil bei "unbekanntem Schimmel"
Die Beweisführung, wer oder was ursächlich für eine Schimmelbildung ist, ist also kompliziert. So konnte vor dem Landgericht Hamburg ein Vermieter nicht nachweisen, dass die Schimmelbildung durch schlechtes Lüften des Mieters hervorgerufen wurde. Der Mieter durfte deswegen die Mietzahlung um 25 Prozent reduzieren. Und das, obwohl schlussendlich auch nicht dargelegt worden war, dass der Vermieter wegen einer schlechten Bausubstanz für den Schaden verantwortlich war. Der Vermieter konnte nicht beweisen, dass das Gebäude "nach dem Stand der Technik zur Bauzeit frei von wärmetechnischen Baumängeln" war (LG Hamburg, 307 S 39/09).
In den meisten Fällen kann keine der beiden Ursachen von vornherein ausgeschlossen werden, so dass fast immer ein Sachverständiger hinzugezogen werden muss. Dass an dieser Stelle der Streit dann aber auch wirklich beigelegt ist, ist nicht immer der Fall.
Vor dem Amtsgericht Bad Segeberg wurde um das Gutachten gestritten, welches der Vermieter hatte erstellen lassen. Das tat er, weil sein Mieter die Miete wegen Schimmelbildung gekürzt hatte. Der Eigentümer teilte dem Mieter jedoch das Ergebnis des "Schimmel-Gutachtens" nicht mit. Das Gericht war der Meinung, dass er das auch nicht zu tun brauchte.
Wolle der Mieter weiterhin die Miete mindern, so könne er ja ebenfalls ein Gutachten erstellen lassen – und das Kostenrisiko dafür tragen, falls es zu seinen Ungunsten ausfallen sollte. Warum der Vermieter in diesem Fall das Gutachten nicht herausgerückt hatte, wurde vor Gericht nicht problematisiert. Ob es damit zu tun hatte, dass es nicht zu seinen Gunsten ausgefallen war, kam deshalb ebenfalls nicht zur Sprache (AmG Bad Segeberg, 17 C 21/12).
Tritt Schimmel auf, so hat der Vermieter im Regelfall die finanziellen Nachteile zu tragen. Insbesondere sind das Mietminderungen, etwaige Schadenersatzansprüche des Mieters sowie die Kosten für die Beseitigung des Mangels. Das gilt immer dann, wenn der Vermieter nicht beweisen kann, dass der Mangel nicht aus seinem "Gefahrenbereich" stammt.
Wenn der Mieter hingegen selbst den Anlass setzt, so kann er nicht "mindern". Das unterstreicht ein Fall vor dem Landgericht Kiel. Dort ging es um eine Schimmelbildung im Schlafzimmer, weswegen der Mieter die Miete minderte – sie später aber nachzahlen musste. Es stellte sich durch einen Sachverständigen heraus, dass er selbst verantwortlich für die Wandverfärbungen war. Er lüftete falsch. Eine Konstruktion eines Einbauschrankes ohne Rückwand führte dazu, dass im dahinter liegenden Bereich weder ein ausreichender Luftaustausch noch eine ausreichende Erwärmung stattfanden. Gleichzeitig sei aber die in der Raumluft enthaltene Feuchtigkeit eingedrungen, die an der Wand kondensiere. Das sei dadurch verstärkt worden, dass durch das Einlagern frisch gewaschener oder gebügelter Wäsche deren Feuchtigkeit ausgedünstet sei. (LG Kiel, 1 S 102/11)
Eine Auswahl weiterer Entscheidungen
"Massive Raumreduzierung" wegen Schimmels rechtfertigt "80 Prozent" oder Auszug – Reduziert sich der "Lebensraum" einer Mietwohnung "massiv", weil wegen Schimmelbefalls Trocknungsgeräte aufgestellt und Möbel von der Wand gerückt werden mussten, so hat der Mieter das Recht, die Miete für die Dauer der Beeinträchtigung um 80 Prozent zu kürzen. Hält dieser Zustand insgesamt eineinhalb Monate lang an, so dürfte der Mieter auch fristlos ausziehen. (Das Gericht begründete seine Ansicht mit der Bemerkung, "dass die ohnehin kleine Wohnung durch das Aufstellen der Trocknungsgeräte und die von den Wänden abgerückten Möbel auf einen Mikrolebensraum geschrumpft war.") (LG Köln, 1 S 176/11)
Mieter müssen auch mit Schimmel geduldig sein – Tritt in einer Mietwohnung Schimmel auf, den der Vermieter mit einem Spray behandelt, und dringt der Pilz ein halbes Jahr danach wieder durch (diesmal ließ der Vermieter einen Maler kommen), so dürfen die Mieter nicht fristlos kündigen, wenn bereits drei Monate nach den Malerarbeiten zum dritten Mal der Schimmel durchkommt. Dies auch dann nicht, wenn sie das in einem Schreiben an den Vermieter für den Fall angekündigt hatten, dass nach den Malerarbeiten wieder Schimmel auftrete. Sie hätten dem Vermieter durch eine entsprechende "Anzeige" eine weitere Chance auf Mängelbeseitigung geben müssen. (Der außerdem geforderten Schadenersatz in Höhe von insgesamt 2300 Euro – unter anderem für Makler- und Umzugskosten – wurde ihnen ebenfalls verweigert.)
