DAZ aktuell

Warum ohne uns?

Prof. Dr. Dorothee Dartsch, Mitglied des Vorstands der Apothekerkammer Hamburg und Teilnehmerin beim 4. Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie, 13./14. Juni 2013, Berlin

Die Knappschaft Bahn-See hat erkannt, dass unerwünschte Arzneimittelwirkungen den Krankenkassen Kosten bescheren, und dass manche davon vermeidbar wären. So z. B. unerwünschte Wirkungen durch Interaktionen zwischen rezeptpflichtigen und im Rahmen der Selbstmedikation erhältlichen Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln. Sie investiert nun in Maßnahmen, um diese unerwünschten Wirkungen zu vermeiden und dadurch unter dem Strich Kosten einzusparen. Das ist zu begrüßen, denn es trägt zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) bei.

Am 14. Juni stellte die Referentin und AMTS-Projektleiterin der Knappschaft, Frau C. Vössing, auf dem 4. Deutschen Kongress für Patientensicherheit bei medikamentöser Therapie in Berlin vor, wie die Knappschaft dieses Ziel erreichen möchte: Geplant ist ein Projekt, in dem die Versicherten individualisierte Briefe erhalten sollen, die den Patienten erklären, welche weiteren nicht rezeptpflichtigen Arzneimittel aufgrund ihrer rezeptpflichtigen Medikation für sie grundsätzlich Probleme bereiten können und daher vermieden werden sollten.

Sorgen macht mir einerseits, dass das die AMTS im Einzelfall durchaus verschlechtern kann: man stelle sich z. B. vor, ein Patient nimmt seit langer Zeit sowohl Ciclosporin und Johanniskraut ein, ist gut eingestellt und setzt das Johanniskraut nun plötzlich aufgrund des Warnbriefes ab – ohne Rücksprache mit einem Heilberufler, ohne Monitoring, ohne Neueinstellung der Dosis.

Ich frage mich aber vor allen Dingen: Was verleitet eine Krankenkasse, den erkannten Beratungsbedarf auf dem Postweg zu decken? Sie könnte stattdessen ja auch Apotheker für diese Leistung entlohnen, die durch ihren direkten Patientenkontakt offene Fragen und Missverständnisse ausräumen und sicherstellen können, dass die Information überhaupt zur Kenntnis genommen wird. Auch ist die Beratungsleistung der Apotheker sofort bei jeder Verordnung und bei jedem Wunsch nach freiverkäuflichen Arzneimitteln verfügbar – nicht erst verzögert nach Auswertung der Verordnungsdaten, wenn manche Arzneimittel eventuell schon gar nicht mehr verordnet werden.

Warum also ohne uns? Wie muss die Wahrnehmung der Krankenkasse(n) hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Apothekerschaft beschaffen sein, um so einen Weg zu gehen? Und das auf einem Feld, das Apotheker immer für sich beanspruchen: Interaktionen zwischen rezeptpflichtigen und freiverkäuflichen Arzneimitteln?! Sind es Zweifel an unserem Beratungswillen? An unserer Leistungsfähigkeit hinsichtlich Kompetenz und/oder Personaldecke? Zweifel daran, dass wir eine solche Leistung, deren Erfüllung man schwer kontrollieren kann, ehrlich erfüllen würden? Was tun wir, um solche Zweifel zu nähren oder auszuräumen? Tun wir genug dafür, dass Dritte uns und unsere Leistung als wichtiges Element der AMTS wahrnehmen? Sind es zu wenige, die genug tun, zu viele, die zu passiv sind?

Diese Fragen müssen wir Apotheker uns in allen Berufsfeldern sehr kritisch stellen und ehrlich beantworten. Nur dann wird es möglich sein, erfolgreiche Strategien zu entwickeln, um unseren Heilberuf für die Zukunft stark zu machen.


Prof. Dr. Dorothee Dartsch

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