Gute Vorsätze

Wie die Umsetzung gelingen kann

Von Gert Kaluza | Den Jahreswechsel nehmen viele Menschen zum Anlass, ihre Gewohnheiten zu ändern: Mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport treiben, besser mit den Mitmenschen auskommen, sich gesünder ernähren, den Alkoholkonsum reduzieren oder weniger Stress haben sind typische Vorsätze an Silvester. Doch den meisten Menschen fällt es schwer, sie tatsächlich umzusetzen. Das ist nicht verwunderlich, erfordert die Veränderung von zumeist jahrelangen Verhaltensgewohnheiten doch eine hochkomplexe Selbststeuerung. Erkenntnisse aus der modernen Motivationspsychologie können helfen, die guten Vorsätze tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Richtige Zielsetzung

Wichtig ist hier zunächst die Unterscheidung zwischen Ergebnis- und Handlungszielen. Erstere formulieren das, was man erreichen möchte, während Letztere beinhalten, was man selbst für die Zielerreichung tun wird.

Ergebnisziele beantworten die Frage nach dem „Wozu“ einer Verhaltensänderung und formulieren die persönlichen Nutzenerwartungen, die man mit der Veränderung eines bestimmten Verhaltens verknüpft. Sie sind umso motivierender, je persönlich attraktiver sie sind. Wie attraktiv ein Ziel für einen persönlich wirklich ist, erkennt man daran, wie sehr es positive Gefühle wie (Vor-)Freude und Lust, Stolz, vielleicht auch Gefühle von Freiheit, Offenheit etc. auslöst. Im Gegensatz dazu stehen rein von der Vernunft gesteuerte Ziele, die emotional neutral sind oder sogar negative Gefühle wie Angst, Scham und Schuldgefühle hervorrufen. Dies ist nicht selten bei Veränderung von gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen der Fall. Häufige Zielformulierungen wie „Übergewicht reduzieren“, „Fitness verbessern“ oder gar „das kardiovaskuläre Risiko senken“ klingen vernünftig, sind aber – mehr oder weniger unbewusst – mit Angst (vor Krankheiten), mit Scham- oder Schuldgefühlen verbunden. Da sich niemand gern über längere Zeit mit solchen negativen Gefühlen konfrontiert, führt dies zwangsläufig dazu, dass der Vorsatz über kurz oder lang fallen gelassen wird. Manchmal auch dazu, dass das gesundheitsschädliche Verhalten sogar verstärkt wird, da z.B. Rauchen, Alkoholkonsum oder Süßigkeiten ja häufig zur Regulation von negativen Gefühlen eingesetzt werden. Rein vom Verstand bestimmte Ziele können ausreichend sein, um einen kurzzeitigen, einmaligen Verhaltensakt (wie einen Vorsorgetermin wahrnehmen) zu initiieren. Für eine langfristige Verhaltensänderung bedarf es emotional atttraktiver Ziele. Ergebnisziele sollten also positiv formulieren, was man erreichen möchte, was man positiv mit „mehr Gesundheit“, „mehr Fitness“ oder „weniger Gewicht“ verbindet. Gut ist, wenn das Ziel mit lebendigen inneren Bildern verknüpft wird, die zeigen, wie schön es sein wird, wenn das Ziel erreicht ist. Wenn man sich diese Bilder immer wieder vor Augen führt, dann können sie über schwierige Situationen hinweghelfen.

„Für eine langfristige Verhaltensänderung bedarf es emotional attraktiver Ziele!“

Handlungsziele beantworten die Frage nach dem „Wie“ einer Verhaltensänderung und formulieren das, was man selbst unternehmen wird, um die in den Ergebniszielen festgehaltenen positiven Nutzeneffekte zu erreichen. Statt vager Absichtserklärungen sollten sie so konkret wie möglich formuliert sein. Also statt „mehr Sport treiben“ ganz konkret „zweimal pro Woche zum Schwimmen gehen“. Statt „mehr Zeit für mich haben“ ganz konkret „täglich eine halbe Stunde für mich zum Lesen (oder Musik hören, Spazieren gehen …) einplanen“. Statt „mich mehr um meine Freunde kümmern“ konkret „einmal pro Woche eine Verabredung treffen“. So wird auch überprüfbar, inwieweit die Ziele erreicht wurden.

