Arzneimittel und Therapie

Sinnvolle Kombination bei Erkältungssymptomen?

Studie zu Acetylsalicylsäure plus Pseudoephedrin

du| Über den Nutzen von Kombinationsarzneimitteln wird immer wieder gestritten. Besonders im Visier der Kritik sind solche, die gegen Erkältungssymptome im Rahmen der Selbstmedikation eingesetzt werden. Wie ein neu zuzulassendes Kombinationsarzneimittel seinen Nutzen belegen soll, das regelt eine EMA-Richtlinie aus dem Jahr 2009. Zum zehnjährigen Jubiläum des Kombinationsarzneimittels Aspirin Complex hat die Firma Bayer eine Studie vorgestellt, die der EMA-Richtlinie entspricht und die Überlegenheit der Kombination von Acetylsalicylsäure (ASS) und Pseudoephedrin (PSE) gegenüber den Monosubstanzen bei Erkältungssymptomen zeigt.

Die europäische Guideline on Clinical Development of Fixed Combination Medicinal Products regelt die Zusatzvoraussetzungen für Kombinationsarzneimittel. Nach dieser Richtlinie ist eine Kombination beispielsweise dann sinnvoll, wenn mit niedrigeren Dosierungen in der Kombination eine ähnlich gute Wirksamkeit erzielt wird wie mit den höher dosierten Monosubstanzen bei einem besseren Sicherheitsprofil oder wenn bei einem vertretbaren Sicherheitsprofil eine Überlegenheit der Wirksamkeit gegenüber einer der Monosubstanzen durch die Kombination erzielt. Das kann mithilfe placebokontrollierter randomisierter klinischer Studien gezeigt werden, die die jeweiligen Monosubstanzen im Vergleich zu der Kombination untersuchen. Dieser Weg wurde für Aspirin Complex beschritten.

Professor Ronald Eccles, Direktor des Common Cold Centre Cardiff, Cardiff University UK, hat zusammen mit der Firma Bayer eine vierarmige Studie durchgeführt, die in Anlehnung an den vierarmigen indischen Gott Vishnu auch als Vishnu-Studie bezeichnet wird. Untersucht wurde, wie sich die Behandlung mit den jeweiligen Monosubstanzen im Vergleich zu Placebo und der Kombination der beiden Substanzen auf erkältungsbedingte Symptome wie Nasenschleimhautschwellung und Schmerzen (Hals- und Kopfschmerzen) auswirkt. An der Studie nahmen 833 Patienten teil. 235 wurden mit 1000 mg ASS plus 60 mg PSE, 240 Patienten mit 1000 mg ASS, 237 Patienten mit 60 mg PSE und 121 Patienten mit Placebo behandelt. Alle Patienten erhielten ihre Medikation in Form eines Granulats, das in Wasser aufgelöst werden musste. Es unterschied sich nach Angaben der Studienautoren weder optisch noch geschmacklich von der Vergleichsmedikation. Die Schmerzintensität wurde mittels einer Fünf-Punkte-Schmerzskala erfasst, die Nasenschleimhautschwellung mithilfe der Rhinomanometrie, bei der der nasale Strömungwiderstand gemessen wird. Die Behandlungsdauer betrug drei Tage. Das jeweilige Präparat konnte bis zu dreimal täglich mit einem Mindestabstand von vier Stunden eingenommen werden. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen den Verlauf der Symptomatik innerhalb der ersten vier Stunden. Sie zeigen, dass

  • die rhinomanometrisch bestimmte Nasenluftpassage nach Gabe von ASS und PSE sowie von PSE im Vergleich zu Placebo und ASS als Folge der Abnahme der Nasenschleimhautschwellung signifikant zunimmt;
  • die Schmerzen durch die Kombination von ASS und PSE im Vergleich zu Placebo und PSE signifikant reduziert werden.
Abb. 1: Nasenluftpassage (cm3/s) unter Acetylsalicylsäure (ASS) plus Pseudoephedrin (PSE) im Vergleich zu Placebo, ASS und PSE.
Abb. 2: Schmerzlinderung unter Acetylsalicylsäure (ASS) plus Pseudoephedrin (PSE) im Vergleich zu Placebo, ASS und PSE (durchschnittlicher Score).

