Management

Ist Charisma erlernbar?

Auf der Suche nach der Charisma-Formel: Ausstrahlungspotenzial nutzen

Jeder will es – aber wer hat es wirklich? Das gewisse Etwas, Charisma, Ausstrahlung, Attitüde. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ nannte das in einer Titelstory einmal „das Lodern von innen“. Doch kann es wirklich gelingen, so etwas wie eine Ausstrahlung, die „von innen kommt“, zu entwickeln? Ist es nicht eher so, dass man Charisma hat – oder eben nicht?
Foto: Dave Newman – Fotolia.com
„I have a dream“ Für eine Vision brennen, so dass auch andere davon angesteckt werden und sie Wirklichkeit wird – Martin Luther King hat es vorgemacht.
(Im Bild das Martin Luther King Memorial in Washington, DC)

Um es vorweg zu sagen: Auch in diesem Artikel wird die Frage, was Charisma ist, nicht endgültig beantwortet. Es ist jedoch auffallend, dass die Frage nach dem „Lodern von innen“ in jüngster Zeit immer öfter gestellt wird. Einigkeit scheint bei der Überzeugung zu herrschen, dass Charisma nicht messbar ist, sondern immer nur be- oder besser: umschrieben werden kann: indem wir entweder Menschen nennen, die nach allgemeiner Auffassung charismatisch sind – etwa Mutter Theresa, Barack Obama oder Angelina Jolie –, oder von Situationen berichten, in denen das Charisma eines Menschen aufscheint.

Schwächen wertschätzen

Eine überraschende Antwort bietet zum Beispiel Ilja Grzeskowitz in seinem Buch „Attitüde: Erfolg durch die richtige innere Haltung“. Er stellt die Frage, was wir assoziieren, wenn wir an Menschen denken, denen wir Charisma und Ausstrahlung zugestehen. Seine Antwort: „Sie werden feststellen, dass es vor allem die Ticks und Spleens sind, die Ecken und Kanten sowie die kleinen und großen Schwächen“. Er empfiehlt daher, Stärken zwar auszubauen, aber auch die Schwächen wertzuschätzen und nicht zu verleugnen und zu ihnen zu stehen.

Eine Überlegung, die der Apotheker daran anschließen könnte: Vielleicht ist es eben nicht nur der Perfektionismus des pharmazeutischen Fachexperten, der ihn in der Wahrnehmung der Kunden zu einer Persönlichkeit werden lässt, der man vertraut. Eventuell tragen – nicht nur, aber – auch seine Schwächen dazu bei; eben das, was ihn zu einem Menschen „wie du und ich“ macht.

Vision und Umsetzung

Wohl jeder von uns möchte in den Augen seiner Mitmenschen als Charismatiker wahrgenommen werden, der, sobald er den Raum betritt, auf fast schon magische Weise die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Darum stellt sich die Frage: Ist Charisma erlernbar?

Auch für den Apotheker ist dies eine relevante Fragestellung. Denn Charisma hilft ihm nicht nur beim Aufbau vertrauensvoller Kundenbeziehungen, sondern zugleich bei der Mitarbeiterführung. Wer Menschen, wer Mitarbeiter dazu bewegen kann, die Ziele des Apothekers und der Apotheke mit derselben Intensität wie die eigenen Ziele zu verfolgen, darf sich über ein motiviertes und engagiertes Team freuen.

In diesem Zusammenhang fällt oft der Begriff „Vision“. Charismatiker verstehen es, eine Vision, von der sie selbst entzündet worden sind, auf andere Menschen zu übertragen. Aber Achtung: Allzu rasch droht dieses Feuer auch wieder zu ersticken, wenn keine konkreten Umsetzungsschritte erfolgen. Eine Vision ohne Umsetzung – das senkt den Charisma-Faktor immens.

Wiederum konkret bezogen auf den Apothekenalltag heißt das: Wenn es dem Apotheker gelingt, eine Apothekenvision zu entzünden – nach dem Motto: „In fünf Jahren entwickeln wir uns zu ...“ –, dann sollte er sich frühzeitig Gedanken machen, wie er diese Vision am besten gemeinsam mit den Mitarbeitern umsetzen kann.