„Zu vage: Mehr Sport treiben – Konkret: zweimal pro Woche Sport treiben.“

Ziele dürfen durchaus hoch gesteckt sein, sollten andererseits aber auch realistisch bleiben („schwierig, aber machbar“). Ansonsten führen sie zu Enttäuschung, ständiger Frustration und Vergeudung eigener Zeit und Energie. Hier gilt es selbstkritisch zu prüfen, wie realistisch es ist, das Ziel durch eigenes Tun zu erreichen. Entmutigend können zu viele Vorsätze wirken. Deshalb steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit, wenn nur ein oder zwei konkrete Vorhaben angegangen werden.

Gute Planung

Dazu gehört, dass man einzelne Schritte auf dem Weg zum Ziel möglichst genau plant. Was werde ich wann, wo und eventuell mit wem konkret tun? Welche Dinge benötige ich für das Vorhaben? Mit wem muss ich mich absprechen? Nicht selten scheitern die besten Vorsätze an scheinbar einfachen praktischen Hürden. Wer abnehmen oder mit dem Rauchen aufhören möchte, sollte Naschereien, Zigaretten, Aschenbecher etc. aus der Wohnung verbannen. Wer Sport treiben möchte, benötigt gegebenenfalls geeignete Sportkleidung oder -geräte. „Keine Zeit“ ist der wohl am häufigsten genannte Grund, der zur Aufgabe von guten Vorsätzen führt. Eine intelligente, vorausschauende Zeitplanung ist nötig, die den eigenen Gesundheitsterminen das gleiche Gewicht wie wichtigen beruflichen oder persönlichen Terminen gibt, an denen als unantastbare „heilige Termine“ nicht zu rütteln ist. Wer seine guten Vorsätze in die Tat umsetzen will, sollte auch schon im Vorfeld darüber nachdenken, was dazwischenkommen könnte, und wie Hindernisse, Barrieren und schwierige Situationen überwunden werden können. Geht man zu blauäugig an die Umsetzung seines Vorsatzes, ist die Gefahr von schnellen Ausrutschern und Rückfällen deutlich erhöht. In der Motivationpsychologie spricht man vom „antizipatorischen Barrierenmanagement“. Dabei identifiziert man zu erwartende schwierige Situationen und Hindernisse und entwirft praktikable Gegenstrategien, die dann in Form von „Wenn, dann ...“-Vorsätzen formuliert werden. Zum Beispiel: „Wenn mir Kollege x eine Zigarette anbietet, greife ich zu den Pfefferminzbonbons.“, „Wenn es draußen zu kalt zum Laufen wird, gehe ich stattdessen ins Hallenbad.“ oder „Wenn ich zum Geschäftsessen eingeladen bin, verzichte ich auf das Dessert.“ oder „Wenn das Sofa lockt, dann denke ich daran, wie wohl ich mich nach dem Sport fühlen werde“.

„Wer seine guten Vorsätze in die Tat umsetzen will, sollte auch schon im Vorfeld darüber nachdenken, wie Hindernisse überwunden werden können.“

Ausrutscher werden sich allerdings nie ganz vermeiden lassen. Sie gehören zu jedem Prozess der Verhaltensänderung dazu. Auch darauf sollte man sich mental vorbereiten, damit aus dem ersten Ausrutscher nicht gleich ein kompletter Rückfall wird und der ganze Vorsatz begraben wird.

Umgang mit dem „inneren Schweinehund“

Ebenso wichtig wie die vorausschauende Beschäftigung mit möglichen äußeren Barrieren und Schwierigkeiten, ist es, sich auf innere Hindernisse vorzubereiten. Der sogenannte „innere Schweinehund“ tritt immer dann als Verhinderer guter Vorsätze in Erscheinung, wenn es darum geht, Dinge zu tun, die unangenehm sind, weil sie beispielsweise anstrengend sind (z.B. nach der Arbeit noch zum Sport gehen) oder weil sie Angst machen (z.B. ohne den Halt einer Zigarette ein schwieriges Gespräch führen). Dann versucht der „innere Schweinehund“ die Umsetzung der Vorsätze zu verhindern, z.B.

