Management

Mobbing als Betriebskrankheit

Mit Prophylaxe und Therapie zu einem gesunden Team

Immer noch denkt manche Apothekerin*, das Team solle Querelen aller Art unter sich ausmachen und ist selbst für das Klima verantwortlich. Weit gefehlt! Die Dynamik in Gruppen läuft in gewissen Fällen selbsttätig ab und die Einflussnahme ist nur mit viel Überblick und aktivem Einhaltgebieten möglich.

Nicht nur weil nach neuen gesetzlichen Bestimmungen Arbeitgeber Verantwortung für die psychische Gesundheit ihrer Angestellten besitzen, sondern aus eigenem Interesse sollte die Chefin aktiv werden: Konflikte wachsen sich auf alle Arbeitsbereiche aus und verhindern das normale Engagement, der Kunde und die Arbeit als solche geraten zur Nebensache. Warten Sie nicht, bis das Mobbingopfer von sich aus kündigt, die Täterinnen sich selbst als Opfer darstellen und niemand im Team mehr arbeitsfähig ist. Vorsorgen und Eingreifen heißt die Devise! Jetzt ist es an der Zeit, die Macht zu nutzen, die Sie nominell besitzen, nehmen Sie lieber das Steuer in die Hand anstatt sich als Beifahrerin wild durch die Kurven schleudern zu lassen.

Seelisches Verbrechen auf Raten

Mobbing entsteht aus simpler Antipathie, aus dem Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein oder aus Frust anderer Art, dessen Ursache nicht einmal unbedingt das werdende Opfer sein muss. Falls der Grund doch bei ihr liegt, sind es eventuell Dinge, die gar nicht in ihrer Hand liegen. Vielleicht sieht sie anders aus, ist neu, hat oder kann irgendetwas, was Neid erweckt. Oft genug ist auch eine Kollegin die Zielscheibe, die sich nicht wehren kann. An ihr wird alles ausgelassen.

Der Aphoristiker Franz Schmiedberger erklärt: „Mobbing ist ein seelisches Verbrechen auf Raten.“

Augen auf!

Damit die Apotheke nicht zum Schauplatz des Verbrechens wird, sollte die Leitung immer ein Auge auf das Betriebsklima und den Umgang der Mitarbeiterinnen haben: Wer führt immer das Wort, teilt unbefugt Aufgaben zu, gibt verletzende Kommentare ab oder grenzt andere aus? Wenn das nicht nur selten vorkommt, sondern zur Regel wird, stellt sich die Frage: Wo hört das dauerhafte Zicken und Mäkeln auf und gerät zum Mobbing? Wie reagiert die Zielkollegin? Wehrt sie sich kräftig, kleinlaut oder sagt sie schon gar nichts mehr? Kann sie noch ihre Arbeit tun oder wird sie zunehmend mit Absicht daran gehindert, um dann wieder mit Schuld beladen zu werden, wenn zu beliefernde Rezepte verschwunden oder Bestellungen nicht rechtzeitig abgesendet werden? Werden Zeitbomben gelegt? Was geschieht heimlich und versteckt, so dass sie selber meint, sie hätte einen Fehler gemacht und wo wird offen Krieg mit Stichwaffen geführt?

Als Chefin können Sie vorbeugen. Wenn Sie das Ganze nicht bemerkt haben oder die Augen verschlossen haben, ist es viel schwieriger, das Kind aus dem Brunnen zu fischen bevor es ertrinkt.

Prophylaxe

  • Vermeiden Sie starke Hierarchien in Ihrer Apotheke!
  • Azubis, PKAs oder Praktikantinnen sind häufiger das Ziel von Hänseleien, sie müssen als Sündenbock herhalten, da sie das letzte Glied in der Kette sind und Ärger nach unten durchgereicht wird.
  • Sorgen Sie für ein echtes Team, das miteinander durch Dick und Dünn geht und in dem Einzelne in schwierigen persönlichen Phasen gestützt anstatt fallengelassen werden.
  • Organisieren Sie ein gutes Fehlermarketing!

Wenn jede Angst hat, ihre Fehler zuzugeben, weil das heftig geahndet wird, konzentriert sich das Ganze aufs Verleugnen. Alle sind damit beschäftigt, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben und der Kunde hat immer noch nicht das richtige Medikament, geschweige denn eine Entschuldigung.

  • Betätigen Sie sich als Klimaforscherin! Beobachten Sie mit wissenschaftlicher Akribie, welches Verhalten von Ihnen die Stimmung steigen lässt und lassen Sie sich etwas einfallen! Nicht nur Kuchen und Lob und ab und zu Essenseinladungen, sondern im Sommer kleine USB-Ventilatoren am Computer und im Winter Kuschelsocken für zu Hause.
  • Sorgen Sie auch gut für sich selbst, damit Sie in Stimmung bleiben. Wenn Sie sich täglich unlustig und gequält in Ihre eigene Apotheke begeben, läuft etwas grundsätzlich falsch und muss zügig zum Wohle aller geändert werden.
  • Fragen Sie Ihre Angestellten anstatt alles von oben zu diktieren, lassen Sie sie mitbestimmen und genießen Sie das Engagement der Gehörten, wenn Sie Vorschläge aus der Gruppe umsetzen.
  • Betreiben Sie offene Kommunikation, für Ihre Mitarbeiterinnen ist es angenehm, Ihnen in Ruhe Rückmeldungen zu geben, von Ihnen frühzeitig etwas über neue Planungen zu erfahren und zu wissen, woran sie sind. Vier-Augen-Gespräche sind anfangs gewöhnungsbedürftig für beide Seiten, auf Dauer jedoch ein wertvolles Führungswerkzeug.
  • Weiß jede um ihre Kompetenzen und Aufgaben oder gibt es einen Wettstreit darum, wer was machen darf? Wenn Ihre Angestellten die Arbeit nicht selbst richtig einteilen können, machen Sie es oder leiten Sie dazu an, damit Sie sich nicht dauerhaft darum kümmern müssen.
  • Lassen Sie nicht zu, dass immer die gleiche Mitarbeiterin als Sündenbock dargestellt und mit beleidigenden Äußerungen bedacht wird.

