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Aus den Ländern
Besser vernetzt
3. Jahrestagung House of Pharma & Healthcare
„Forschung geht heute nur vernetzt“, machte Hessens Gesundheitsminister Stefan Grüttner in seinen Grußworten deutlich. Daher unterstützt die Politik die Initiative House of Pharma & Healthcare als Kommunikationsplattform, um Hochschulen, Forschungsinstitute und Pharmaindustrie zusammenzubringen, aber auch um andere Verbände und Organisationen im Gesundheitswesen einzubinden.
Neben der Vernetzung will das House of Pharma & Healthcare aber auch die gebündelte Expertise der Hochschule gegenüber der Pharmaindustrie sichtbar machen, wie Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident der Goethe-Universität Frankfurt, hervorhob. Die Unternehmen könnten über diese Plattform qualifizierte Mitarbeiter gewinnen, die dann passgenau in ein Unternehmen eintreten könnten.
Ziel aller Anstrengungen sei es, Arzneimittelinnovationen zu fördern und voranzubringen. Defizite gebe es beispielsweise im Bereich der Kinderarzneimittel. Außerdem, so Schubert-Zsilavecz, sei der Begriff der Innovation heute nicht allein am Arzneistoff festzumachen, sondern am Arzneimittel selbst. Das bedeute, dass es durchaus sinnvoll sei, nach Fortschritten in der Galenik, bei Darreichungsformen für bekannte Wirkstoffe zu suchen.
Die USA sei Europa mit der Entwicklung von Innovationen voraus, weil dort früher als hier ein Schulterschluss zwischen der Grundlagenforschung an der Hochschule und der pharmazeutischen Industrie stattfand. Schubert-Zsilavecz: „Das wünsche ich mir auch für Hessen.“
Auch der Präsident der Goethe-Universität, Prof. Dr. Werner Müller-Esterl, stellte dem House of Pharma & Healthcare ein gutes Zeugnis aus: „Es ist auf dem Weg zu einem Erfolgsmodell.“ Vor allem die Vernetzung mit Forschungseinrichtungen wie dem Zentrum für Arzneimittelforschung, Entwicklung und Sicherheit (ZAFES) und dem Fraunhofer-Institut, die Einbindung in die Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) fördere die intensive Vernetzung von Wissenschaft, außeruniversitärer Forschung und Wirtschaft.
Auch der Mittelstand profitiert
Begeistert von der Idee des House of Pharma & Healthcare zeigte sich Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Hessen sei ein starker Pharma-, Diagnostik- und Medizintechnikstandort. Die Landesregierung habe diese Initiative daher von Anfang an unterstützt. In Hessen, Deutschlands stärkstem Pharmastandort, werde auf höchstem Niveau geforscht und produziert. Ein Viertel des deutschen Pharmaumsatzes werde in Hessen erwirtschaftet. Um diese Stellung zu erhalten und für die Zukunft zu sichern, aber auch um Arbeitsplätze und den Wohlstand zu erhalten, sind Innovationen unverzichtbar, so Bouffier. Es gelte aber auch, die gewonnenen Erkenntnisse in neue Produkte und Dienstleistungen zu übertragen. Die Vernetzung von Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, die in Hessen mit den „Houses of …“ schon Tradition habe, schaffe die notwendige Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis, was vor allem in der Pharmaforschung von großer Bedeutung sei. „Was hier an Innovationen entsteht, sollte schnell den Weg in neue Produkte finden“, so Bouffier. Über Vernetzungen, wie sie das House of Pharma & Healthcare knüpft, könne auch der Mittelstand der Pharmaindustrie profitieren und die Chance erhalten, sich im großem Umfeld weiterzuentwickeln.