  • indem er uns vergesslich macht,
  • indem er uns glauben macht, andere Dinge seien ganz dringend,
  • indem er uns ablenkt, müde oder verwirrt macht,
  • indem er uns frustriert und Zweifel sät,
  • indem er uns zu „Ausrutschern“ verführt,
  • indem er unseren Blick auf die anderen lenkt, die „es ja auch nicht tun“,
  • indem er uns einredet, er wolle nur unser Bestes.

Der „innere Schweinehund“ ist selbstverständlich nur ein Bild. Es repräsentiert die natürliche menschliche Neigung, Anstrengung und Angst, überhaupt Unangenehmes zu vermeiden. Diese Neigung hat durchaus ihre Berechtigung und ihren Sinn: Wer darauf bedacht ist, den Anstrengungsaufwand möglichst gering zu halten, verausgabt sich nicht unnötig; er spart seine Kräfte für Situationen auf, wo er sie wirklich braucht. Und wer darauf bedacht ist, Angstsituationen aus dem Weg zu gehen, bewahrt sich vor unnötigen Risiken und Gefahren. Auf der anderen Seite verlangt die Veränderung von Verhaltensgewohnheiten es oft, viel Anstrengung zu investieren und sich unangenehmen, unsicheren, angstbesetzten Situationen zu stellen. In jedem Prozess der Verhaltensänderung gibt es diese Situationen, in denen das, was man sich in seinen konkreten Handlungszielen vorgenommen hat, dem widerspricht, wozu man jetzt gerade spontan am meisten Lust hätte. Hier geht es darum, den spontanen Impuls zur Anstrengungsvermeidung, den „inneren Schweinehund“, zu überwinden. Dies erfordert Willenskraft, in der Psychologie auch Volition genannt. Sie stellt – neben der Motivation – die zweite zentrale psychische Kraft dar, die es für eine erfolgreiche Verhaltensänderung zu mobilisieren gilt. Während Motivation in einer möglichst starken Bindung zu emotional attraktiven Zielen besteht, meint Willenskraft (Volition) die Kraft zur Selbststeuerung, das ist die Fähigkeit, Gefühle und Stimmungen, Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedanken zu steuern, um das, was man sich vorgenommen hat, gegenüber Widerständen, Unterbrechungen, Fehlschlägen und Verlockungen durchzusetzen. Was bedeutet das für den praktischen Umgang mit dem „inneren Schweinehund“? Soll man ihn einsperren, aussperren oder an die Kette legen? Oder vielleicht besser zähmen und einen festen Platz zuweisen? Vielleicht sogar regelmäßig versorgen und versuchen, gut mit ihm auszukommen?

„Ein allzu rigider Handlungsplan birgt immer die Gefahr, dass der ‚innere Schweinehund‘ in ‚schwachen Momenten‘, die Oberhand gewinnt.“

Die menschliche Willenskraft ist, wie eindrucksvolle psychologische Experimente gezeigt haben, erschöpflich. Ein allzu rigider Handlungsplan, der keinerlei Ausnahmen zulässt, birgt daher immer die Gefahr, dass der „innere Schweinehund“ in „schwachen Momenten“, die sich realistischerweise nie ganz werden vermeiden lassen, die Oberhand gewinnt und die Umsetzung eines Vorsatzes sabotiert. Das kommt dann psychologisch einer Niederlage gleich, die wenig motivierend für die weitere Verfolgung der eigenen Ziele wirkt. Erfolgversprechender sind flexible Handlungspläne, die von vornherein auch Raum für Ausnahmen lassen, ohne dass dadurch das gesamte Vorhaben gefährdet wird. Entscheidend ist, dass man selbst – und eben nicht der „innere Schweinehund“ – darüber entscheidet, wann ein Vorsatz umgesetzt und wann eine Ausnahme zugelassen wird. Anstatt also zu versuchen, den „inneren Schweinehund“ vollständig wegzusperren, sollte man ihm bewusst einen festen Platz zuweisen, statt seiner autoritären Unterdrückung eine „friedliche Koexistenz“ mit ihm anstreben.

