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Arzneimittel und Therapie
Statine verringern Demenz-Risiko
Cholesterin-Biosynthese-Hemmer zukünftig auch gegen Demenz einsetzbar?
Statine gelten heute als Medikamente der ersten Wahl bei zu hohen Cholesterin-Blutwerten. Sie hemmen die Hydroxymethylglutaryl-CoA-Reduktase (HMG-CoA-Reduktase), ein wichtiges Schlüsselenzym im Biosyntheseweg von Cholesterin [1]. Neben der Senkung des Cholesterin-Spiegels haben Statine noch weitere Wirkungen, sogenannte pleiotrope Effekte. Hierzu zählen antiinflammatorische und antiatherogene Effekte sowie die vermehrte Bildung der NO-Synthase im Endothel, was eine Relaxation der Blutgefäße induziert und das Risiko zerebrovaskulärer Ereignisse, wie z.B. Schlaganfall, signifikant senkt. Die Wirkung der Statine im Gehirn, dem Cholesterin-reichsten Organ des menschlichen Körpers, unterscheidet sich von denen im Gewebe, da es sein gesamtes Cholesterin eigenständig und vollkommen unabhängig vom Stoffwechsel der Leber synthetisiert. Im Gehirn ist Cholesterin vor allem im Myelin, dem Isolationsmaterial der Nervenfasern, stark angereichert und ist weiterhin essenzieller Bestandteil neuronaler Membranen. Die Menge und Verteilung des Cholesterins bestimmt die Beweglichkeit eingelagerter Rezeptoren und Ionenkanäle innerhalb der Zellmembran und somit auch deren Funktionalität bei der Signalübertragung. Bei der pharmakologischen Bewertung der Statine müssen daher auch die Besonderheiten des Cholesterin-Stoffwechsels im Gehirn berücksichtigt werden. Jedoch existieren bislang nur wenige Daten zu den Effekten im ZNS [2].
Molekularbiologische Untersuchungen bestätigten bereits, dass Statine im Gehirn die Regulation von Genen verändern, die unter anderem bei der Zellkommunikation beteiligt sind oder der Apoptose entgegenwirken [3]. Aktuelle Daten legen zudem eine Schutzwirkung der Statine bei neurodegenerativen Demenz-Erkrankungen nahe. Die häufigste Form, die Alzheimer-Demenz, tritt meist bei älteren Menschen über 65 Jahre auf und wird durch eine fortschreitende Degeneration der Hirnrinde hervorgerufen, bei der bis zu 30% der Neuronen verloren gehen können. Die Symptomatik beginnt schleichend und unspezifisch und äußert sich in allgemeiner Konzentrationsschwäche und abnehmender Belastbarkeit, wobei mit zunehmender Dauer immer stärker ausgeprägte Gedächtnis- und Orientierungsstörungen eintreten, bis im letzten Stadium der Krankheit die Patienten komplett geistiger und körperlicher Pflege bedürfen. Mitverantwortlich für die Pathogenese dieser Erkrankung ist das Beta-Amyloid, ein toxisches Eiweißmolekül, das sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten ablagert und den Untergang von Nervenzellen provoziert. Neben den Effekten auf zelluläre Strukturen beschäftigt sich die aktuelle Forschung auch mit der ursächlichen Entstehung des neurotoxischen Peptids. Viele genetische Veränderungen, die zu dieser Erkrankung führen, steigern die Synthese des Beta-Amyloids. Dabei ist heute bekannt, dass Cholesterin in diesem Prozess eine wesentliche Rolle spielt. Studien an Zellkulturen sowie am Tier konnten zeigen, dass eine Verminderung von neuronalem Cholesterin in einer verringerten Bildung von Beta-Amyloid resultiert [4].