Die Folgen

Manche Prozesse werden erst klar, wenn die geleistete Arbeit stark nachlässt. Die betroffene Mitarbeiterin zeigt Unsicherheit, sie kann sich nicht mehr konzentrieren, da sie ständig neue Angriffe erwartet und ihre Fehlerquote steigt. Erste Krankschreibungen beeinträchtigen den Arbeitsablauf, da die anderen Teammitglieder ihre Arbeit mit übernehmen müssen. Ob es nur eine oder mehrere Angestellte sind, die mobben: wenn die Kollegin wieder zur Arbeit kommt, ist das Chaos komplett und sie wird dafür verantwortlich gemacht. Niemand kann das auf Dauer aushalten, die Selbstachtung und der Respekt vor den anderen geht verloren, die Spirale abwärts zieht immer größere Kreise. Wenn Sie Glück haben, hat die Gemobbte zu Ihnen noch Vertrauen und sucht das Gespräch.

Therapie der Teamkrankheit

  • Schenken Sie der Kollegin Glauben und Gehör, wenn sie sich an Sie wendet. Bitten Sie sie um Beispiele oder darum, sich Notizen zu machen, wenn ihr im Moment nichts einfällt.
  • Wenn die Betroffene sich nicht von alleine an Sie wendet, sondern nur durch nachlassende Arbeitsfähigkeit, Weinen, Krankheitstage, Rückzug in sich selbst und Ängstlichkeit auffällt, suchen Sie von sich aus Kontakt. Dem Opfer hilft es ungemein, wenn es sich nicht mehr alleine und ausgeliefert fühlt, sondern wenn ihr klar wird, dass die negativen Verhaltensweisen auch anderen auffallen.
  • Beobachten Sie die ganze Gruppe, hören Sie zu, welche Bemerkungen in Abwesenheit der Betroffenen gemacht werden, machen Sie sich selbst ein Bild. Finden Sie Unterlagen im Papiermüll, die dort nicht hingehören? Was läuft alles schief? Sind wiederholt zugesagte Medikamente nicht rechtzeitig bestellt, Rezepturen nicht fertig, Substanzen verschwunden?
  • Gibt es Tage, an denen es schlimmer oder besser ist als an anderen? Wer von der Belegschaft ist dann da?
  • Sprechen Sie die Mobberin an, am besten unter vier Augen wenn konkrete Vorkommnisse dazu „einladen“. In der Mehrzahl der Fälle weist diese alle Vorwürfe weit von sich und stellt sich als Opfer dar, sie handelt in Zukunft eher im Verborgenen und subtil. Daher ist es wichtig, dass Sie immer wieder Konkretes benennen und mit allen im Gespräch bleiben. Es ist IHRE Apotheke und Sie wollen Kundenschwund und Umsatzeinbußen verhindern.
  • Suchen Sie sich eine Mediatorin, die auf Mobbing spezialisiert ist und das Ganze von Grund auf klärt.
  • In vielen Fällen endet der sich über Monate hinziehende Prozess mit der Kündigung, da eine gemeinsame Weiterarbeit mangels Vertrauen nicht mehr möglich ist. Dann fängt das Suchen nach einer neuen Angestellten an. Apotheken sind keine Arbeitsplätze, bei denen man sich aus dem Weg gehen oder in eine andere Abteilung versetzt werden kann.
  • Da in der Hochphase des Konflikts niemand mehr auf Sinn und Notwendigkeiten der eigentlichen Arbeit schaut, machen Sie die Kolleginnen darauf aufmerksam, dass Sie persönlich und die Apotheke als Wirtschaftsbetrieb mit betroffen sind.

In die Teamentwicklung investieren

Das Verhalten des Teams als Agierende oder untätige Zuschauer ist eine Art von Sabotage und Sie können entsprechende Maßnahmen ergreifen, wenn die Zustände sich nicht bessern. Erinnern Sie die Gruppe daran, wofür sie bezahlt wird und fordern Sie sie auf, wieder die entsprechende Leistung zu bringen.

Wenn Mobbing möglich wird, ist deutlich, dass keine Zusammenarbeit stattfindet, sondern nur ein Nebeneinanderher-Arbeiten. Das wirkt auf Dauer betriebsschädigend. Mobbingprozesse zeigen, dass investiert werden muss: In Teamentwicklung mit all ihren Facetten. 

Literatur

Michaela Beer, Roland Rutschke

Kommunikation – Erfolgsfaktor in der Apotheke.

Springer Verlag 2011

Dr. Christoph Thoman

Klärungshilfe Band 2 und 3

rororo Verlag

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Ute Jürgens

Ute Jürgens ist PTA und Diplom-Pädagogin für Erwachsene. Sie ist Seminartrainerin im Bereich Kommunikation mit Spezialisierung auf Heilberufler, www.kommed-coaching.de, info@kommed-coaching.de

 

* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.

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