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Management
Paartanz: Von der Harmonie zum Zerwürfnis?
Für das Team sind beide „Chefs“ – achtgeben auf verschwimmende Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben
„Ganz automatisch“ klappt die harmonische Zusammenarbeit in den wenigsten Fällen. Häufig zerbricht entweder die private Partnerschaft oder die berufliche Gemeinschaft. Konfliktpotenzial gibt es reichlich: Zu viele oder zu große Unterschiede, die man sich vorher nicht klar macht; das Team kann sich mit der einen Führungsspitze gegen die andere verbünden oder Einzelne spielen je nach Gelegenheit einen Partner gegen den anderen aus, um davon zu profitieren. Das muss gar keine vorsätzliche und wild geplante Aktion sein, sondern ergibt sich eventuell unbewusst aus der Situation heraus. Ist Misstrauen oder eine Verstimmung entstanden, die nicht frühzeitig angesprochen und geklärt wird, kann eine Kleinigkeit zu einer Lawine anwachsen, vor allem, wenn sie immer wieder neue Nahrung erhält und die verärgerte Person anfängt, zu sammeln, „Rabattmarken zu kleben“ und irgendwann Porzellan zu werfen.
Wie kann gute Zusammenarbeit gelingen?
Eine Voraussetzung sind klare Vereinbarungen untereinander, die auch dem Team mitgeteilt werden. Wer übernimmt welchen Bereich, ist Ansprechpartner und hat welche Entscheidungsbefugnisse? Je detaillierter die Doppelspitze im Vorhinein ihre Zusammenarbeit regelt, desto weniger Zweifelsfälle gibt es später in der Apotheke – und desto weniger Raum für Streitigkeiten.
Klassisch sind zum Beispiel Trennungen zwischen betriebswirtschaftlicher und Personalführung. Sinnvollerweise bleibt man bei der einmal getroffenen Entscheidung und ändert sie allenfalls bei besonderen Anlässen wie einer Geburt oder anderen Gründen für einen längeren Ausfall.
Natürlich gibt es Überschneidungen: Einstellungsgespräche finden gemeinsam statt, auch die neue Kraft soll sich ein Bild vom Führungsduo machen können, bevor sie sich entscheidet. Das Paar zeigt nach außen in seinen Grundsätzen absolute Einigkeit, um glaubwürdig zu sein. Gleichzeitig darf das Umfeld die unterschiedlichen Persönlichkeiten und Fachkompetenzen spüren.
Gibt es eine Hierarchie oder sind beide Partner auf gleichem Niveau? Wie reagiert das Team auf eine nur theoretische Gleichheit? Die Belegschaft teilt sich, Mitarbeiter schlagen sich auf die Seite der vermeintlich dominanten Führungskraft, um ihre Stellung in der Gruppe zu festigen oder wenden sich an das schwächere Glied, um Forderungen durchzudrücken. Häufig das Ende vom Lied: Nach zwei Jahren wird die Doppelspitze zugunsten einer Einzelperson aufgegeben und ein kollektives Aufatmen geht durch die Apotheke.
Die Angestellten sollten fähig sein, sich auf verschiedene Persönlichkeiten einzustellen, von sich aus Unklarheiten anzusprechen und „parteilos“ zu agieren, also beide Führungspersonen vorbehaltlos zu akzeptieren.
Auf der anderen Seite ist es für die Leitung angezeigt, wichtige noch fehlende Kompetenzen zu erlernen. Zum Beispiel drücken sich introvertierte Menschen oft etwas vorsichtig aus und werden damit für andere unklar. Nach Nathalie Schnack brauchen die Leisen mehr Präsenz, damit sie überhaupt gesehen und gehört werden. Nur so nimmt das Team Wünsche und Marschrouten wahr.
Fragen für den Paardialog
Zu den im Artikel angesprochenen Themen fügen die Autoren Fravi/Plattner-Gerber einen Fragenkatalog hinzu, er gilt für Anfänger sowie für Altprofis:
Auf individueller Ebene:
- Welche Bedürfnisse habe ich bezüglich unserer gemeinsamen beruflichen und privaten Lebensführung?
- Welche Vorstellungen habe ich bei meiner persönlichen und beruflichen Weiterbildung?
- Wie stelle ich mir unsere Familie vor?
- Was brauche ich für ein ausgeglichenes Berufs- und Privatleben?
Auf der Paar-Ebene:
- Welche gemeinsamen Visionen und Wertvorstellungen haben wir?
- Wie möchten wir an der Pflege unserer Beziehung arbeiten?
- Wie können wir uns fachlich und persönlich gegenseitig unterstützen?