Je höher die Dosis der Lipidsenker desto geringer das Demenz-Risiko
Diesbezüglich veröffentlichten Forscher der Nationalen Universitätsklinik in Taipeh (Taiwan) im Journal of Internal Medicine erstmalig eine große, nationale Beobachtungsstudie, bei der die vielfältigen Effekte der Statine auf das Risiko einer Demenz hin untersucht wurden [5]. Nach Auswertung der Versichertendaten von einer Million älterer Patienten (mind. 65 Jahre) bestätigte sich eine protektive Wirkung der Statine für die Entwicklung einer degenerativen Demenz. In die Bewertung eingeschlossen wurden die Daten von knapp 60.000 Patienten ohne mentale Vorerkrankungen bzw. sonstiger Risikofaktoren. Nach Anpassung der personenbezogenen Daten wurden die Patienten entsprechend der verordneten Statindosis in drei Gruppen eingeteilt und mit Personen verglichen, die keine Therapie mit Lipidsenkern erhielten. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich über zwölf Jahre (1997–2010) in dem insgesamt 5516 Patienten an Demenz erkrankten. Unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes zeigte sich eine dosisabhängige Verringerung des Demenz-Risikos. Bei Patienten, die eine Statin-Therapie in hoher Dosis erhielten, lag die Wahrscheinlichkeit einer Demenz-Erkrankung um 22% niedriger, verglichen mit unbehandelten Patienten. Eine Subanalyse bestätigte zudem, dass potentere Statine wie Atorvastatin und Rosuvastatin auch einen höheren neuroprotektiven Effekt aufwiesen, als schwächer wirksame Substanzen.
Aus den pleiotropen Wirkungen der Statine erscheint deren präventive Wirksamkeit bei neurodegenerativen Erkrankungen zunächst nachvollziehbar. Das Auftreten der vaskulären Demenz, hauptsächlich verursacht durch Zerebralsklerose, kann durch die antiatherogenen Effekte der Statine verringert werden, da die vermittelte Vasodilatation die Blutversorgung des Gehirns optimiert und es damit vor Atherosklerose bewahrt. Inwiefern nun die Statine vor der bei älteren Patienten weit häufiger auftretenden Alzheimer-Demenz schützen, konnten die Autoren nicht eindeutig klären. Sie zeigen jedoch, dass der protektive Effekt mit der Potenz der Cholesterin-Spiegel-Senkung einhergeht. Damit wird eine Assoziation mit der Synthese toxischen Beta-Amyloids im ZNS bestätigt.
Darüber hinaus versuchen die Autoren das Auftreten der als seltene Nebenwirkung deklarierten neurokognitiven Beeinträchtigungen nach Einnahme von Statinen zu erklären. Abhängig von der Lipophilie der einzelnen Statine sind sie in unterschiedlichem Maße in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden sowie die neuronalen Cholesterin-Spiegel zu senken. Bei Erreichen eines kritischen Schwellenwerts der Cholesterin-Konzentration im ZNS können die typischen UAWs wie Gedächtnisstörungen und Verwirrungen auftreten, wodurch ein Medikationswechsel zu hydrophileren Mitteln indiziert wird.
Trotz der gezeigten protektiven Wirksamkeit gegen Alzheimer-Demenz bei älteren Patienten sehen Neurologen in den Ergebnissen bisher noch keinen Grund, Statine entgegen ihrer eigentlichen Indikation als Anti-Demenz-Mittel einzusetzen [6]. In Studien muss nun nachgewiesen werden, inwiefern Statine einer Degeneration der Neurone entgegenwirken. Und bestenfalls müssen neue kausale Therapiestrategien entwickelt werden, die auf die spezifische Beeinflussung der Cholesterin-Verteilung im Gehirn zielen.
Quelle
[1] Franke C et al. Cholesterinsenkung und mehr. Der Hausarzt (2004)14,60–61.
[2] www.zafes.de/news/index-statine-alzheimer.html
[3] Wood W et al. Is Hypercholesterolemia a Risk Factor for Alzheimer’s Disease? Mol. Neurobiol (2004)31,185–92.
[4] Kirsch C., et al. Statins affect cholesterol micro-domains in brain plasma membranes. Biochem. Pharmacol. (2003)65,843–856.
[5] Cho-Kai Wu et al. Statin use reduces the risk of dementia in elderly patients: a nationwide data survey and propensity analysis, JIM, (2014) DOI: 10.1111/joim.12262.
[6] www.dgn.org/pressemitteilungen/statine-und-kognition.html
1 Kommentar
Es gibt auch das Gegenteil
von C. Freytag am 24.07.2019 um 9:09 Uhr
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