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DAZ aktuell
Veränderungen zum Wohle des Patienten gefordert
Stellungnahme des Deutschen Pharmazeutinnen Verbandes zur Arzneimittelversorgung multimorbider Patienten
Aus unserer Sicht können die Herausforderungen, die sich aus der demografischen Entwicklung in Deutschland ergeben, nur mithilfe einer optimalen Zusammenarbeit aller Beteiligten, u.a. Pflegeeinrichtungen, Ärzte und Apotheker, erfolgreich gelöst werden. Bereits jetzt nehmen Apothekerinnen und Apotheker eine wesentliche Rolle bei der Arzneimittelversorgung multimorbider Menschen in Deutschland ein, z.B. durch Arzneimittellieferungen nach Hause, durch regelmäßige Schulungen des Pflegepersonals in Pflegeheimen, durch patientenindividuelle Zusammenstellung von Arzneimitteln (Stellen oder Verblistern) für Pflegeheime und Krankenhäuser mit Medikationscheck. Medikationsschecks werden zudem für Patienten öffentlicher Apotheken angeboten, die sich für die Arzneimittelversorgung durch eine Apotheke entscheiden.
Wie die Erfahrungen aus anderen EU-Staaten und z.B. auch den USA zeigen, darf sich die Aufgabe von Apothekerinnen und Apothekern zukünftig nicht nur auf die Information und Beratung von Ärzten, Patienten und Pflegepersonal im unmittelbaren und mittelbaren Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln sowie auf die Kontrolle der sachgemäßen Lagerung von Arzneimitteln beschränken. Zum Schutz von multimorbiden Patienten vor Überdosierungen, Unterdosierungen, Doppelverordnungen und Interaktionen müssen die Apothekerin, der Apotheker die wichtige Aufgabe der Medikationsüberprüfung übernehmen.
Im Jahre 2004 wurde mit der Aufnahme des Faches Klinische Pharmazie in die Approbationsordnung ein Wandel in der Ausbildung der Pharmazeuten eingeleitet. Leider kommen die Ausbildungsinhalte dieses Faches in der Praxis nur sehr zögerlich zum Tragen.
Durch herkömmliche Strukturen, wie Stationsbelieferung anstelle einer patientenindividuellen Arzneimittelversorgung in Krankenhäusern und Pflegeheimen, aber auch durch neue Verträge der Krankenkassen mit den Hausärzten zur Arzneimittelanamnese und -kontrolle wird die apothekerliche Tätigkeit auf die Bereitstellung von Arzneimitteln unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (z.B. Belieferung entsprechend der gültigen Rabattverträge durch öffentliche Apotheken bzw. pharmako-ökonomische Beratung bei der Erarbeitung von Arzneimittellisten im Krankenhaus) reduziert. Eine Honorierung der Apothekerinnen und Apotheker für die Durchführung von detaillierten Medikationschecks durch die Krankenkassen, wie sie in anderen EU-Ländern und den USA längst üblich ist, erfolgt in Deutschland bisher nicht.
Der Deutsche Pharmazeutinnen Verband ist der Ansicht, dass der Berufsstand dringend eine Änderung der jetzigen Situation im Sinne einer Verbesserung der patientenindividuellen Arzneimitteltherapiesicherheit durch die Nutzung der Ressourcen von Apothekerinnen und Apothekern fordern muss.
Zum Erreichen dieses Ziels sind aus unserer Sicht strukturelle Änderungen in allen Bereichen und Berufsfeldern der Pharmazie erforderlich. Der Deutsche Pharmazeutinnen Verband stellt hierzu folgende Anmerkungen und Änderungsvorschläge zur Diskussion:
1. Studium der Pharmazie:
- Die praktische Ausbildung der Studierenden, insbesondere in den Fächern Pharmakologie und klinische Pharmazie, kann aus Sicht des dpv nur mittels intensiver Kooperationen mit den medizinischen Fakultäten erfolgreich gestaltet werden. Gemeinsame Seminare von Studierenden der Medizin und der Pharmazie sollten zum Pflichtkatalog gehören, um so die beiden Heilberufe von Beginn an zusammenzuführen.
- Die praktische Ausbildung der Studierenden auf das praktische Jahr zu konzentrieren, ist nicht ausreichend, da die überwiegende Zahl der ausbildenden Apotheker über wenig oder keine Erfahrung auf dem Gebiet der klinischen Pharmazie verfügt.
- Keinesfalls dürfen diese Maßnahmen zulasten der Vermittlung wissenschaftlicher Grundlagen gehen.
2. Forschung:
- Wir brauchen dringend mehr Machbarkeitsstudien zu Klinischer Pharmazie, dabei sollten insbesondere Kriterien zu Lebensqualität der Patienten standardisiert untersucht werden. „Klinische Pharmazie“ an allen pharmazeutischen Instituten als eigenständiges Fach erhöht die Kapazitäten für solche Studien.
3. Krankenhaus/Pflegeheime:
- Leider schreitet die patientenindividuelle Betreuung durch Apothekerinnen und Apotheker nur sehr langsam voran. Dabei zeigen die Erfahrungen in den angelsächsischen Ländern die positiven Effekte für die Lebensqualität der Patienten und Einsparungen im Gesundheitswesen. Wir sollten den Streit zwischen Krankenhausapotheken und öffentlichen Apotheken um die Patientenversorgung langsam begraben und stattdessen gemeinsam an Kriterien arbeiten, die eine individuelle Betreuung des Patienten durch Apothekerinnen und Apotheker zum Standard erhebt. Gemeinsame Visiten von Ärztinnen und Ärzten und Apothekerinnen und Apothekern sollten sowohl im Krankenhaus wie in den Pflegeheimen zum Standard werden.
4. Öffentliche Apotheke:
- Die Verantwortungsbereiche der einzelnen Berufsgruppen des pharmazeutischen Personals sind immer noch nicht deutlich voneinander abgegrenzt. Im Qualitätsmanagementsystem der Apotheke müssen klare Festlegungen getroffen werden, welche Aufgaben ausschließlich durch Apotheker wahrzunehmen sind.
- Es müssen mehr Fortbildungen zur Klinischen Pharmazie von den Kammern angeboten werden - keine Frontalvorträge sondern Erarbeitung von Lösungen an Fällen möglichst gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten.
- Gemeinsame Qualitätszirkel der beiden Heilberufe auf regionaler Ebene zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit sind wünschenswert.
5. Industrie:
- Für die Kolleginnen und Kollegen in der pharmazeutischen Industrie sehen wir die Notwendigkeit, sich mit ihrem pharmazeutischen Sachverstand bei den Entscheidungsträgern verstärkt für die Durchführung klinischer Prüfungen zur Dosisanpassung bei den verschiedenen Altersstufen unter Berücksichtigung des Geschlechts und der Multimorbidität einzusetzen.
6. Verbände, Krankenkassen und Behörden:
- Die Zusammenarbeit mit praktisch tätigen Apothekern sollte verbessert werden, um schneller auf neue Entwicklungen reagieren zu können.
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