- Wie bewältigen wir unsere Probleme? Was können wir gut und wo brauchen wir Unterstützung?
Auf der Ebene des Unternehmens:
- Wie möchten wir als Führungsduo von außen wahrgenommen werden?
- Herrscht zwischen uns eine Hierarchie oder sind wir tatsächlich gleichgestellt?
- Bei welchen Themen sind wir unterschiedlicher Meinung und wie gehen wir damit um?
- Wie können wir die Entlohnung fair und gerecht gestalten?
- Was passiert, wenn einer von uns nicht mehr arbeiten kann? Welche organisatorischen Maßnahmen können wir präventiv treffen?
Zwischen den Partnern müssen viele Dinge immer wieder neu verhandelt werden, daher bedarf es eines klaren Kommunikationsstils. So kann man eine gemeinsame dritte Lösung finden, die von beiden Ursprungsmeinungen ausgeht. Offenheit, Flexibilität, das Wissen um den hohen Wert und die positive Kraft der komplementären Sichtweisen halten die Partnerschaft lebendig. Dazu kommt die Anerkennung jeder Art von geleisteter Arbeit, die Gleichwertigkeit von Säuglingsversorgung, Verhandlungen mit der Bank und im direkten Kundenkontakt. Gegenseitiger Respekt ist ein elementarer Baustein des Vertrauens, ohne den ein Führungstandem nicht überleben kann.
Gemeinsame Ziele können auf unterschiedliche Weise erreicht werden, auch hier ist ein Sich-Einlassen gefordert. Vielleicht ist ein Partner risikofreudig und meint: „Umbau jetzt“ und der andere spricht sich für ein Abwarten aus, da die Finanzen noch wackeln und man sich nicht sicher sein kann, dass der Zulauf der Kunden weiter so anhält wie bisher.
Ein weiterer Punkt ist das Gehalt. Auch hier siegt die klare Absprache gegenüber einem „Mal-sehen-was-übrig-bleibt.“ Letzteres führt häufig zu Diskussionen und Konflikten.
Die gemeinsame Arbeit im Unternehmen schließt dauerhafte Beziehungsarbeit ein. Durststrecken wollen durchgehalten werden, sie kommen in jedem Unternehmen vor und erfordern Ausdauer und Kompromissbereitschaft. Einige Paare begleiten sich mit regelmäßigen Reflexionsgesprächen mit oder ohne Coach oder Psychologen bevor etwas aus dem Ruder läuft. „Wie sind wir jetzt als Führungsduo unterwegs und was ist gerade schwierig?“ Der oder die Beraterin führt sowohl Einzel- als auch Paargespräche mit dem Tandem. Das hat sich in meiner Coachingpraxis als sehr wirksam erwiesen; manche Menschen können sich besser einer neutralen Person als dem eigenen Partner öffnen.
Die meist verschwimmenden Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben sind achtsam zu beobachten und zu bewahren. Welche Bedürfnisse hat mein Partner?
Wo finden wir Entlastung und können eventuell externe Profis dafür einschalten? Dabei kann es sich genauso um eine „Raumfee“, die vielleicht auch einkaufen geht und Organisatorisches erledigt, handeln wie um das Delegieren beruflicher Aufgaben an Mitarbeiterinnen. Zeit für das Paar-Dasein, für Muße und Freizeit sollte konsequent eingeplant sein, dazu kommt das Bedürfnis, ganz individuelle Leidenschaften auszuleben. Auch hier ist das Anerkennen von Unterschieden Chance und Ressource. Bedürfnisse können immer wieder wechseln, daher darf das Duo das Lebens- und Arbeitsmodell durchaus hinterfragen und sehen, ob es noch stimmt.
Humor und Gelassenheit sind Trumpf, das erfolgreiche Tandem ist fähig, über sich und seine Marotten zu lachen und schwierige Situationen entspannen sich durch einen amüsierten Blick darauf.
Ein gut eingestimmtes Führungsduo leistet mehr als Einzelne es je können:
- Die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität eines Unternehmens ist weit höher als bei einer einzelnen Führungsspitze.
- Die Summe der Kompetenzen ist größer, dadurch ist das gesamte Spektrum breiter.
- Beide Führungsspitzen konzentrieren sich jeweils auf ihre Stärken und setzen sie optimal ein.
Literatur
Lianne Fravi, Bettina Plattner-Gerber: Wenn Paare Unternehmen führen. Kösel 2013
Nathalie Schnack: Leise überzeugen – Mehr Präsenz für Introvertierte. Humboldt Verlag, 2014
Michael E. Harrer: Burn-out und Achtsamkeit. Klett – Cotta Verlag 2013
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