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Deutscher Apothekertag 2013
Fachliche Kompetenz an erster Stelle
Obwohl die Entscheidung, Levonorgestrel zur Notfallkontrazeption aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, an anderer Stelle schon längst gefallen ist – ohne dass sich die Apotheker dazu bisher offiziell geäußert haben - wurde darüber ausführlich diskutiert: Die Befürworter sehen in der Freigabe der „Pille danach“ eine Chance, sich in der pharmazeutischen Kernkompetenz zu etablieren und jungen Frauen in einer Notsituation mit einem raschen und niederschwelligen Zugang zu dem Notfallkontrazeptivum zu helfen. Zwar sei der Wirkstoff sicher, gut verträglich und es liegen viele Erfahrungen damit vor, trotzdem wird es als beratungsbedürftiges Arzneimittel eingeschätzt. Bei der rezeptfreien Abgabe in öffentlichen Apotheken sollten spezielle Dokumentationsbögen sowie Entscheidungskriterien und Beratungsinhalte verwendet werden. Daher wurden andererseits auch Bedenken geäußert, es könnte eine Apothekenpflicht erster und zweiter Klasse entstehen, wenn bei speziellen Präparaten wie der „Pille danach“ eine besondere Beratung verlangt würde.
Kein Rx-Arzneimittel ohne Rezept
Ein gemeinsamer Antrag der Apothekerkammern Berlin und Westfalen-Lippe verfolgte das Ziel, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen, die den Apotheken eine umfängliche, zeitnahe Arzneimittelversorgung ermöglicht, wenn Patienten auf Arzneimittel angewiesen sind, ein Rezept durch den behandelnden Arzt jedoch wegen Nichterreichbarkeit eines Arztes nicht vorgelegt werden kann. Dabei, so wurde in der kontrovers geführten Diskussion betont, gehe es nicht um die gewerbsmäßige Abgabe von Arzneimitteln oder um die Versorgung der Drogenszene mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln – das sollte weiterhin strafbar sein. Aber es sollte straffrei sein, eine sinnvolle heilberufliche Versorgung im Einzelfall zu ermöglichen. Zwar wurde die Grundidee des Antrags als „so schlecht nicht“ angesehen, die Thematik müsse aber vorsichtig behandelt werden. „Brandgefährlich“ sei es, an der Verschreibungspflicht zu rütteln, es sei zu befürchten, dass die Ärzte dann wieder über das ärztliche Dispensierrecht diskutieren. Zudem konnte in Gesprächen „kein Boden bereitet werden“, die seit dem Apothekertag 2012 geführt wurden, um abzuklären, auf welche Reaktionen man bei der Ärzteschaft stoße. „Es gibt bei der Ärzteschaft derzeit keinerlei Bereitschaft, über solch ein Vorhaben gemeinsam zu diskutieren“, so Friedemann Schmidt. In der sich anschließenden Diskussion wurde der Leitantrag abgelehnt, die Themen in den Ausschuss verwiesen. Auch der Antrag über eine mögliche erleichterte Arzneimittelsubstitution im Nacht– und Notdienst wurde in einen Ausschuss verwiesen.