(AmG München, 431 C 20886/11)
Schätzt ein Mieter den Wohnungsmangel falsch ein, trägt er die Folgen – Schätzt ein Mieter einen vermeintlichen Wohnungsmangel falsch ein und mindert er daraufhin die Miete drastisch (hier um 20%), so dass relativ schnell die Schwelle für eine fristlose Kündigung durch den Vermieter erreicht wird (was hier bereits nach zehn Monaten der Fall war), so hat er die Folgen auch dann zu tragen, wenn er aufgrund von Sachverständigengutachten seinen Fehler einsieht und den Mietrückstand (hier allerdings verspätet) begleicht. Der Bundesgerichtshof: "Der Mieter kann bei Zweifeln die Miete unter Vorbehalt zahlen, so dass ihm die Möglichkeit bleibt, eine gerichtliche Klärung seiner Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein." Hier hätte sich den Mietern "die Vermutung aufdrängen" müssen, "dass das Vorhandensein von zwei Aquarien sowie eines Terrariums mit Schlangen eine die Schimmelbildung begünstigende höhere Luftfeuchtigkeit in der gemieteten Wohnung bedingte und somit an das Lüftungsverhalten entsprechend höhere Anforderungen zu stellen waren". (BGH, VIII ZR 138/11)
Schimmel in nur einer Fuge rechtfertigt keinen überstürzten Auszug – Tritt Schimmel im Bad einer gemieteten Wohnung nur in einer Fuge auf, so handelt es sich nicht um einen "erheblichen Mangel", der den Mieter berechtigen würde, seine Wohnung fristlos aufzukündigen. Das Mietverhältnis endet dann "erst mit der ordentlichen Kündigung", also als wenn kein Grund dafür bestanden hätte. – Der Amtsrichter kam hier aber auch zu dem Ergebnis, dass der Mieter beim Auszug "nach Treu und Glauben" verpflichtet sei, die Wohnung "nicht mit einer ungewöhnlichen Dekoration zurückzugeben". Sei die Wohnung in kräftigen Rot-, Orange- und Gelbtönen gestrichen, so habe der Vermieter einen Anspruch gegen den Mieter, die Wände in neutralen Farbtönen zu streichen. (AmG Berlin-Schöneberg, 103 C 30/08)
Auch zunächst unentdeckter Schimmel ist versichert – Die Rechtsschutzversicherung eines Mieters darf sich nicht mit der Begründung weigern, einen vom Mieter angedachten Prozess wegen Schimmels gegen seine Vermieter zu finanzieren, der Schaden beruhe auf einem baulichen Mangel, der vor dem Einzug und vor Abschluss der Mietrechtsschutz-Versicherungspolice bereits existiert habe. Das Landgericht Dortmund: "Die zeitliche Festlegung eines Rechtsschutzfalles richtet sich allein nach der vom Versicherungsnehmer behaupteten Pflichtverletzung." Ein Mangel, der vor Versicherungsbeginn nicht erkannt werden konnte, gegen den der Mieter jedoch – nach der Entdeckung – rechtlich vorgehen darf, dürfe nicht ausgeschlossen werden. (LG Dortmund, 2 S 1/11)
Die Möbel müssen nicht selbst abgerückt werden – Das Landgericht Münster hat entschieden, dass eine Styropor-Wärmedämmung auf der Innenseite einer Wand einer Mietwohnung, die durch ihre Wirkung als Dampfsperre zu Schimmelbefall führt, als bauphysikalischer Mangel der Wohnung anzusehen und deswegen nicht vom Mieter zu verantworten ist. Der Vermieter kann nicht argumentieren, die Möbel hätten zu nah an den Wänden gestanden. Er muss sowohl die Sanierung der Wohnung finanzieren als auch den – dem Mieter entstandenen – Schaden am Schrank ersetzen. (Im Übrigen sei es dem Mieter nicht zuzumuten, Schränke mit 10 Zentimetern "Abstand" aufzustellen, weil dies die Wohnfläche reduziere.) (LG Münster, 3 S 208/10)
Ohne Gesundheitsgefährdung gibt es kein Geld – Ein Mieter kann nicht die Miete mindern, indem er behauptet, in seinen Räumen sei "Schimmel ausgebrochen". Vielmehr müsse er Art und Konzentration der Schimmelsporen darlegen. Dafür, so das Kammergericht Berlin, sei ein ärztliches Attest erforderlich.
(KG Berlin, 12 U 164/09)
Der Mieter darf heizen, wie er will – solange nichts schimmelt – Es ist jedem Mieter unbenommen, seine Wohnung nach individuellen Bedürfnissen zu beheizen. Erst wenn durch geringes Heizen und Lüften Schäden an der Mietsache entstehen, liege eine Pflichtverletzung des Mieters vor, so das Amtsgericht Saarbrücken. Dann könne auch eine fristlose Kündigung des Mietvertrages gerechtfertigt sein. Allerdings treffe den Vermieter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sich Schäden (wie beispielsweise Schimmel- oder Staubablagerungen) gebildet haben und wann sie entstanden sind (AmG Saarbrücken, 4 C 487/08).
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