Den Charisma-Faktor erhöhen

Die Charisma-Expertin Anouk Scherer ist der Meinung, dass jeder Mensch das Potenzial in sich trage, Charisma zu entwickeln. Es komme darauf an, den Mut zu finden, dieses gewisse Etwas in sich selbst zu entdecken, zuzulassen, nach außen zu tragen und wirken zu lassen.

Einen interessanten Weg dorthin beschreibt Business-Coach Stefanie Demann in ihrem Buch „Selbstcoaching“ (Gabal Verlag). Die Kommunikationstrainerin schlägt ein Programm in vier Entwicklungsschritten vor (das sie in ihrem Buch in aller Ausführlichkeit schildert), dessen wichtigste Aspekte, bezogen auf den Apotheker, wie folgt lauten:

Schritt 1: die mentale Ebene

Das, was wir über uns, andere Menschen und die Welt denken, bestimmt, ob wir ein charismatischer Mensch sind oder nicht. Wer von sich selbst nicht viel hält, in anderen nur Störenfriede sieht und denkt, die Welt sei grundsätzlich schlecht, kann seine Persönlichkeit nicht zum Strahlen bringen.

Das bedeutet: Zuallererst muss der Apotheker ein positives Ich- und Menschenbild sowie optimistischeres Weltbild entwickeln. Nur derjenige kann sich zu einer überzeugenden Persönlichkeit entfalten, der eine konstruktive Einstellung zu seinem Umfeld findet.

Schritt 2: Feedback vom Umfeld einholen

Der Apotheker findet heraus, wann er – im wahrsten Sinn des Wortes – eine positive Ausstrahlung an den Tag gelegt hat, wann er „gestrahlt“ hat. Was hat er in diesen Momenten getan, gedacht und gefühlt? Ein Indiz dafür ist die Reaktion der Mitmenschen. „Du hast eben sehr überzeugend auf mich gewirkt“ – so die verbale Reaktion etwa im Privatbereich des Apothekers. Er weiß, dass er in diesem Moment mit einiger Wahrscheinlichkeit Charisma ausgestrahlt hat – und damit andere Menschen ebenfalls zum Strahlen gebracht hat. Er fragt sich also: „Was habe ich in dieser Situation gemacht und wie kann ich dies auf anderer Situationen übertragen?“

Entscheidend ist: Unser Umfeld spiegelt unser Verhalten. So wie wir auf andere zugehen, auf sie wirken, mit ihnen umgehen, so werden andere mit uns umgehen.

Schritt 3: Ausstrahlung antrainieren

Nehmen wir an, der Apotheker hat in Schritt 2 festgestellt, dass er immer dann andere Menschen zum Strahlen gebracht hat und überzeugen konnte, wenn er sich in seiner Argumentation hat gehen lassen, wenn er also „mit Händen und Füßen“ geredet hat, ohne großartig auf grammatikalische Korrektheit zu achten. Der Rückschluss liegt nahe, dass er über eine überzeugende und wohltuende Körpersprache verfügt und vor allem dann auf andere Menschen besonders wirkt, wenn er „spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist“.

Das heißt: Der Apotheker kann seinen Charisma-Faktor erhöhen, indem er bewusst solche Situationen herbeiführt, sich also im Gespräch mit Kunden und Mitarbeitern keine kommunikativen Zügel anlegt.

Schritt 4: Charismatische Persönlichkeiten beobachten

Der Apotheker kann auch von anderen lernen. Durch Beobachtung zu lernen bedeutet, das persönliche Repertoire zu erweitern. Darum fragt er sich bezüglich der Menschen, denen er Charisma und Ausstrahlung attestiert: „Was beeindruckt mich an diesen Menschen? Was bringt diese Personen zum Strahlen? Wie gelingt es ihnen, andere Menschen, auch mich, zum Strahlen zu bringen? Was kann ich daraus lernen und für mich anwenden?“

Fazit

Es gehört wahrscheinlich nicht zu den allerdringlichsten Aufgaben des Apothekers, seinem Charisma auf die Spur zu kommen. Aber insbesondere die Reflexion der Frage, wann er andere Menschen auf welche Art und Weise zum Strahlen gebracht hat, zeigt ihm einen Weg auf, seinen Charisma-Faktor zu erhöhen. 

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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