Evidenzbasierte Pharmazie
Ein Antrag der Apothekerkammer Berlin brachte die Forderung nach einem Leitfaden in der evidenzbasierten Selbstmedikation ein, der sich an den Krankheitsbildern orientieren sollte. Ziel solle es sein, in einer Datenbank aktuelle Daten zur Evidenz bei den einzelnen Wirkstoffen einfach zugänglich verfügbar zu machen. Einige Delegierten sahen darin nur die nächste „Liste“, die vorschreibt, wie beraten und was abgegeben werden soll. Die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Wirkstoffe gelten bei in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln als bewiesen, ein genauer Handlungsleitfaden in der Selbstmedikation sei überflüssig und könnte auch ein Tor für Testkäufer öffnen, die die Apothekerschaft nur zu gern vorführen. Erst in der Diskussion wurde deutlich, dass keine Datenbanken geschaffen werden sollen, um den Apotheker zu entmündigen, sondern mehr Datentransparenz das Ziel ist, um auch in der Selbstmedikation Entscheidungen auf eine rationale Basis zu stellen. Viele Arzneimittel werden beworben und Patienten kommen mit Vorstellungen in die Apotheke, die nicht realistisch sind. Im Handverkauf, im Moment des Beratungsgesprächs, sei es unmöglich, alle verfügbaren Studien zusammenzutragen. Es gehe nicht darum, den Kollegen vorzuschreiben, in welche Richtung sie beraten sollen, sondern es geht um das Verfügbarmachen der Informationen und Studien, die diffus in den Medien und im Internet kursieren. Es wäre durchaus wünschenswert, sie an einer Stelle zu sammeln und – herstellerunabhängig – von kompetenten Fachleuten auswerten zu lassen. Für ganze Segmente der Selbstmedikation – und auch Segmenten der verschreibungspflichtigen Präparate – ist die Evidenz nicht belegt. Das bedeute aber nicht, dass diese Präparate nicht sicher oder nicht wirksam sind und in der Apotheke nicht mehr empfohlen und eingesetzt werden können. Jeden Tag trifft der Heilberufler gemeinsam mit dem Patienten eine Entscheidung über das Arzneimittel. Und wenn diese Entscheidung auf der Basis von Evidenz getroffen werden kann, dann sollte man das tun. Es sei einfach zeitgemäß, wenn computergestützte Information über Evidenz zur Verfügung gestellt werden kann, „ob man sie dann nutzt, ist wieder eine ganz andere Frage“, so ABDA-Präsident Schmidt. Der Antrag wurde in den Ausschuss verwiesen.
Die Zukunft liegt in der Arzneimitteltherapiesicherheit
Ein großer Teil der Antragsberatung drehte sich um die Arzneimitteltherapiesicherheit. Deutlich stellten sich die Delegierten hinter das Ziel, die pharmazeutische Kompetenz der Apotheker noch intensiver einzubringen, um den Patienten den richtigen Umgang mit der Medikation zu erklären. Nur so können die Folgekosten durch Nicht-Einnahme, Fehlmedikation und die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Einnahme mehrerer Medikamente reduziert werden. Die gesetzlichen und privaten Krankenkassen sollten die pharmazeutische Kompetenz der Apotheker einbeziehen und angemessen honorieren. Die Delegierten der Hauptversammlung wollen sich darüber hinaus dafür einsetzen, dass die Arzneimitteltherapiesicherheit noch intensiver gemeinsam mit den Ärzten im stationären und ambulanten Bereich industrieunabhängig gestaltet und gefördert wird. So soll die Zahl der Krankenhausapotheker auf den europäischen Durchschnitt von 1 Apotheker pro 100 Krankenhausbetten angehoben werden. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen und die personelle Basis zu schaffen, wurde ein Antrag des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden über die Apothekerkammer Westfalen-Lippe eingebracht, ein bundesweit einheitliches Curriculum für die Ausbildung in Arzneimitteltherapiesicherheit im Praktischen Jahr zu entwickeln. Dieser Antrag wurde angenommen und zugleich gefordert, in den Kammerbezirken entsprechende Ausbildungskonzepte umzusetzen. Der Vorschlag, eine bundesweite Akkreditierung für qualifizierte Ausbildungsapotheken einzuführen, fand keine Zustimmung.
Apotheker in das Gendiagnostikgesetz einbeziehen
Im zurzeit gültigen Gendiagnostikgesetz werden genetische Tests unter einen „Arztvorbehalt“ gestellt, so dass nur ein Arzt gendiagnostische Untersuchungen durchführen oder in Auftrag zu geben kann. In Bezug auf krankheitsbezogene Aspekte sei der Arztvorbehalt auch richtig, betonte Kammerpräsident Lutz Engelen, die Ärzte hätten die Ausbildung dafür. Aber in Bezug auf arzneimittelbezogene Themen können und sollten auch Apotheker mitreden. Apotheker seien als Arzneimittelexperten durch ihre Ausbildung dazu qualifiziert, arzneimittelrelevante Gentests zu veranlassen und die Ergebnisse mit dem Arzt und dem Patienten zu diskutieren. Durch eine individuelle Pharmakotherapie, die neben der üblichen Diagnostik und Therapie die individuellen molekularbiologischen Gegebenheiten berücksichtigt, kann die Arzneimitteltherapie und damit Patientenversorgung optimiert werden. Dies sahen die Delegierten der Hauptversammlung ebenso und stimmten dem Antrag zu, den Gesetzgeber aufzufordern, die Apotheker in das Gendiagnostikgesetz einzubeziehen.
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