Nach drei Tagen waren die Unterschiede zwischen der Kombination und ASS im Hinblick auf die Schleimhautabschwellung weiterhin statistisch signifikant, nicht jedoch die zwischen der Kombination und Pseudoephedrin in Bezug auf die Schmerzlinderung. Als Ursache dafür könnte nach Ansicht der Autoren eine schnellere Erholung einiger Patienten verantwortlich sein, die gegen Ende der Studie zu einer gesteigerten Variabilität der Daten geführt haben könnte. Unerwartete Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Am häufigsten traten gastrointestinale Nebenwirkungen auf (ASS+PSE 4,7%, ASS 3,8%, PSE 2,1%, Placebo 1,7%). 

Ibuprofen plus Pseudoephedrin – EMA-Richtlinie erfüllt?

Neben Acetylsalicylsäure plus Pseudoephedrin steht mit Ibuprofen ein weiteres NSAID in Kombination mit Pseudoephedrin (BoxaGrippal®) für die Selbstmedikation zur Verfügung. Wir haben die Firma Boehringer Ingelheim gefragt, auf welcher Basis das Präparat zugelassen wurde und ob es die Anforderungen der EMA-Richtlinie für Kombinationsarzneimittel erfüllt. Hier die Antwort:

BoxaGrippal® wurde durch ein Dezentrales Zulassungsverfahren („Decentralised Procedure“) mit dem Vereinigten Königreich als verfahrensführendes Land („Reference Member State“) zugelassen [12]. Die Zulassung wurde unter Bezugnahme auf das Referenzprodukt Rhinadvil 200 mg/30 mg durch Nachweis der Bioäquivalenz erteilt.

Die Wirksamkeit und Sicherheit des Kombinationsarzneimittels kann anhand klinischer Studien der Kombination [8; 14; 18], aber auch - wegen fehlender pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Wechselwirkungen der Kombinationspartner - anhand der klinischen Studien der Einzelsubstanzen beurteilt werden [u.a. 3-4; 8-10; 14-16; 18; 1; 17; 19-20].

Die Anforderungen bezüglich der EMA- Richtlinie für Kombinationsarzneimittel [7] sind für das Kombinationsarzneimittel BoxaGrippal® erfüllt. Die Kombination erleichtert die Therapie der akuten Rhinosinusitis („a simplification of therapy“). Dabei orientiert sich die Zusammensetzung an den Empfehlungen der aktuellen europäischen Leitlinie [6] zur Behandlung der akuten Rhinosinusitis. Bei einer akuten Nebenhöhlenentzündung treten Kopfschmerzen und verstopfte Nase meist zusammen auf. Die Medikation z.B mit Pseudoephedrin-HCl und Ibuprofen wird in den ersten fünf Tagen empfohlen.

Klinische Studien, in denen die Kombination gegen die Einzelwirkstoffe und Placebo getestet werden, sind laut EMA- Richtlinie für Kombinationsarzneimittel nicht erforderlich. Hierzu heißt es: „6.3 Efficacy and safety a) When the fixed combination corresponds closely to combinations that are already in widespread use, a well founded bibliographical data analysis could be submitted. Provided that the respective data from the simultaneous use are thoroughly and reliably documented, this analysis may be help-ful in reducing the amount of clinical trials to be performed and could facilitate the selection of doses for each substance and the proposed dose range of the fixed combination.”

Mit Aspirin® Complex ist bereits seit 2002 ein vergleichbares Kombinationsarzneimittel auf dem Markt, das in mehreren Studien [5; 11; 13] die Wirksamkeit, Sicherheit und Sinnhaftigkeit des Behandlungsregimes eines NSAIDs kombiniert mit Pseudoephedrin nachweisen konnte. Das deckt sich auch mit der Bewertung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht, die den Wechsel der Verkaufsabgrenzung von „Verschreibungspflichtig“ zu „Apothekenpflichtig“ im Jahr 2013 ermöglichte [2].

Dr. Tobias Mück, Head of Medical Affairs CHC Germany Boehringer Ingelheim

 

Quelle

[1] Abramson SB, Weissmann G. The mechanisms of action of nonsteroidal antiinflammatory drugs. Arthritis Rheum 1989; 32 (1):1-9.

[2] www.bfarm.de/DE/Pharmakovigilanz/Verschreibungspflicht/Protokolle/69Sitzung/top6.html?nn=1011772

[3] Bye CE, Cooper J, Empey DW, Fowle AS, Hughes DT, Letley E et al. Effects of pseudoephedrine and triprolidine, alone and in combination, on symptoms of the common cold. Br Med J 1980 Jul 19; 281 (6234): 189-90.

