Gesundheitspolitik

Zwist um Neuverblisterung

Thüringer Ärzte und Apotheker positionieren sich

BERLIN (ks) | Die patientenindividuelle Zweit- oder Neuverblisterung scheidet die Geister: Die einen sehen in ihr einen Segen für die Arzneimitteltherapiesicherheit und die Wirtschaftlichkeit. Zudem sei sie ein unerlässliches Instrument für das Medikationsmanagement. Die Gegner der Neuverblisterung sehen dagegen gerade diese Ziele gefährdet. In Thüringen haben nun Apothekerverband und -kammer mit der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen und der Landesärztekammer ein kritisches gemeinsames Positionspapier zum Thema veröffentlicht. Der Widerspruch der Blisterunternehmen ließ nicht lange auf sich warten.

Thüringens Ärzte und Apotheker verweisen in ihrem bereits im Februar unterzeichneten Papier zunächst darauf, dass die Neuverblisterung die Therapiefreiheit des Arztes einschränke. So werde etwa eine sofortige oder kurzfristige Umstellung der Arzneimitteltherapie erschwert. Diese sei aber beispielswiese wegen hinzukommender akuter Erkrankungen oder aufgrund sonstiger Komplikationen zuweilen notwendig. Sollte es dann nötig sein, den gesamten Blister zu verwerfen und neu herzustellen, entspräche dies nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot – und könne zu Regressforderungen gegenüber dem Vertragsarzt führen. Die Thüringer Ärzte und Apotheker befürchten ferner eine schlechtere Arzneimittelversorgung für Patienten. Denn durch die Neuverblisterung entstehe die Tendenz, besser geeignete Darreichungsformen – etwa Säfte oder Zäpfchen für Patienten mit Schluckbeschwerden – zu ersetzen, weil sie nicht neuverblistert werden können. Genauso wenig sei zu erwarten, dass sich die Therapietreue durch die Neuverblisterung verbessert. Das Gegenteil sei zu befürchten: Denn die arzneimittelbezogene Kompetenz des Pflegepersonals nehme ab, wenn das manuelle Stellen wegfalle.

Medikationsmanagement: Kommunikation statt Blister

Auch für das Medikationsmanagement ist die Verblisterung aus Sicht der Thüringer Heilberufler nicht nötig. Entscheidend sei die regelmäßige Kommunikation zwischen Ärzten und Apothekern: In enger Absprache sei festzulegen, für welche Patienten eine individuelle Arzneimittelvorbereitung durch die Apotheke sinnvoll und möglich sein kann. Dabei seien therapeutische und pharmazeutische Aspekte sowie gegebenenfalls die Pflegebedürftigkeit des Patienten zu berücksichtigen. „Neue Technologien können dabei grundsätzlich hilfreich sein, müssten sich stets daran messen lassen, inwieweit sie im konkreten Fall die Arzneimittelversorgung tatsächlich verbessern“, heißt es im Positionspapier. „Eine undifferenzierte, massenhafte industrielle Neuverblisterung von Arzneimitteln kann hingegen keine zusätzlichen Vorteile generieren.“

Blisterindustrie erzürnt

Wenig erfreut reagierten auf dieses Papier der Bundesverband Patientenindividueller Arzneimittelverblisterer (BPAV) und die Kohl-Tochter 7x4 Pharma. Sie wiesen die Vorwürfe mit Nachdruck zurück. 7x4 geht das „Vorwurfspapier“ sogar Punkt für Punkt durch und hält Argumente dagegen. Sowohl das Merziger Unternehmen als auch der BPAV sind überzeugt: Die patientenindividuelle Arzneimittelverblisterung hat ihren Nutzen längst bewiesen. Das zeigten zahlreiche Studien und Untersuchungen der letzten Jahre – doch diese würden in Thüringen ignoriert. 

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