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Shit happens! – wirklich?

Dr. Benjamin Wessinger Chefredakteur der DAZ

"Saublöde Geschichte", "Shit happens" – mit solch flapsigen Formulierungen versuchte Friedemann Schmidt auf dem Bayerischen Apothekertag das Fiasko um den designierten neuen Pressesprecher, der an seinem ersten Arbeitstag neben dem Begrüßungsstrauß auch gleich seinen Hut nehmen konnte, abzutun. Das mag man unpassend und der Situation nicht angemessen finden – oder als Versuch werten, die Geschichte nicht unnötig hochzukochen.

Krude dagegen ist die offizielle Pressemeldung der ABDA, mit der bekanntgegeben wurde, dass Sven Winkler doch nicht neuer Pressesprecher wird. "Aufgrund der Meldungen in den Medien und der anschließenden, teilweise sehr negativ geführten Diskussionen in deren Internet-Foren" sei ein "fairer Start bei der ABDA nicht mehr möglich".

Noch mal ganz langsam und zum Mitschreiben: Weil die Medien darüber berichtet haben, dass dem designierten ABDA-Pressesprecher vorgeworfen wird, dass es in seinem alten Job Probleme mit den Reisekostenabrechnungen gegeben haben soll, kann er seinen Job nicht antreten. Nur damit ich das richtig verstanden habe: Das Problem war also die Berichterstattung? Wäre über die Vorwürfe nicht berichtet worden, hätte es keine Probleme mit dieser Personalie gegeben?

In der Pressemitteilung heißt es auch, Sven Winkler habe in einem Gespräch mit dem Hauptgeschäftsführer der ABDA zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung genommen. Er habe erläutert, dass diese nicht den Tatsachen entsprächen. Wie denn nun? Sollten die Vorwürfe falsch sein (wofür wir trotz intensiver Recherche keine Anhaltspunkte gefunden haben), warum durfte Winkler dann seinen Job nicht antreten? Warum hat der neue Arbeitgeber sich dann nicht schützend vor seinen Mitarbeiter gestellt? "Die Vorwürfe sind uns bekannt, Herr Winkler konnte sie umfassend ausräumen" – dieser Satz hätte die ganze Geschichte beendet, bevor sie so groß wurde, wie sie wurde.

Oder ist an den Vorwürfen doch etwas dran? Dann sollte die ABDA, dann sollten alle Apothekerinnen und Apotheker dankbar sein, dass sie bekannt wurden, bevor Sven Winkler seine neue Stelle angetreten hat. Und nicht larmoyant (hier passt der Ausdruck!) über die böse Presse und das schlimme Internet klagen.

Um eines von unserer Seite klarzustellen: Wir haben mitnichten einfach ungeprüft anonyme Vorwürfe von einer obskuren Internetseite verbreitet. Es handelte sich um einen mit Klarnamen gezeichneten Kommentar auf einem Branchendienst, zu dem die ABDA selbst lange Zeit sehr enge Beziehungen unterhalten hat. Wir haben mit dieser Kommentatorin gesprochen, die ihre Vorwürfe bekräftigt hat und deren Glaubwürdigkeit für uns unzweifelhaft war und ist. Wir haben bei der ABDA um Stellungnahme gebeten (aber keine Aussage zu den Vorwürfen erhalten), wir haben versucht, Herrn Winkler zu erreichen (was uns nicht gelungen ist), wir haben bei seinem vorherigen Arbeitgeber angefragt (der sich nicht äußern wollte) und schlussendlich hat uns das Arbeitsgericht München bestätigt, dass Winkler gegen seine fristlose Kündigung Klage erhoben hatte, die mit einem Vergleich und der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses beim Helmholtz Zentrum endete.

Nicht ein einziges Mal haben wir gehört: "Diese Vorwürfe sind aus der Luft gegriffen, da ist nichts dran." Auch nicht von Herrn Winkler. Stattdessen haben wir Post von seinem Rechtsanwalt bekommen.

Auch hier gilt: Hätte sich Herr Winkler mit uns in Verbindung gesetzt (die Kontaktdaten hatte er offensichtlich), hätte er die Vorwürfe ausräumen können.

Nach der völlig verunglückten Präsentation des El-Pato-Prüfberichts, bei der einer kleinen Auswahl von Medien eine gekürzte Fassung präsentiert wurde (die übrigens inzwischen wieder von der ABDA-Website entfernt wurde) ist die Causa Winkler innerhalb weniger Wochen bereits das zweite PR-Debakel.

Hier offenbaren sich Defizite, die ehrlich gesagt nur kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen werden können: Warum wird erst verkündet, vor dem Sommer werde man wohl keinen neuen Sprecher haben, schließlich hätten die infrage kommenden Kandidaten Kündigungsfristen einzuhalten, um nur wenige Tage später einen neuen Sprecher aus dem Hut zu zaubern? Wieso ist im Apothekerhaus niemandem aufgefallen, dass es schwer vermittelbar sein könnte, wenn dieser Sprecher nebenher eine eigene Agentur betreibt? Und wieso wurde ganz offensichtlich der berufliche Hintergrund des Wunschkandidaten nicht gründlich überprüft?

Da muss man sich doch die Frage stellen: Wer ist für dieses fortgesetzte Desaster eigentlich verantwortlich?


Benjamin Wessinger

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