[4] Eccles R, Jawad MS, Jawad SS, Angello JT, Druce HM. Efficacy and safety of single and multiple doses of pseudoephedrine in the treatment of nasal congestion associated with common cold. AM J Rhinol 2005 Jan-Feb; 19(1):25-31.

[5] Eccles R, Voelker M. Analgesic and decongestant efficacy of the combination of aspirin with pseudoephedrine in patients with symptoms of upper respiratory tract infection. Clinical Pharmacology in Drug Development 2013.

[6] EP3OS 2012. Fokkens WJ, Lund VJ, Mullol J, et al. European Position Paper on Rhinosinusitis and Nasal Polyps 2012. A summary for otorhinolaryngologists. Rhinology 2012; 50(1):1-12.

[7] European Medicines Agency. Committee for medicinal products for human use. Guideline on clinical development of fixed combination medicinal products. DocRefCPMP/EWP/240/95Rev1.LondonFebruary`10 2009.

[8] Greene JJ, Thoden WR, Schachtel B P. Efficacy of ibuprofen with pseudoephedrine in the treatment of nasal congestion. Journal of Clinical Pharmacology 1995; 35: 929.

[9] Jawad SSM, Eccles R. Effect of pseudoephedrine on nasal airflow in patients with nasal congestion associated with common cold. Rhinology. 1998; 26:73-76.

[10] Latte J, Taverner D. Clinical trial of 3 days of treatment with oral pseudoephedrine for the common cold in the southern hemisphere. Am J Rhinol 2007 Jul-Aug; 21 (4): 452-5.

[11] Loose I, Winkel M. Clinical, Double-blind, Placebo controlled Study Investigating the Combination of Acetylsalicylic Acid and Pseudoephedrine for the Symptomatic Treatment of Nasal Congestion Associated with Common Cold. Arzneimittelforschung 2004; 54(9): 513-521.

[12] Public Assessment Report, Decentralised Procedure, UK/H/4352/001/DC; PL 14598/0091

[13] Schachtel BP, Voelker M, Sanner KM, Gagney D, Bey M, Schachtel EJ, Becka, M. Demonstration of the Analgesic Efficacy and Dose‐Response of Acetylsalicylic Acid With Pseudoephedrine. J Clin Pharmacol 2010; 50(12): 1429-1437.

[14]. Sperber SJ, Sorrentino JV, Riker DK, Hayden FG. Evaluation of an alpha agonist alone and in combination with a nonsteroidal anittinflammatory agent in the treatment of experimental rhinovirus colds. Bull N Y Acad Med 1989 Jan; 65 (1): 145-60.

[15]. Taverner D, Danz C, Economos D. The effects of oral pseudoephedrine on nasal patency in the common cold: a double-blind single-dose placebo-controlled trial. Clin Otolaryngol Allied Sci 1999 Feb; 24 (1): 47-51.

[16] Taverner D, Latte J. Nasal decongestants for the common cold. Cochrane Database Syst Rev 2007 Jan 24; (1):CD001953.

[17] Tegeder I, Pfeilschifter J, Geisslinger G. Cyclooxygenase-independent actions of cyclooxygenase inhibitors. FASEB J 2001; 15:2057-72.

[18] Thoden WR, Greene JJ, Schachtel BP. Efficacy of ibuprofen with pseudoephedrin ein upper respiratory tract infection: a double-blind, multiple-dose, actuall-use trial. Clinical Pharmacology an Therapeutics 1996 Feb 1; 59: 132. Meeting Info: Annual Meeting of the American Academy of Allergy Asthma and Immunology (52nd: March 1996: New Orleans, USA).

[19] Vane JR. Inhibition of prostaglandin synthesis as a mechanism of action for aspirin-like drugs. Nature New Biol 1971; 231 (25):232-5.

[20] Vane J. Towards a better aspirin. Nature 1994 Jan 20; 367 (6460): 215-6.

Quelle

Eccles R, Voelker M: Analgesic and Decongestant Efficacy of the Combination of Aspirin with Symptoms of Upper Respiratory Tract Infection. Clinical Pharmacology in Drug Development: 4.0 Online-Vorabpublikation, 20. August 2013 DOI: 10.1002/cpdd.39)

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