Auch Schrittinnovationen sind sinnvoll
Eine Podiumsdiskussion befasste sich mit der Frage, welche Innovationen das Gesundheitssystem braucht und wie diese zu finanzieren sind. Die Teilnehmer waren sich einig, dass es einen großen Bedarf an der Weiter- und Neuentwicklung von Arzneimitteln gibt. Peter Albiez, Geschäftsführer der Pfizer Pharma GmbH, stellte heraus, dass Innovationen vor allem die Therapie verbessern müssen. Deutschland sei stark in Forschungspatenten, aber bei der Übertragung von Forschungsergebnissen in die Praxis gebe es noch Nachholbedarf. Eine bessere Kooperation und Vernetzung könne dabei helfen. Albiez rechtfertigte zudem die Entwicklung von Schrittinnovationen. Oft sei der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse nicht der beste Wirkstoff. Nachfolgepräparate, die zum Teil nur kleine Molekülvariationen zeigen, trügen dazu bei, Nebenwirkungen zu reduzieren, und sie brächten eine größere Anwendungssicherheit.
Für eine bessere Zusammenarbeit mit Patienten plädierte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Pharmaverbands VFA. Aber auch neue Wege in der Zusammenarbeit zwischen großen Unternehmen und kleineren Forschungsinstituten seien notwendig: „Gedankenaustausch erzeugt Mehrwert“, so Fischer, nicht immer sei mehr Geld notwendig. Fischer sieht Chancen in der stratifizierten Therapie: „Heute werden Krankheiten behandelt, in Zukunft Patientengruppen.“
Auch das Thema Nutzenbewertung kam zur Sprache: Prinzipiell sei dies eine richtige Entwicklung, meinte der Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Rehmann, ob das Verfahren allerdings so komplex und kompliziert sein müsse, sei fragwürdig. Die Industrie brauche eine gewisse Investitionssicherheit. Außerdem, so ergänzte Fischer, sei die Nutzenbewertung in Deutschland auf Kosten ausgerichtet, was innovationsfeindlich sei.
Ist Europa wettbewerbsfähig?
Wie wettbewerbsfähig ist eigentlich der Pharmastandort Europa? Eine Frage, mit der sich eine weitere Diskussionsrunde auf der Jahrestagung des House of Pharma & Healthcare befasste. Prof. Dr. Alexander Verl, Vorstand Technologiemarketing und Geschäftsmodelle der Fraunhofer-Gesellschaft, sieht ein Dilemma darin, dass eine Lücke besteht zwischen Ausgaben für Forschung und Entwicklung und dem Output an innovativen Arzneimitteln. In Deutschland sei man gut aufgestellt beim Finden von Wirkstoffen und bei den klinischen Prüfungen der Phase I und II. Bei der Umsetzung hin zum innovativen Arzneimittel schlagen vor allem die hohen Kosten zu Buche.
Für die Entwicklung eines innovativen Arzneistoffes sind heute 1 bis 1,5 Milliarden Euro anzusetzen. Dennoch liegt Europa bei der Zahl der Zulassung neuer Wirkstoffe immer noch vor den USA, und dies, obwohl dort pharmazeutische Innovationen auch durch eine öffentlich finanzierte Forschung unterstützt werden. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Expertenkommission Forschung und Innovation die Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung, die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapitalfirmen, die Steuerbefreiung von Veräußerungserlösen, wenn sie wieder in die Unternehmen investiert werden, und generell mehr Planungssicherheit für Pharma- und Biotechfirmen.
Dass in Deutschland die Forschungskultur vonseiten der Politik nicht gefördert wird, beklagte Prof. Dr. Gregor Schulz, Vorstandsvorsitzender der Biotest AG. Genehmigungen für klinische Forschungsvorhaben zögen sich wegen Überlastung von Behörden in die Länge. Für kleine Firmen wäre es wichtig, wenn Venture-Kapital für die Innovationsförderung zur Verfügung stünde. Amerikanische Firmen brächten, vollkommen legal, Gewinne aus Europa in Steuerparadiesen unter und könnten damit weitere große Projekte finanzieren – Möglichkeiten, die deutschen oder europäischen Firmen nicht offenstünden.
Besonders der Mittelstand leide unter mangelnder Forschungsförderung, gab Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), zu bedenken. Zudem machten AMNOG-Auswirkungen wie das Preismoratorium und der Zwangsrabatt sowie die Festbeträge zu schaffen. Er könne sich auch eine steuerliche Forschungsförderung vorstellen.
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