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AMTS – eine genuin ärztliche Aufgabe?
Der 117. Deutsche Ärztetag lehnt E-Rezept und Online-Medikationsdatei ab
Letzte Woche kam das Ärzteparlament für vier Tage in Düsseldorf zusammen. Unter anderem ging es um die seit Jahren heiß diskutierte Telematikinfrastruktur und die mit dieser unmittelbar verbundenen eGK. In einer nun verabschiedeten Entschließung stellt der Ärztetag klar, dass die Verbesserung der medizinischen Versorgung bei der Entwicklung der Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen prägend sein müsse. Die Anwendungen müssten sich in die Abläufe in Praxis und Klinik einfügen und dürften nicht zu mehr Bürokratie führen. Neue ärztliche Leistungen – etwa das Anlegen eines Notfalldatensatzes – seien extrabudgetär zu vergüten und die ärztliche Schweigepflicht stets zu wahren. Ferner betonen die Ärzte in dieser Entschließung: „Eine Telematikinfrastruktur, die auf Zwang oder gesetzlichen Druck setzt, wird keinen Erfolg haben.“ Sie müsse vielmehr so angelegt sein, dass jeder Patient, jeder Arzt und jedes Ärztenetz sie nutzen könne, aber nicht nutzen müsse.
Dezentrale Speicherung alternativlos
In einer weiteren Entschließung weist der Ärztetag darauf hin, dass große über das Internet gespeicherte Datenmengen auf Dauer nicht sicher zu schützen seien. Eine dezentrale Speicherung dieser Daten sei daher alternativlos. In diesem Zusammenhang gibt es auch eine klare Forderung des Ärztetages, die sich auf die künftig geplante Speicherung von Arzneimitteldaten auf der eGK bezieht: Für individuelle Medikationsdaten dürfe keine zentrale Speicherung eingeführt werden. Ebenso dürfe es keine Diagnosedaten im Arzneimitteltherapiesicherheitskonzept geben. „Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) muss in der Hand der Ärzteschaft bleiben!“, heißt es in der Entschließung.
Ärzte müssen Neben- und Wechselwirkungen prüfen
Klarer wird diese Forderung durch eine weitere, aus Apothekersicht sehr ernüchternde, Entschließung. Schon ihr Titel lässt keine Zweifel offen: „Arzneimitteltherapiesicherheitsprüfung ist genuin ärztliche Aufgabe.“ Mit dem Antrag werden die von der eGK-Betreiberorganisation gematik geplanten Zusatztests für die Einführung einer zentralen Online-Medikationsdatei und die Speicherung von Patientendiagnosen abgelehnt. Zur Begründung führt das Ärzteparlament an, dass das E-Rezept „in allen Tests gescheitert“ sei und von den Ärztetagen abgelehnt wurde. Trotzdem wollten die Krankenkassen eine zentrale Online-Medikationsdatei. Die Ärzte halten dagegen: „Die Aufgabe der Ärztinnen und Ärzte ist die Prüfung der Arzneimittelneben- oder Wechselwirkungen“, heißt es in der Antragsbegründung. „Ausschließlich Haus-, Fach- und Klinikärzte können entscheiden, ob ein Medikament mit einer Neben- oder Wechselwirkung – bereits heute in den Computersystemen der Arztpraxen angezeigt – nach Abwägung der medizinischen Behandlungsnotwendigkeit trotzdem eingenommen oder ausgetauscht werden muss“.
Ein anderer Entschließungsantrag wird für die Apotheker leichter mitzutragen sein. Er betrifft Rabattverträge für Impfstoffe. Derartige Ausschreibungen lehnt der Ärztetag klar ab, da sie „zu unverantwortlichen Lieferschwierigkeiten geführt haben“. Diese wiederum gefährdeten die Primärprävention der Patienten in Deutschland. Außerdem werde die – ohnehin vorhandene – Impfmüdigkeit zusätzlich begünstigt. Unter diesen Rahmenbedingungen könnten vorgegebene Impfziele, wie beispielsweise die Elimination der Masern in Deutschland bis 2015, nicht erreicht werden.
Arzneimittelmissbrauch entgegenwirken
Handlungsbedarf sehen die Ärzte weiterhin beim Arzneimittelmissbrauch. Nach dem aktuellen Epidemiologischen Suchtsurvey weisen 4,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zwischen dem 18. und dem 64. Lebensjahr eine Medikamentenabhängigkeit auf – das sind 2,3 Millionen Menschen. Hinzu kommen 4,6 Millionen, die einen missbräuchlichen Medikamentenkonsum betreiben. Dies ist mehr als in früheren Erhebungen, heißt es in einer weiteren Entschließung des Ärztetags. Um diesem Trend entgegenzuwirken, fordern die Ärzte unter anderem, die Bevölkerung „intensiv und objektiv“ über Risiken einer längerfristigen Einnahme von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial aufzuklären. Das ist sicherlich ein Appell an sie selbst – doch die Begründung verweist auf Schwierigkeiten, die den Ärzten dabei begegnen: So könnten ärztliche Therapiebemühungen durch Arztwechsel oder die parallele Nutzung verschiedener Ärzte leicht unterlaufen werden. Zudem werde der größte Teil der eingenommenen Schmerzmittel (65%) inzwischen in Selbstmedikation erworben. Auch eine vereinfachte Verfügbarkeit von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial – z.B. über das Internet – befördere das Problem. Als weitere Maßnahme fordern die Ärzte, die Publikumswerbung für nicht-rezeptpflichtige Medikamente gegen Schlaflosigkeit, psychische Störungen oder Veränderungen der Stimmungslage generell zu verbieten. Bislang sieht dies das Heilmittelwerbegesetz für derartige Arzneimittel nur vor, wenn sie psychotrope Wirkstoffe enthalten (§ 10 Abs. 2 HWG).
Zudem forderte die Ärzteschaft ein Verbot von Alkoholwerbung. Die Regierung solle wesentliche Einschränkungen oder ein komplettes Verbot von Werbung für alkoholische Getränke durchsetzen. So könne darauf hingewiesen werden, dass vom Alkoholmissbrauch erhebliche Gefahren ausgehen. Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit sowie deren Folgen seien in Deutschland ein erhebliches Problem, so dass es – analog zum Verbot von Tabakwerbung – sinnvoll sei, einen ersten Schritt zur Einschränkung des Alkoholkonsums zu machen.
Auch E-Zigaretten wurden auf dem Ärztetag thematisiert. Es gebe zunehmend Literaturhinweise, dass die E-Zigarette zusätzlich zu tabakhaltigen Produkten konsumiert werde. Das Suchtverhalten würde damit stabilisiert – was insbesondere im Jugendalter nicht ungefährlich sei und zu negativen Langzeitsuchtbiografien führe. Daher sprachen sich die Delegierten für ein Verbot der Abgabe und Nutzung von elektrischen Zigaretten an beziehungsweise durch Minderjährige aus.
Ein weiterer Vorschlag ist der „Aufbau von Strukturen und Modellprojekten, die die AMTS in Praxis und Klinik sowie die multiprofessionelle Betreuung und Behandlung älterer und oftmals multimorbider, psychosozial belasteter Patienten verbessern können“. Ob sich die Apotheker hier mit angesprochen fühlen können, mag nach den vorherigen Entschließungen infrage zu stellen sein.
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