UniDAZ

Vitamin-D-Mangel verbreitet

Versorgungssituation der Bevölkerung aus Sicht eines Studentenprojektes der Universität Würzburg

Nachdem es lange vernachlässigt wurde, tritt seit einiger Zeit ein Vitalstoff verstärkt in den Fokus der Gesundheitswissenschaften. Die Rede ist von Vitamin D3 (Cholecalciferol) – in Wirklichkeit ein (Pro-)Hormon, welches bei vielfältigen Prozessen im Körper eine wichtige Rolle spielt. Trotz Aufklärung und Information zeigt sich nach den Wintermonaten eine deutliche Unterversorgung in der Bevölkerung.

Editorial

Vitamin D wird als Sonnenvitamin bezeichnet, da es in der Haut mithilfe von Sonnenlicht (UV-B-Strahlen 290 bis 315 nm) gebildet wird. Man geht davon aus, dass an einem sonnigen Sommertag etwa 15 Minuten Sonnenbestrahlung auf Gesicht, Hände und Unterarme ausreicht, um mehrere Tausend Einheiten Vitamin D zu bilden. Wichtig dabei: Langes Sonnenbaden bringt nicht mehr und ist auch wegen des Hautkrebsrisikos nicht zu empfehlen. Zumal Sonnenschutzprodukte die Vitamin-D-Produktion in der Haut verhindern. Ein Lichtschutzfaktor > 15 kann die körpereigene Vitamin-D-Synthese fast vollständig blockieren. Problematisch ist auch, dass die Haut mit zunehmendem Alter dünner wird und dadurch ihre Fähigkeit verliert, aus 7-Dehydrocholesterol mithilfe der aufgenommenen UV-B-Strahlen Vitamin D zu bilden.

Für Kinder und die meisten Erwachsenen gilt: Einmal täglich für ca. eine halbe Stunde ohne Sonnenschutz in der Sonne genügt, um gut mit Vitamin D versorgt zu sein – und auch für den europäischen Winter vorzusorgen. Denn in unseren Breiten kann Vitamin D nur von April bis September mit der Fotolyse mithilfe der Sonne gebildet werden. In diesem Sinne: Genießen Sie den Sommer!

Ihre UniDAZ-Redaktion

Vitamin D, das Sonnenvitamin, besitzt zahlreiche Funktionen im menschlichen Körper.

Es ist nicht nur an der Immunabwehr und der Ossifikation beteiligt, sondern beeinflusst auch wesentlich die Psyche des Menschen. Zudem liefern verschiedene Studien Hinweise darauf, dass ein Mangel an Cholecalciferol mit vielen Autoimmun-, Infektions-, Stoffwechsel- und neurodegenerativen Krankheiten assoziiert ist. Derartige Zusammenhänge wurden unter anderem für Diabetes mellitus Typ 2, Tuberkulose, Schilddrüsenerkrankungen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und Demenz gezeigt.

Vitamin-D-Synthese im Körper

Ca. 90% – und damit den Hauptanteil – seines Bedarfs an Vitamin D3 kann der Körper selbst mithilfe der Sonne decken. In der Leber wird aus Cholesterol 7-Dehydrocholesterol gebildet, das anschließend in den Keratinozyten der Haut mithilfe der aufgenommenen UV-B-Strahlen in Cholecalciferol-Vitamin-D3 umgewandelt wird. Durch die Einführung einer Hydroxygruppe wird in der Leber das 25-Hydroxy-Cholecalciferol (Calcifediol), die Speicherform des Vitamin D3, gebildet. Die Aktivierung zum wirksamen Calcitriol findet durch Einführung einer weiteren Hydroxygruppe in der Niere statt. Reguliert wird der Stoffwechsel über den Parathormon- und Phosphatblutspiegel. Die körpereigene Synthese hat den Vorteil, dass der Mensch bezüglich seiner Vitamin-D3-Versorgung weitgehend vom Nahrungsangebot unabhängig ist: Die Ernährung nimmt bei der Deckung des Vitamin-D3-Bedarfs einen geringen Anteil von nur ca. 10% ein. Hierbei sind fetter Seefisch wie Hering und Lachs, Eier und Leber sowie Avocado als Lieferanten von Cholecalciferol hervorzuheben.

