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Aus den Ländern
Niere und Arzneimittel
Fortbildungskongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein
Die große Bedeutung des Themas zeigte sich auch an der Beteiligung bei der Veranstaltung. Mit etwa 270 Teilnehmern war der Vortragssaal des traditionsreichen Fortbildungskongresses sehr gut gefüllt. In den ersten Vorträgen ging es um sehr unterschiedliche Aspekte rund um die Nieren.
EPO zwischen Ge- und Missbrauch
Zunächst berichtete Prof. Dr. Wolfgang Jelkmann, Lübeck, über Erythropoietin (EPO), das insbesondere gegen renale Anämie eingesetzt wird. Angesichts seiner zentralen Bedeutung für den Sauerstofftransport im Blut habe EPO aber auch einen „gigantischen Effekt“ bei der missbräuchlichen Anwendung als Dopingmittel. Ohne gentechnologisch hergestelltes EPO müssten alle Dialysepatienten – in Deutschland etwa 80.000 Personen – regelmäßig Bluttransfusionen erhalten. Die zugelassenen elf EPO-Präparate verteilen sich auf sieben Wirkstoffe mit unterschiedlichen Glykosylierungsmustern. Abhängig von den Herstellungs- und Reinigungsverfahren variiert die Zahl der N-Glykane und damit die Wirkungsdauer. Daher dürfen nur bioidentische Präparate substituiert werden, nicht aber wirkstoffähnliche Biosimilars, mahnte Jelkmann.
Einsatzmöglichkeiten für Diuretika
Über die klinische Bedeutung von Diuretika informierte Prof. Dr. Peter Gohlke, Kiel. Zur langfristigen Blutdrucksenkung eignen sich unter den Diuretika nur Substanzen vom Thiazid-Typ, weil sie langsamer und länger als Schleifendiuretika wirken. Gohlke empfiehlt sie bei Bluthochdruck nicht für die Monotherapie, aber als unerlässliche Kombinationspartner. Empfehlungen für die Monotherapie seien aus der ALLHAT-Studie abgeleitet worden, die Diuretika mehrfach begünstige. Bei Herzinsuffizienz werden Diuretika gegen den Stauungsdruck eingesetzt. Um das gefürchtete ventrikuläre Remodelling bei Herzinsuffizienz aufzuhalten, können Aldosteron-Antagonisten verwendet werden. Bei der Kombination mit ACE-Hemmern drohe jedoch eine gefährliche Hyperkaliämie. Daher müsse der Kaliumspiegel engmaschig, zunächst sogar wöchentlich, kontrolliert werden.
Strategien bei Harnwegsinfekten
Dr. Guido Schmiemann, Bremen, stellte den Stand der Leitlinien zu Harnwegsinfekten dar. Als wichtigste Botschaft hob er hervor, dass eine Bakteriurie ohne klinische Symptome nicht behandelt werden soll. Dann könne eine Antibiose mehr schaden als nutzen, so Schmiemann. Vertretbar sei der Verzicht auf Antibiotika bei einer unkomplizierten Harnwegsinfektion. Antibiotika können die Symptome um etwa zwei Tage verkürzen, doch dabei stehen die Schmerzen im Vordergrund, und Schmerzen können mit Ibuprofen schneller behandelt werden. In einer Pilotstudie seien unkomplizierte Harnwegsinfekte nach Einnahme von Ibuprofen nicht anders verlaufen als nach Einnahme eines Antibiotikums. Als kompliziert – und damit als Indikation für Antibiotika – gelten Harnwegsinfekte dagegen, wenn sie bei Kindern, Männern, Schwangeren, Immunsupprimierten, Katheter-Patienten oder nach einem Krankenhausaufenthalt auftreten.
Niereninsuffizienz ohne Ausweg
Prof. Dr. Boris Perras, Lübeck, beschrieb die Niereninsuffizienz als Kontinuum von Stadien, die verschiedene Patienten sehr unterschiedlich schnell durchlaufen. Da die Podozyten, die für die Filterfunktion der Nieren verantwortlich sind, nicht regenerationsfähig sind, verläuft die Krankheit progredient. Insbesondere Arteriosklerose und Diabetes mellitus könnten schnell zur Dialysepflicht führen. Als Präventionsmaßnahmen riet Perras, in erster Linie auf den Blutdruck zu achten und als Diabetiker den Blutzucker gut einzustellen.
Eine mögliche Ursache für das Versagen der Nieren sind nephrotoxische Wirkungen von Arzneimitteln, über die Prof. Dr. Thomas Herdegen, Kiel, informierte. Wenn die Nieren eingeschränkt arbeiten, erfordert dies wiederum Dosisanpassungen bei vielen Arzneistoffen, worüber Priv.-Doz. Dr. Davic Czock, Heidelberg, berichtete. Organspenden und die Vorgehensweise bei Transplantationen der Niere waren das Thema von Prof. Dr. Jürgen Steinhoff, Lübeck.
Um die Niere als Wirkungsort ging es im Vortrag von Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland, Hamburg, der über SGLT2-Inhibitoren berichtete. Diese neue Gruppe oraler Antidiabetika bietet ein innovatives Wirkprinzip, bei dem der Blutzuckerspiegel durch die Ausscheidung von Glucose mit dem Urin gesenkt wird. Dies soll zugleich gewichtsreduzierend wirken, weil die ausgeschiedene Glucose nicht verstoffwechselt wird.
Vielfältiges Programm
Zusätzlich zum Fortbildungsprogramm für Apotheker bot der Kongress Praxisfortbildungen, an denen etwa 100 PTA und 50 PKA teilnahmen. Zur Auflockerung diente wieder der Gala-Abend mit Büfett, Tanz und diesmal einer besonderen Überraschung: Aus Anlass der Vergabe von zwei Goldenen Ehrennadeln der Apothekerkammer (siehe DAZ Nr. 15, S. 115) fand ein Höhenfeuerwerk im Hafen von Damp statt.
Der nächste Fortbildungskongress in Damp wird am 28. und 29. März 2015 zum Thema „Der geriatrische Patient“ stattfinden.
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