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DAZ aktuell
Halbzeit im Koalitionspoker
Union und SPD kommen sich näher – Stoppschild für Apothekenbus – kein Rezept ohne Arztkontakt
Uneins sind Union und SPD über die Finanzierung der Pflegeversicherung. Erwartet wird ein Anstieg des Beitrags um bis zu 0,5 Prozentpunkte. Für die geburtenstarken Jahrgänge, bei denen um 2035 vermehrt Pflegebedarf eintrete, solle ein Vorsorgefonds eingerichtet werden, sagte CDU-Verhandlungsführer Jens Spahn am Dienstag in Berlin. SPD-Verhandlungsführer Karl Lauterbach entgegnete: „Ein kapitalgedeckter Pflegefonds macht überhaupt keinen Sinn.“ Zwangssparen sei nicht vermittelbar. Nötig sei eine Beitragssatzerhöhung um 0,5 Prozentpunkte. Beide Politiker waren sich zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser DAZ aber einig, dass in der Pflege bei den noch weiterlaufenden Verhandlungen Fortschritte gemacht werden sollten.
Stopp für Apothekenbus „relativ sicher“
Auch für die Apotheker wichtige Aspekte wurden bereits in der AG Gesundheit diskutiert: Der Apothekenbus als neues Instrument zur Arzneimittelversorgung auf dem Land wird es danach nicht in den Koalitionsvertrag schaffen. „Er ist nicht im Koalitionsvertrag drin“, sagte der brandenburgische CDU-Gesundheitspolitiker Michael Schierack, Mitglied der AG Gesundheit, bei der 31. Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Brandenburg. „Der Apothekenbus ist auch nicht auf meinem Mist gewachsen.“ Das Stoppschild für die „rollende Apotheke“ aus dem Wahlprogramm der Union sei „relativ sicher“, so Schierack: „Bayern will das auch nicht.“ Man habe das bereits in der AG Gesundheit besprochen.
Erhöhung der BtM-Gebühr?
In Aussicht stellte der CDU-Unterhändler dafür eine deutliche Erhöhung der BtM-Gebühr. Diese Forderung habe die Union an die SPD „adressiert“, so Schierack. Darüber bestehe allerdings noch kein Einvernehmen mit der SPD. Außerdem stünden alle Geldfragen bis zum Schluss unter Finanzierungsvorbehalt.
Verständigt haben sich Union und SPD laut Schierack auf eine Existenzgarantie für die inhabergeführte Apotheke als Grundlage für die wohnortnahe Arzneimittelversorgung in Deutschland. Am Mehr- und Fremdbesitzverbot werde die Große Koalition nicht rütteln.
Rabattverträge sollen „modifiziert“ werden
Neben der Einigung über die Fortführung des Preismoratoriums, der Senkung des Herstellerrabatts und des Verzichts auf Preisverhandlungen für den Bestandsmarkt diskutierten Union und SPD noch über die Zukunft der Rabattverträge. In Fällen von Lieferengpässen wie beim Grippeimpfstoff solle das Instrument „modifiziert“ werden. Einzelheiten dazu seien aber noch nicht vereinbart.
Bei den Preisverhandlungen für neue Arzneimittel werde künftig nicht nur der GKV-Spitzenverband, sondern auch eine Versorgerkasse mit am Tisch sitzen. Außerdem werde es eine gesetzliche Klarstellung geben, dass der vereinbarte Erstattungsbetrag Grundlage für Herstellerzu- und abschläge sei.
Substitutionsliste soll rasch umgesetzt werden
Überein stimmten Union und SPD darin, die Substitutionsliste rasch umzusetzen. Sonst werde der nächste Gesundheitsminister eine Ersatzvornahme anordnen. Schierack: „Da soll mehr Druck reinkommen.“ Die Mitglieder der Arbeitsgruppe Gesundheit wollen Patienten häufige Umstellungen bei Arzneitherapien ersparen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) soll daher eine Liste von Medikamenten erarbeiten, die im Rahmen von Rabattverträgen nicht ausgetauscht werden dürfen.
Nach Angeben von Schierack soll weiterhin die Ausstellung von Rezepten künftig nur mit vorherigem direktem Arzt-Patienten-Kontakt erlaubt sein. „Online-Konsultationen reichen dafür nicht aus, sondern bergen das Risiko von Fehldiagnosen und können so den Patientenschutz gefährden“, zitierte Schierack aus einer Beschlussvorlage der AG Gesundheit (siehe dazu Hinweis am Ende dieses Beitrags).
Ärzte kritisieren Vierwochengarantie
Bei den Ärzten stößt die Ankündigung von Union und SPD, allen gesetzlich Versicherten künftig Facharzttermine innerhalb von vier Wochen zu garantieren, auf heftige Kritik. Wenn die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung dies nicht ermöglicht, sollen Betroffene stattdessen in ein Krankenhaus gehen können. Bezahlt werden müsste dies dann aus dem Budget der Praxisärzte. Das kündigten die Verhandlungsführer von Union und SPD, Jens Spahn und Karl Lauterbach, an: „Das ist ein wesentlicher Schritt in Richtung Abbau der Zwei-Klassen-Medizin“, sagte Lauterbach. Und Spahn meinte: „Gesetzlich Versicherte zahlen bis zu 350 Euro Beitrag im Monat. Wir finden, dafür muss auch eine zeitnahe Terminvermittlung möglich sein.“ Wie ihre Forderung im Detail geregelt werden soll, ließen die Politiker allerdings offen. Heute wenden sich Patienten in der Regel direkt an Arztpraxen und nicht an die Kassenarzt-Vereinigungen, wenn sie Termine benötigen.
Eine pauschale Vierwochenfrist sei kritisch zu hinterfragen, merkte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einer Stellungnahme an. Wenn man die Fachärzte und die Kassenärztlichen Vereinigungen in die Pflicht nehme, dann müssten auch Lösungen gefunden werden, wie man die heute schon häufig überlasteten Praxen entlaste.
Der Vorsitzende des Ärztebunds MEDI GENO Deutschland, Dr. Werner Baumgärtner, sieht in den aktuellen Plänen der Arbeitsgruppe Gesundheit eine „neue absurde Kampagne gegen die niedergelassenen Fachärzte“. und der Hartmannbund bezeichnete den Vorschlag als „bloße Luftakrobatik“. „Es ist doch wirkungslose Politik für die Kulisse, hier zwei Akteure in den Wettbewerb zu schicken, die jeder für sich bereits jetzt im Kern unterfinanziert und – auch personell – am Rande ihrer Leistungsfähigkeit sind“, kommentierte der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, die Pläne.
Nach dem SPD-Parteitag vom 14. bis 16. November gehen die Koalitionsverhandlungen in die heiße Phase. Dann stehen die strittigen Fragen an: Die Reform der Pflegeversicherung und die Finanzstruktur von GKV und PKV. Nach Angaben Schieracks bekräftigt SPD-Verhandlungsführer Karl Lauterbach bei jeder Gelegenheit die Forderung nach Einführung der Bürgerversicherung. Bis Ende November sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein.
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