Projektrahmen und Durchführung

Da zur Synthese von Calcitriol eine ausreichende Sonnenbestrahlung der Haut notwendig ist, besteht besonders nach dunklen Wintermonaten und in sonnenärmeren Gebieten eine erhöhte Gefahr eines Vitamin-D3-Mangels.

Vor diesem Hintergrund ließ Prof. Dr. Petra Högger im Rahmen eines Wahlpflichtpraktikums im Fach Klinische Pharmazie an der Universität Würzburg eine kleine Querschnittsstudie mit 119 Probanden durchführen. Zehn Studenten aus dem siebten Fachsemester Pharmazie untersuchten die Vitamin-D3-Spiegel einer ausgewählten Risikogruppe und bewerteten diese anschließend im Hinblick auf die Versorgungssituation und den Wissensstand der Bevölkerung.

Als Zielgruppe wurden Personen über 50 Jahre ausgewählt, da diese aufgrund nachlassender Organfunktion und eher geringer Sonnenexposition für eine Mangelversorgung prädestiniert schienen. Durchgeführt wurden die Probenahme sowie die Patientenbefragung und -aufklärung in Apotheken, da dort die räumlichen Voraussetzungen für eine diskrete und hygienische Messung sowie eine geeignete Probandenauswahl möglich waren. Außerdem war eine persönliche Vor- und Nachbetreuung vor Ort durch das Fachpersonal in den Apotheken gegeben.

Zunächst wurden die Probanden über die Studienhintergründe und Maßnahmen zum Datenschutz aufgeklärt. Mit ihrer Unterschrift erklärten sie sich mit dem Vorgehen und der Abgabe von Kapillarblutproben sowie Speicherung der persönlichen Daten einverstanden. An persönlichen Daten wurden Angaben zu Geschlecht, Alter, Gewicht, Rauchverhalten, Fischkonsum, Sonnenexposition, Einnahme von Medikamenten und Vitamin-D-Präparaten, chronische Erkrankungen sowie Verletzungen am Knochenapparat erhoben.

Des Weiteren wurden die Probanden gebeten, acht Fragen über Vitamin D3 in Form eines kleinen Quiz in Bezug auf Vorkommen, Resorptionsverbesserung, körpereigene Synthese und Funktion, zu beantworten, in dessen Anschluss sie über Irrtümer aufgeklärt wurden.

Da die Probenentnahmen in vier verschiedenen Apotheken und über einen längeren Zeitraum stattfanden, wurde eine Trockenblutmethode verwendet. Diese Methode hat den Vorteil, dass die Blutproben bei Raumtemperatur und unter Lichtausschluss etwa ein halbes Jahr haltbar sind. Mithilfe eines Blutentnahmesets wurden den Probanden 50 μl Kapillarblut aus der Fingerbeere entnommen und anschließend auf ein Filterpapier aufgebracht. Nach einer kurzen Trocknungszeit wurden die Blutproben in einem pseudonymisierten Umschlag bis zur Analytik verwahrt. Hierdurch konnten Verwechslungen der Proben und ein Bekanntwerden von Patientendaten verhindert werden, ohne die spätere Zuordnung der Messwerte zu den Probanden zu gefährden.

Die Analytik erfolgte über zwei Tage im Labor der Universität Würzburg. Nach der vorschriftsmäßigen Aufbereitung der Trockenblutproben wurde im Anschluss der Gehalt an Calcifediol mittels einer ELISA-Messung quantifiziert. Eine zuverlässige Information über die Vitamin-D3-Reserven im Körper erhält man nur durch die Bestimmung des Calcifediols, der Speicherform, da das aktive Calcitriol nur in geringer Konzentration im Blut vorliegt und schwer zu bestimmen ist.

