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Wer im Glashaus sitzt, oder … Ein Gastkommentar von Uwe Hüsgen
Mythos
Während bei den Apotheken „historisch überkommene Strukturen eingefroren“ sind (Doris Pfeiffer, Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 28.12.2013), sind die Krankenkassen Garanten der Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitswesen.
Die Tatsachen
Bedingt durch den Bevölkerungsrückgang ist die Zahl der in den gesetzlichen Krankenkassen Versicherten von 2004 (70,27 Mio.) bis 2011 (69,64 Mio.) um 0,9 Prozent zurückgegangen. Dabei liegt der Anteil der GKV-Versicherten an der gesamten Bevölkerungszahl nach wie vor bei knapp über 85 Prozent. Die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen hat sich im selben Zeitraum annähernd halbiert; sie ist von 287 (2004) auf 154 (2011) zurückgegangen. Die Zahl der GKV-Mitarbeiter ist im selben Zeitraum von 149.500 auf knapp 143.050, oder um gut 4,3 Prozent gefallen. Betreute 2004 also ein GKV-Mitarbeiter im Durchschnitt 470 Versicherte, so stieg der Wert – trotz der demografischen Bevölkerungsentwicklung – bis 2011 auf 487, oder um rund 3,6 Prozent.
Aber: Die Nettoverwaltungskosten stiegen von 2004 (in Höhe von 8,11 Mrd. Euro) bis 2011 um 16,4 Prozent (auf 9,44 Mrd. Euro); und damit je GKV-Mitarbeiter um fast 21,7 Prozent. Je Versichertem erhöhte sich der Verwaltungsaufwand – trotz Konzentration des Organisationsgrades und einer Abnahme an GKV-Mitarbeitern – um rund 17,5 Prozent.
Insbesondere aufgrund der Ausgrenzung der nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel aus der Erstattungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), in Verbindung mit der Tendenz zur Verordnung größerer Arzneimittelpackungen und dem feststellbaren Preiswettbewerb außerhalb der verschreibungspflichtigen Medikamente, sank die Zahl der in Apotheken abgegebenen Packungen insgesamt, also über den GKV-Bereich hinaus, von 1.496 Mio. (in 2004) um 100 Mio. Packungen auf 1.396 Mio. in 2011, oder um etwa 6,7 Prozent. Die Vermutung, dass damit eine Verringerung der Zahl der Arbeitsplätze einhergehen würde, hat sich dagegen nicht bestätigt. Vielmehr ist die Zahl der Arbeitsplätze in Apotheken von 136.805 im Jahre 2004 auf 148.604, oder um gut 8,6 Prozent angestiegen. Der Beratungsaufwand (ausgedrückt in der Zahl der Packungen je Arbeitsplatz) hat sich, nicht zuletzt aufgrund der zwischen den einzelnen Krankenkassen und den Herstellern geschlossenen Rabattverträge, dramatisch – um 16,4 Prozent – erhöht.
Obwohl der gesamte Apothekenumsatz (ohne Mehrwertsteuer) im Beobachtungszeitraum um 25,8 Prozent stieg, der Nettoumsatz je abgegebener Packung sogar um 34,9 Prozent , konnte der in Apotheken erwirtschaftete Rohertrag, mit dem sämtliche in den Apotheken anfallenden Kosten (wie Gehälter, Mieten usw.) abzudecken sind, nur von 9,23 Mrd. Euro (in 2004) auf 10,39 Mrd. Euro in 2011, oder um knapp 12,6 Prozent wachsen. Der Rohgewinnzuwachs je Apothekenmitarbeiter betrug zwischen 2004 und 2011 also gerade einmal 3,6 Prozent. Er liegt damit weit unter der Inflationsrate (von etwa 12,4%).
Beachte: die Apothekenzahlen beziehen sich deshalb auf den gesamten Apothekenmarkt, weil insbesondere die Kosten nicht den einzelnen Bereichen (GKV und Nicht-GKV) zugeordnet werden können. Da aber der GKV-Umsatzanteil über den Beobachtungszeitraum bei stets knapp unter zwei Dritteln, die abgegebene Menge (in Packungen gemessen) stets bei etwa einem Drittel liegt, der zusätzliche kostenträchtige Aufwand insbesondere im GKV-Bereich entstanden ist und auch die Rohertragsrückgänge nicht unwesentlich auf „Preisdiktate der Krankenkassen“ zurückgeführt werden müssen – man denke nur an die Rabattverträge und die Erstattungspreise der Krankenkassen im Hilfsmittelbereich –, führen die Vergleiche der Leistungskennziffern zwischen der GKV und den Präsenzapotheken zu Ergebnissen, die für die Krankenkassen eher noch geschönt sind.
Fazit
Während die GKV-Nettoverwaltungskosten je Mitarbeiter von 2004 bis 2011 um 21,7 Prozent, und damit deutlich oberhalb der Inflationsrate von 12,4 Prozent gestiegen sind, ist der Rohertrag je Apothekenmitarbeiter im selben Zeitraum nur um 3,6 Prozent angewachsen. Deshalb ist die Aussage „Bei den Apotheken seien historisch überkommene Strukturen eingefroren“ mit Blick auf die Honorierung sicher nicht falsch – auch wenn Frau Pfeiffer ihre Aussage anders verstanden wissen will. Anstatt die öffentlichen Apotheken zu denunzieren, sollte die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes aber lieber die (Personal-)Kostenstruktur ihrer Verbandsmitglieder mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystems kritisch hinterfragen.
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