Prisma

Rätsel der Inaktivierung gelöst

(jb). Darmbakterien sind in der Lage, bestimmte Wirkstoffe zu aktivieren oder auch zu inaktivieren. Letzteres ist beispielsweise bei Digoxin der Fall. Bereits 1982 zeigten Wissenschaftler der Columbia-Universität, dass eine bestimmte Bakterienart, Eggerthella lenta, dafür verantwortlich ist, dass das Herzglykosid nicht bei allen Patienten wirkt. Der Mechanismus der Inaktivierung wurde allerdings nie verstanden.

Aus dem wolligen Fingerhut (Digitalis lanata) wurde das Herzglykosid Digoxin 1930 erstmalig isoliert. Warum es bei manchen Patienten nicht wirkt, wurde jetzt im Fachmagazin Science publiziert. Foto: DAZ/Archiv

Eggerthella lenta – ein gram-positiver Anaerobier vom Stamm der Actinobakterien: wenig bekannt, aber weit verbreitet und zwar in der Darmflora jedes Menschen. Daher musste der Ansatz der Wissenschaftler vor mehr als 30 Jahren scheitern, anhand des Nachweises von E. lenta vorauszusagen, ob bei der betreffenden Person Digoxin wirken wird oder nicht.

Nun ist es gelungen, den Mechanismus der Digoxin-Inaktivierung aufzuklären. Cytochrome sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Übeltäter. Allerdings nicht humane CYP-Enzyme, die in der Leber für den Metabolismus zahlreicher Arzneistoffe verantwortlich sind, sondern bakterielle. In Zellkultur-Experimenten konnten Wissenschaftler aus Harvard zeigen, dass bei einem bestimmten Stamm des Bakteriums E. lenta zwei Gene, die für CYP-Enzyme codieren, in Anwesenheit von Digoxin hochreguliert werden. Bakterienstämme, bei denen diese beiden Gene nicht vorhanden sind, haben keinerlei Einfluss auf den Digoxin-Metabolismus. Außerdem konnte die Gruppe zeigen, dass die Zugabe der Aminosäure Arginin die Inaktivierung des Herzglykosids verhindert. Auch im Mausmodell, das mit entsprechenden Bakterien besiedelt war, waren unter Protein- und somit Arginin-reicher Diät höhere Wirkstoffspiegel nachweisbar als unter proteinfreier.

So ist zum einen ein altes Rätsel um den Mechanismus der Inaktivierung von Digoxin gelöst. Wenn aber die Erkenntnisse aus Zellkultur und Mausmodell sich auf den Menschen übertragen lassen, könnte zum anderen die Problematik der Digoxin-Inaktivierung im klinischen Alltag durch einfache Ernährungsempfehlungen der Vergangenheit angehören.


Quelle: Haiser H J et al. Science 19 July 2013; Vol. 341 no. 6143 pp. 295 – 298; DOI: 10.1126/ science.1235872.

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