Mangel weit verbreitet

Die gewonnen Daten wurden im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage analysiert. Je nach Gehalt wurden die Probanden in die drei Gruppen suffizient (>30 ng/ml), insuffizent (12 bis 30 ng/ml) oder defizient (<12 ng/ml) eingeteilt. Das Ergebnis der Messungen war eindeutig. 83% der Probanden zeigten eine Unterversorgung von Vitamin D3 (Abb. 1).

Abb. 1: Eine Mangelversorgung ist nach den Wintermonaten weit verbreitet. Unter Suffizienz, dh. einer ausreichenden Versorgung, versteht man Plasmaspiegel über 30 ng/ml, während man bei Plasmaspiegel unter 12 ng/ml von Defizienz, einem schweren Mangel, spricht. Eine ungenügende Versorgung liegt bei einer Insuffizienz mit Plasmaspiegeln zwischen 12 ng/ml und 30 ng/ml vor.

Dieses Ergebnis steht jedoch im Widerspruch zum durchschnittlich guten Wissensstand der Bevölkerung, der anhand des Fragebogens über Vitamin D3 evaluiert wurde.

Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass sich die Teilnehmer im Hinblick auf die Messung bereits vorher informiert hatten. Insgesamt war bei der Auswertung der Fragebögen sehr gut erkennbar, wer sich bereits im Vorfeld mit dem Thema beschäftigt hatte und wer ohne Vorabinformation am Projekt teilgenommen hatte. Wissensdefizite zeigten sich vor allem bei den spezielleren Fragen zu Vitamin D. Nur 16% der Probanden wussten, dass die Niere eine wichtige Rolle bei der Vitamin-D-Synthese spielt. Weiterhin waren sich nur 30% der Probanden sicher, dass es sich bei Cholecalciferol und nicht bei Taurin, Omega-3-Fettsäuren oder Biotin um Vitamin D handelt. In einer Subgruppenanalyse fiel auf, dass ältere, vor allem männliche Patienten über 70 Jahre im Vergleich zu den etwas jüngeren Probanden schlechter informiert waren.

Was Patienten über Vitamin D3 wissen

  • 76% der Probanden wussten, dass Vitamin D3 für die Steuerung der Knochengesundheit verantwortlich ist.
  • 75% waren sich sicher, dass die Haut bei der Vitamin-D3-Synthese eine Rolle spielt.
  • 70% der Probanden zählten Fisch zu den Vitamin-D3-reichen Lebensmitteln.
  • 58% wussten, das Milch die Aufnahme von Vitamin D3 verbessert.

Da gerade bei älteren Patienten eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung wichtig ist, sollte grundsätzlich eine breite und verständliche Aufklärung über Funktion, Bildung und Vorkommen von Vitamin D angeboten werden. Hierbei sollten neben einer Sensibilisierung der Ärzte für diese Thematik auch die Krankenkassen ermutigt werden, Informationen für ihre Versicherten herauszugeben und entsprechende Veranstaltungen anzubieten. Langfristig wäre es wünschenswert, die Messung des Vitamin-D-Spiegels, die dem Patienten momentan für etwa 40 Euro als IGEL angeboten wird, in den Katalog der zuzahlungsfreien Kassenleistungen aufzunehmen, um somit einer Mangelversorgung und deren Folgen vorzubeugen.

Besteht bereits eine Unterversorgung, so stehen dem Betroffenen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, um diesen Mangel zu beheben. Anhand der gewonnenen Daten aus einer Subgruppenanalyse der Patienten, die bereits Vitamin-D-Präparate einnahmen, zeigte sich eine deutlich niedrigere Unterversorgung als bei Probanden ohne Supplementierung. Eine Supplementierung erscheint vor allem in den Wintermonaten eine wirksame und empfehlenswerte Option, um den Vitamin-D-Gehalt zu verbessern und eine Unterversorgung zu beheben (Abb. 2).

