Gesundheitspolitik

AOK nimmt Klage gegen AZ-Kommentar zurück

Kammergericht: "Berufung ist offensichtlich unbegründet"

BERLIN (cr). Die AOK Baden-Württemberg ist auch vor dem Kammergericht Berlin damit gescheitert, der Apotheker Zeitung (AZ) und ihrem Herausgeber Dr. Klaus G. Brauer das Wort zu verbieten. Klauseln in Rabattverträgen, die dramatische Defizite bei der Arzneimittelversorgung AOK-versicherter Patienten provozieren können, dürfen auch weiterhin als "zynisch" und "menschenverachtend" bezeichnet werden.

In einem AZ-Kommentar vom 26. September 2011 (AZ Nr. 39) hatte Brauer die Praxis der AOK, Rabattverträge mit Pharmaunternehmen zu vereinbaren, die auch lange Zeit nach Beginn der rabattvertraglichen Laufzeit nicht in der Lage sind, dringend benötigte Rabattarzneimittel zu liefern, als zynisch und menschenverachtend bezeichnet. Lieferausfälle und Lieferengpässe bei Rabattarzneimitteln seien vorhersehbare Konsequenzen einer grob fahrlässigen Vertragspolitik der AOK. Bloße Wirtschaftlichkeitserwägungen führten bei vielen Versicherten zwangsläufig zu einem therapeutisch nicht vertretbaren Arzneimittel-Hopping und zu massiven Compliance-Problemen.

Abwegige "Assoziationen zum Dritten Reich"

Durch den Kommentar sahen sich die AOK und ihr Verhandlungsführer für AOK-Rabattverträge Dr. Christopher Hermann "herabgewürdigt" und einer "unzulässigen Schmähkritik ausgesetzt". Die Begrifflichkeit der Kritik suggeriere "vorsätzlich Assoziationen zur Behandlung von Menschen im Dritten Reich in Lagern etc.".

Sowohl Brauer als auch der Deutsche Apotheker Verlag wiesen diese Beurteilung als abwegig zurück und weigerten sich, die von der AOK verlangte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Gerichte weisen die AOK in die Schranken

Zu Recht – wie jetzt auch das Kammergericht festgestellt hat. Zuvor hatte bereits das Landgericht Berlin in erster Instanz die AOK-Klage als "offensichtlich unbegründet" abgewiesen und Hermann & Co. deutliche Worte zu Inhalt und Umfang der Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) ins Stammbuch geschrieben: Der AZ-Kommentar und die strittigen Äußerungen ("Zynismus pur – menschenverachtender Zynismus") seien in eine Sachdebatte um die Frage der Sinnhaftigkeit von Rabattverträgen eingebettet und deshalb rechtlich nicht zu beanstanden. Im Vordergrund des Kommentars, so das Gericht, stand nicht die Herabwürdigung der AOK, sondern ihr Geschäftsgebaren beim Abschließen von Rabattverträgen. Hinzu kam, dass Brauer seinen kritischen Kommentar mit zahlreichen Fakten (Zahlen, Namen von Unternehmen und Arzneimitteln etc.) untermauert hatte. Eine "Schmähkritik" lag deshalb nach Auffassung der Berliner Richter nicht vor.

AOK zieht den Schwanz ein

Dieser rechtlichen Beurteilung folgte im Berufungsverfahren jetzt auch das Kammergericht und kündigte an, die von der AOK eingelegte Berufung wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit abweisen zu wollen. In seiner Verfügung stellte der Vorsitzende Richter des Kammergerichts noch einmal klar, dass es sich bei dem AZ-Kommentar um eine zulässige Meinungsäußerung handelt, die "in entscheidender Weise durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt ist" und deshalb in vollem Umfang unter den Schutz von 5 Abs. 1 GG fällt. Ob dieser eindeutigen Worte traten die forschen Kläger um ihren Chef Christopher Hermann ziemlich kleinlaut den Rückzug an: Die AOK Baden-Württemberg nahm ihre Klage gegen Brauer und den Deutschen Apotheker Verlag zurück.

Kosten im oberen vierstelligen Bereich

Preiswert war der AOK-Ausflug vor die Schranken Justitias freilich nicht: Für die Körperschaft des öffentlichen Rechts entstanden – quasi als Kollateralschaden ihrer ausgehandelten Rabattverträge – Gerichts- und Rechtsanwaltskosten im oberen vierstelligen Bereich. Ob dieser Betrag zulasten der AOK und ihrer Mitglieder nicht sinnvoller hätte eingesetzt werden können?



AZ 2013, Nr. 6, S. 1

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