Arzneimittel und Therapie

Tiefe Hirnstimulation als lebensrettende Maßnahme

Für besonders schwere Fälle von chronischer Magersucht wurde jetzt in einer Pilotstudie die tiefe Hirnstimulation eingesetzt. Als Folge nahmen drei von sechs Patientinnen über Monate hinweg an Gewicht zu und litten weniger unter Depressionen und Zwangsstörungen.

Die Anorexia nervosa gehört bei jungen Frauen zu den häufigsten psychiatrischen Störungen. Die Betroffenen finden sich zu dick, obwohl sie bereits sehr mager sind, führen Diäten durch, erbrechen ihre Mahlzeiten wieder und treiben extrem viel Sport. Oft kommen Depressionen, Angststörungen und Zwänge hinzu. Behandelt werden die meist weiblichen Patienten mit einer Psychotherapie, wobei sie über Jahre hinweg therapeutisch begleitet werden. Diese Behandlung ist jedoch bei bis zu 20% der Patientinnen nicht erfolgreich. In einer neuen klinischen Studie implantierten kanadische Hirnchirurgen sechs Patientinnen im Alter von 24 bis 57 Jahren mit therapierefraktärer Anorexia nervosa bilateral Elektroden, mit denen der Gyrus subcallosus im Cingulum stimuliert werden kann. Diese Hirnregion ist für die Regulation der Stimmung und für die Eigenwahrnehmung wichtig. Bisher ist bekannt, dass sich schwere Depressionen durch eine tiefe Hirnstimulation in dieser Region bessern können. Außerdem wird die Methode zur Behandlung der Parkinson-Erkrankung eingesetzt. Die Frauen hatten trotz mehrmaliger Therapien teilweise viele Jahre nach dem Ausbruch der Erkrankung extremes Untergewicht: Ihr BMI lag zwischen 11,0 und 13,5. Außerdem litten sie an kardialen, endokrinen oder gastrointestinalen Komplikationen und weiteren psychiatrischen Erkrankungen. Nach der Operation hielten oder erhöhten drei der sechs Frauen im Verlauf mehrerer Monate ihr Körpergewicht. Bei vier Frauen schwächten sich auch Depressionen und Angstzustände ab. Möglicherweise sei die Gewichtszunahme eine Folge der antidepressiven Wirkung, so die Forscher. Allerdings ist die potenziell lebensrettende Maßnahme selbst nicht ohne Risiko und eignet sich daher nur für Frauen, die lebensgefährlich erkrankt sind.


Quelle: Lipsmann, N., et al.: Lancet 2013; Online: doi:0.1016/S0140-6736(12)62188-6.


hel



DAZ 2013, Nr. 13, S. 86

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