Abb. 2: Eine Supplementierung erscheint vor allem in den Wintermonaten eine wirksame und empfehlenswerte Option, um den Vitamin-D-Gehalt zu verbessern und eine Unterversorgung zu beheben.

Bei einer leichten Insuffizienz genügen meist Präparate mit feinem Cholecalciferolgehalt von 880 IE und regelmäßige Sonnenbäder. Zur Prophylaxe einer Osteoporose ist eine tägliche, ungeschützte Sonnenexposition von Armen und Gesicht für mindestens 30 Minuten zur Vitamin-D3-Bildung empfohlen. Zusätzlich kann man durch eine Ernährung mit Vitamin-D-reichen Lebensmitteln unterstützend zu einer ausreichenden Versorgung beitragen, wie die Studienergebnissen zum häufigen Fischkonsum zeigen (Abb. 3).

Abb. 3: Probanden mit einem häufigen Fischkonsum zeigen ein geringeres Risiko für eine starke Unterversorgung mit Vitamin D.

Neben fettreichen Fischsorten wie Hering und Lachs enthalten auch Avocado, Eier und Milch Vitamin D. 

Quelle

[1] Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Österreichische Gesellschaft für Ernährung, Schweizerische Gesellschaft für Ernährungsforschung, Schweizerische Vereinigung für Ernährung. Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, Vitamin D. Neuer Umschau Buchverlag, Neustadt a. d. Weinstraße, 1. Auflage, 4. Korrigierter Nachdruck, 2012.

[2] Dachverband Osteologie e.V.. Langfassung der DVO-Leitlinie 2009 zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose im Erwachsenenalter, 2009.

[3] Immundiagnostik AG. Arbeitsanleitung, 25(OH)-Vitamin D direct ELISA Kit zur in-vitro Bestimmung von 25(OH)-Vitamin D in humanen Serum.

[4] Reinholz M, Schauber J. Vitamin D und die angeborene Immunabwehr der Haut. Deutsche Med. Wochenschreiben 2012; 137: 2385–2389.

[5] Özkan B, Hatun S, Bereket A. Vitamin D intoxication. The Turkish Journal of Pediatrics 2012; 54: 93–98.

[6] Schwalfenberg G. Solar Radiation and Vitamin D: Mitigating Environmental Factors in Autoimmune Disease. Journal of Environmental and Public Health 2012; 2012: 619381.

 

Autoren

Jennifer Eisenrieder, Julia Gaspar, Jens Gerstenlauer, Theresa Hennermann, Marion Keidel, Elena Rodler, Jessica Schmitt, Tobias Schneider, Laura Vey und Michaela Wolf

 

Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie
Julius-Maximilians-Universität
Am Hubland
97074 Würzburg
E-Mail: theresa.hennermann@gmx.de

 

Danksagung

Um diese Studie unabhängig durchführen zu können, wurden auf Bestreben von Prof. Dr. Petra Högger universitäre Fördergelder bereitgestellt. Hierfür und für die freundliche und engagierte Unterstützung durch die universitären Mitarbeiter möchten wir uns herzlich bedanken. Außerdem danken wir der Firma Immundiagnostik, die die Studenten bei der Laboranalytik unterstützt hat, sowie der Hubertus-Apotheke in Marktheidenfeld unter Leitung von Herrn Dr. Martin, der Apotheke an der Jahnhöhe und der St. Georgs-Apotheke in Würzburg unter Leitung von Frau Köhl, sowie der Karmelitenapotheke in Würzburg unter der Leitung von Frau Dr. Speerschneider, die ihre Räumlichkeiten bereitgestellt und durch das aktive Ansprechen ihrer Kunden zur erfolgreichen Studiendurchführung beigetragen haben.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.