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Die Seite 3
(Mit) Sachverstand wählen
Am Sonntag finden in Deutschland die Wahlen zum Europäischen Parlament (EP) statt – und dieses Mal ist einiges anders als bisher. Beispielsweise haben kleine Parteien eine deutlich größere Chance, einen der 96 deutschen Sitze zu ergattern, seit das Bundesverfassungsgericht im Februar auch die Drei-Prozent-Hürde für verfassungswidrig erklärt hat. Und erstmals gibt es europäische Spitzenkandidaten, den Konservativen Luxemburger Jean-Claude Juncker und den deutschen Sozialdemokraten Martin Schulz. Doch allen Umfragen zufolge werden die Europawahlen zum EP am Sonntag wohl nur relativ wenige Menschen in die Wahllokale locken.
Dabei gewinnt das EP immer mehr an Bedeutung. Zwar werden weiterhin viele Beschlüsse im Ministerrat und der Kommission gefällt, aber die Kompetenzen des Parlaments wurden in den letzten Jahren schrittweise ausgebaut, vor allem mit dem 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon. Die Kandidaten für den Posten eines EU-Kommissars müssen sich beispielsweise einer Anhörung vor dem Parlament stellen, auch Gesetzesvorhaben der Europäischen Kommission müssen vom Parlament abgesegnet werden – was dieses nicht immer tut, wie das Beispiel der EU-Saatgutverordnung zeigt. Diese umstrittene Richtlinie, die laut Kritikern das Ende vieler alter Nutzpflanzen bedeutet hätte, wurde vom EP im März abgelehnt.
Bedenkt man, welchen Einfluss Entscheidungen auf europäischer Ebene inzwischen haben, sollte die anstehende Europawahl nicht als unbedeutend abgetan werden. Zwar droht den deutschen Apotheken aktuell kein Ungemach aus Europa, wie es Anfang und Mitte der sogenannten Nuller-Jahre der Fall war. Doch sollte man sich davon nicht täuschen lassen. Wie schnell die von vielen abgeschriebenen „Liberalisierer“ wieder auftauchen können und welche verheerenden Auswirkungen das auf das Gesundheitssystem einzelner EU-Staaten haben kann, zeigt das Beispiel Griechenland in drastischer Klarheit.
Dabei darf eine Besonderheit des Europäischen Parlaments nicht vergessen werden: Da die „Regierung“ der EU, die Kommission, nicht vom Parlament gewählt wird, gibt es keine Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Dadurch können die Parlamentarier unabhängiger agieren, als dies beispielsweise Bundestagsabgeordnete tun, und ihr Sachverstand spielt eine größere Rolle. Umso wichtiger sind dieser Sachverstand und die politischen Ziele der Abgeordneten beziehungsweise der Parteien. Deswegen haben wir die gesundheitspolitischen Ziele der relevanten in Deutschland zur Wahl stehenden Parteien auf Seite 24 zusammengetragen.
Alles in allem eignet sich die Europawahl denkbar schlecht für eine „Denkzettel-Wahl“. Der Einfluss des EP auf Entscheidungen der EU, die am Ende auch die Apotheken, die Apotheker und die Patienten betreffen, ist viel zu groß, als dass man am kommenden Sonntag aus Protest eine Partei wählen sollte, mit deren Zielen man sich eigentlich nicht identifizieren kann.
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