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Gesundheitspolitik
Die Therapiebegleitung als neue Aufgabe
ABDA will Platz des Apothekers in der Gesellschaft neu definieren
DÜSSELDORF (diz/wes) | ABDA-Präsident Friedemann Schmidt forderte bei der Eröffnung des Deutschen Apothekertags in Düsseldorf am Mittwoch die Apotheker auf, in eine Debatte über die zukünftige Rolle der Apothekerschaft in der Gesellschaft einzusteigen. In einer streckenweise kämpferischen Rede forderte er die Apotheker auf, einer Trivialisierung des Arzneimittels entschieden entgegenzutreten. Leider gehe mit dieser eine Selbsttrivialisierung des Berufs einher, die das freiberufliche Fundament des Berufs schwäche.
Schmidt beklagte eine zunehmende Dominanz der Krankenkassen in nahezu allen Bereichen des Gesundheitswesens. Besonders problematisch sei dabei die Überbetonung der finanziellen Situation der Kassen, die versorgungspolitische Fragestellungen in den Hintergrund drängten. Er forderte deshalb die kommende Bundesregierung auf, „wieder für einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Versicherten nach niedrigen Beiträgen und den Interessen der Patienten nach guter Qualität der Versorgung zu sorgen.“
Die wichtigste Forderung der Apotheker sei aber, die fachliche Unabhängigkeit der Apotheker zu gewährleisten. Nur dann sei die freiberufliche Zukunft der Apotheker gesichert. Die Freiberuflichkeit verpflichte die Apotheker zu voller Verantwortung und Haftung für die Arzneimittelversorgung und dazu, ihr Handeln am Wohl der Patienten und der Gesellschaft auszurichten. Im Gegenzug hätten aber Politik und Gesellschaft die Pflicht, dafür geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.Bereits auf der Pressekonferenz im Vorfeld des Apothekertags führte Schmidt aus, dass der Arbeitsaufwand in der Apotheke beträchtlich steige, die personellen Ressourcen begrenzt seien und sich ein massives Nachwuchsproblem abzeichne. Auf diese Herausforderungen seien Antworten zu finden, so der ABDA-Präsident. Der Platz des Apothekers in der Gesellschaft ist heute ein anderer als früher. So müsse die Arzneimittelversorgung neu definiert werden: Sie ende nicht mit der Übergabe des Arzneimittels an den Patienten, sondern mit der erfolgreich durchgeführten Therapie. Daraus resultierten Prozesse der Therapiebegleitung durch den Apotheker wie beispielsweise das Medikationsmanagement, von dem insbesondere ältere multimorbide Menschen profitierten. „Auf diesem Gebiet wollen wir unsere Selbstbestimmung wieder herstellen“, so Schmidt.
„Wir brauchen neue Vergütungsformen“
Für diese neuen Aufgaben und Prozesse erwarte man allerdings Unterstützung von der Politik. Für eine Therapiebegleitung benötige der Apotheker neue, packungsunabhängige Honorierungsinstrumente, damit Apotheker diese neuen Leistungen auch wirtschaftlich erbringen können. Schon heute bieten viele Apotheken therapiebegleitende Leistungen, allerdings „pro bono“, so ABDA-Präsident Schmidt. Wenn dies zum Leistungsspektrum der Apotheker gehören solle, müsse in Zukunft über neue Vergütungsformen gesprochen werden. Unbestritten sei, dass Verbesserungen der Qualität der vorhandenen Therapie, vor allem der Arzneimitteltherapie, ökonomisch gesehen größere positive volkswirtschaftliche Auswirkungen hätten als die Entwicklung neuer Therapieformen. Schmidt: „Das System würde viel stärker davon profitieren, wenn die Therapieformen, die heute schon da sind, vernünftig angewendet würden.“ Nur jeder zweite Patient hält sich beispielsweise an die vom Arzt vorgeschriebene Therapieempfehlung. Hier wollten die Apotheker einsteigen, erklärte Schmidt.
Aus der neuen Strategie sollte eine professionelle Autonomie des Apothekers resultieren. Und damit auch mehr Zufriedenheit und planbare Rahmenbedingungen für den Nachwuchs. Darüber hinaus profitiere die Gesellschaft durch die Therapiebegleitung durch eine verbesserte Vernetzung der Leistungserbringer. Letztlich sieht Schmidt als Resultat der Neuausrichtung des Apothekers eine qualitativ bessere Arzneimittelversorgung für viele Menschen. „Hier liegen noch Reserven“, so Schmidt, „wir wollen unseren Beitrag dazu leisten.“
Deutlich mehr Ausbildungsplätze
Probleme sieht Schmidt dagegen schon eher beim pharmazeutischen Nachwuchs. Wie er auf Nachfrage in der Pressekonferenz ausführte, könnten die Absolventen des Pharmaziestudiums gerade so den Bedarf an Apothekerinnen und Apothekern decken. Aber nicht jeder Absolvent wolle im späteren Berufsleben das volle Arbeitspensum leisten. Dies hänge vor allem mit der zunehmenden Feminisierung des Apothekerberufs zusammen. Ein großer Frauenanteil werde zwar in sozialen Berufen prinzipiell als positiv gesehen, aber hinsichtlich der Arbeitszeitvorstellungen gebe es hier andere Vorstellungen.
Hinzu kommt, wie Schmidt ausführte, dass in Deutschland seit etwa zehn Jahren jährlich etwa 500 neue Stellen für Apothekerinnen und Apotheker geschaffen werden, davon ungefähr die Hälfte im Bereich der öffentlichen Apotheke, weshalb in Deutschland ein Überbedarf an Pharmazeuten besteht.
Wie der ABDA-Präsident dazu anmerkte, liegt Deutschland im EU-weiten Vergleich des Ausstattungsgrad mit akademisch ausgebildeten Apothekerinnen und Apotheker am unteren Ende, im weltweiten Vergleich „irgendwo zwischen Nepal und Pakistan“. Schmidt: „Wir haben also einen erheblichen Nachholbedarf, was den Versorgungsgrad mit akademisch qualifizierten Pharmazeuten angeht. Die Antwort müsste sein: Wir brauchen deutlich mehr Ausbildungsplätze!“ Nur so könne man in Zukunft den Standard in der Versorgung halten bzw. wettbewerbsfähig machen. „Insbesondere im Krankenhausbereich haben wir eine massive Unterversorgung mit Apothekerinnen und Apothekern“, gab Schmidt zu bedenken.
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