Soziale Unterstützung

Zu jedem guten Plan für eine Verhaltensänderung gehört schließlich auch die Suche nach Unterstützungsmöglichkeiten im näheren und weiteren sozialen Umfeld. Andere Menschen können auf vielfache Weise bei der Umsetzung eines Vorsatzes hilfreich sein, z.B. durch organisatorische Unterstützung, durch Rücksichtnahme, durch Erinnerung, durch Ermuntern und Ermutigung und nicht zuletzt durch Mitmachen. Gerade der letzte Punkt, wenn man sich mit anderen z.B. zu sportlichen Aktivitäten verabredet, kann im Alltag enorm hilfreich sein, um den „inneren Schweinehund“ zu überwinden. Man sollte also mit dem Partner, mit der Familie und Freunden, seine Ziele und seinen Plan besprechen und Unterstützungswünsche äußern. Manche Menschen schrecken vor diesem Schritt zurück und verweisen darauf, dass sie letztlich es doch ganz allein schaffen müssten oder wollten. Um es noch einmal zu betonen: Die Änderung langjähriger Verhaltensgewohnheiten und der Aufbau neuer Verhaltensweisen stellen große Herausforderungen dar, bei deren Bewältigung man auf jede nur mögliche Unterstützung zurückgreifen sollte. Einsamer Heroismus und Einzelkämpfertum sind hier fehl am Platz.

Die Scheu, sein Vorhaben mit anderen zu besprechen und damit gewissermaßen öffentlich zu machen, kann auch auf der Angst vor dem Scheitern und der Angst vor der Blamage, die ein solches Scheitern bedeuten würde, beruhen. Hier fehlt es offensichtlich an der inneren Übereinstimmung mit den Ergebnis- und Handlungszielen und/oder an der inneren Überzeugung, diese Ziele auch wirklich erreichen zu können. Hier wäre dann eine – selbstkritsche – Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen (Was verspreche ich mir wirklich von einer Änderung des Verhaltens? Habe ich die Ziele zu hoch gesteckt? Welche Zwischenschritte wären eventuell noch nötig? etc.) angezeigt.

Erfolg motiviert!

Nichts motiviert so sehr wie das Erfolgserlebnis! Sind die ersten Schritte getan, sollte man seine Aufmerksamkeit bewusst auf Erfolge lenken: Nach dem Sport fühlt man sich gut, die Gemüsepfanne war lecker, der Entspannungskurs macht gute Laune. Das ist die Belohnung für den neuen Lebensstil, der am Anfang noch einen hohen psychischen Aufwand erfordert. Auch die Erfahrung, seinen Plan trotz äußerer und innerer Hindernisse durchgesetzt zu haben, stellt ein enorm motivierendes Erfolgserlebnis dar, das man sich bewusst vor Augen führen sollte. Derartige Erfahrungen stärken die innere Überzeugung, es auch in zukünftigen schwierigen Situationen schaffen zu können. Und genau diese innere „Ich-kann-es-schaffen“-Überzeugung wiederum ist es, die die Wahrscheinlichkeit, es tatsächlich zu schaffen, erhöht. Erste Erfolgserlebnisse können so, wenn sie bewusst wahrgenommen und erlebt werden, eine positive Motivations-Spirale in Gang setzen.

Last not least: Wer es nicht gleich schafft, am Neujahrstag sein Vorhaben zu beginnen, sollte nicht verzweifeln. Es gibt mindestens 365 Chancen pro Jahr, sein Leben zu verändern. |

Autor

Prof. Dr. Gert Kaluza, Jahrgang 1955, ist Diplom-Psychologe und psychologischer Psychotherapeut und als Trainer, Coach und Autor im Bereich der individuellen und betrieblichen Gesundheitsförderung tätig.

Studium der Psychologie und Pädagogik an den Universitäten Gießen und Marburg, Promotion an der Medizinischen Hochschule Hannover (1989), Habilitation an der Universität Marburg (1997).

Nach über 20-jähriger Tätigkeit an verschiedenen Universitäten gründete er 2002 sein eigenes Fortbildungs- und Trainingsinstitut, das GKM-Institut für Gesundheitspsychologie. (www.gkm-institut.de).

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