Gesundheitspolitik

AEP, McKesson und die Dynamik von Märkten

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Wenn in einen etablierten, seit Jahren von Konzentrations- und Rationalisierungstendenzen geprägten Markt ein neuer Wettbewerber eintritt und sein Geschäftsmodell signifikant von anderen abweicht, dann ist ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit bei den Marktbeteiligten und natürlich auch der Politik vorprogrammiert. Wenn hinter dem Konzept Investoren stehen, denen man eine gewisse Analysefähigkeit unterstellen muss und einen langen Atem hinsichtlich der Kapitalisierung zubilligen kann, dann wird daraus ein erwähnenswertes Geschäftsmodell. Aber nicht jede Erwähnung und jede berechtigte Aufmerksamkeit bedeuten automatisch Erfolg.

Als aus der Apothekenkooperation Gesine heraus ein Großhandelsmodell entwickelt wurde, waren Branchenkenner überrascht, Skepsis machte sich breit, aber der überbordende Optimismus einiger Apotheker war ausreichend, um das Projekt zu starten. Aber gab es auch hinreichende Substanz für einen dauerhaften Erfolg? Nein, wie das Ergebnis zeigt. Hätte dies auf einen neuen Marktpartner abschreckend wirken können? An sich schon. Dieser Marktflop und die oben beschriebenen Konsolidierungserscheinungen einer ganzen Branche bei bekanntermaßen knallharten ökonomischen Bedingungen müssten jeden Newcomer vorsichtig und nervös werden lassen. Aber die Investments internationaler Konzerne zunächst bei der ANZAG und nun bei Celesio zeigen, dass der deutsche Pharmagroßhandelsmarkt zumindest für Kapital attraktiv zu sein scheint.

Nun startete mit AEP direkt ein neuer Großhandelsversuch in Deutschland. Nicht in der Kopie der bekannten Geschäftsmodelle auf der Großhandelsstufe wird das Heil gesucht, sondern in einer offensichtlichen Light-Variante.

So wie nicht jeder im Hyatt, Maritim oder Dorint übernachten möchte und 4 Sterne benötigt, kann aus Sicht der Macher ein Motel One auch unter den Pharma-Großhändlern reüssieren. Bei den Hotels bleibt es aber oft beim punktuellen Buchen mit allen Wahlmöglichkeiten: Im Urlaub neigt der hybride Kunde zum 5-Sterne-Luxus-Hotel, für die schnelle Durchreise oder wenn es um junge Pärchen auf Städtetrip geht, zum Motel One. Hier geht es um Schnäppchen, um Pragmatismus, um ein adäquates Preis-Leistungsverhältnis, vielleicht auch um das Kribbeln beim smarten Buchen.

Die Belieferung von Apotheken ist aber ganz und gar kein punktuelles Geschäft, sondern eine der wichtigsten Konstanten im apothekerlichen Alltag. Mag es auch Fälle geben, bei denen die Lieferung am nächsten Tag oder die nur-Einmal-Lieferung opportun ist, ist doch die bisher vom Großhandel angebotene Schlagzahl erlernt –unbewusst auch von den Kunden. Das Geschäftsmodell ist also gewagt und kann nur dann zum Erfolg werden, wenn Apotheken über eine deutlich höhere Warenbevorratung Kundenwünsche dennoch zeitnah befriedigen können. Damit liegt aber eine trade-off-Beziehung vor. Wenn man so will, macht man sich das Bett in diesem Hotel selbst und putzt auch noch das Zimmer auf eigene Kosten. Nimmt man eine Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses vor, muss diese zusätzliche Bevorratung gegengerechnet werden. Die zusätzliche Kapitalbindung und das damit einhergehende Warenrisiko sind zu beziffern, wenn die Angebote verglichen werden. Dass es der etablierte Großhandel nicht macht wie AEP, darf getrost als Indikator gewertet werden, dass dafür keine hinreichende Nachfrage besteht.

Das neue Angebot schärft allerdings den Blick dafür, dass das Großhandelsmodell an seine Grenzen gestoßen ist. Der Belieferungswahn treibt in manchen Regionen Blüten, und die Rabattschlachten ufern aus. Hier wird Einsicht einkehren müssen im Großhandel und auch bei den Apotheken. Warnen muss man vor Geschäftsmodellen, die vermeintlich erfolgreich sind, obgleich sie nicht rentabel geführt werden können. Zalando schreibt noch immer keine wirklichen schwarzen Zahlen, hat aber die Struktur des Schuhhandels schon erheblich verändert. Ob AEP es genauso macht, wird sich zeigen. Zunächst muss man einem neuen Marktteilnehmer alles Glück dieser Welt wünschen, aber allen Apotheken eine genaue Prüfung des angebotenen Modells anraten, denn allzu schnell sind vermeintliche Vorteile in Anspruch genommen, die sich dann pulverisieren. 

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