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Thema Typ-1-Diabetes
Immer noch kein Zuckerschlecken
Typ-1-Diabetes bleibt eine therapeutische Herausforderung
Der Begriff „Diabetes mellitus“ umfasst eine Gruppe heterogener metabolischer Störungen, welche alle durch ein gemeinsames Merkmal gekennzeichnet sind: eine chronische Hyperglykämie. Während der Diabetes Typ 2 großenteils auf einer Insulinresistenz (vermindertes Ansprechen des Organismus auf Insulin) beruht, liegt die Ursache des Typ‑1-Diabetes in der progredienten Zerstörung der Insulin-produzierenden Beta- oder B-Zellen in den Langerhans-Inseln des Pankreas. Die Folge ist ein absoluter Insulinmangel.
Laut Angaben der Deutschen Diabeteshilfe sind von den rund sechs Millionen Diabetikern in Deutschland etwa fünf Prozent vom Typ 1 betroffen, also etwa 300.000 Menschen. Im Jahr 2011 waren 30.000 von ihnen Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren, wobei die Jungen zahlreicher waren als die Mädchen. Ein Diabetes Typ 1 entwickelt sich gewöhnlich bis zum 25. Lebensjahr – mit einem Neuerkrankungsgipfel im Alter von zehn bis 15 Jahren. Da sich die Erkrankung aber auch später erstmalig manifestieren kann, ist die frühere Bezeichnung „juveniler Diabetes“ nicht (mehr) adäquat.
Wie der Typ 2 wird auch der Typ‑1-Diabetes in Deutschland immer häufiger. So ist die Neuerkrankungsrate von Kindern und Jugendlichen in den letzten 20 Jahren um rund 3,5 bis 4,5 Prozent pro Jahr gestiegen.
Chronischer Immunprozess
Pathogenetisch werden derzeit zwei Subtypen des Diabetes Typ 1 unterschieden:
- Typ 1a, die immunologisch bedingte Form: Hier zerstört ein chronischer, immunvermittelter Prozess, der mittels verschiedener serologischer Marker nachgewiesen werden kann, nach und nach die B-Zellen. Die entsprechenden Antikörper kommen unterschiedlich häufig vor. Beispielsweise finden sich in 60 bis 80 Prozent der Fälle Antikörper gegen den Zink-Transporter 8 der B-Zellen (ZnT8). Altersabhängig ist das Vorkommen der Insulinautoantikörper (IAA): Je jünger die Patienten bei der Manifestation des Typ‑1-Diabetes sind, desto wahrscheinlicher werden IAA nachgewiesen – jedoch bereits bei etwa 17-Jährigen liegt die Prävalenz unter 20 Prozent. Auch Antikörper gegen die Inselzellen selbst wurden identifiziert, sie erscheinen bei 60 bis 90 Prozent der Betroffenen.
- Typ 1b, die idiopathische Form: Hier können weder Marker eines Autoimmunprozesses nachgewiesen werden, noch finden sich andere Ursachen der B-Zell-Zerstörung. Diese Diabetesform ist in Europa eher selten.
Genetische Faktoren spielen, soweit bisher bekannt, nur beim Diabetes Typ 1a eine Rolle. So zeigen etwa zehn Prozent der Erkrankten eine positive Familienanamnese und mehr als 90 Prozent die humanen Leukozyten-Antigene (HLA) DR3 und/oder DR4, die für den Typ‑1-Diabetes charakteristisch sind. (Bestimmten Krankheiten lassen sich bestimmte hHLA zuordnen, sodass ihre Bestimmung ein diagnostisches Kriterium darstellt.)
Die Klassifikation des Typ‑1-Diabetes umfasst auch die seltene Form des LADA (Latent Autoimmune Diabetes in Adults). Obwohl hier ebenfalls Typ‑1-spezifische Antikörper nachgewiesen werden können, manifestiert sich der LADA klinisch wie der Typ‑2-Diabetes, in der Regel ohne eine plötzliche Stoffwechselentgleisung. Das liegt daran, dass beim LADA über Jahre eine Restfunktion der B-Zellen erhalten bleibt.
Häufiges Wasserlassen, starker Durst
Wenn etwa 80 Prozent aller B-Zellen zerstört sind, kommt die Insulinproduktion endgültig zum Erliegen, und die Blutzuckerwerte steigen an. Bei Typ‑1-Diabetikern sind die Symptome gewöhnlich stärker ausgeprägt als bei Typ‑2-Diabetikern und entwickeln sich relativ schnell innerhalb von einigen Tagen bis wenigen Wochen. Die Krankheit lässt sich anhand folgender Beschwerden erkennen:
- Häufiges Wasserlassen (Polyurie): Wenn aufgrund der Hyperglykämie die Transportkapazität für Glucose im proximalen Nierentubulus überschritten ist (sog. „Nierenschwelle“), verbleibt osmotisch aktive Glucose im Tubulus und verhindert die Wasserrückresorption. Daher nimmt das Urinvolumen zu (osmotische Diurese).
- Durch den Wasserverlust leiden die Betroffenen unter einem starken Durstgefühl, das eine gesteigerte Flüssigkeitszufuhr zur Folge hat (Polydipsie).
- Wasserverlust sowie Fettabbau (zur Energiegewinnung) führen zu ungewolltem Gewichtsverlust; allgemeine Beschwerden sind rasche Ermüdbarkeit und Leistungsminderung.
- Durch die Störung des Wasser- und Elektrolythaushaltes kommt es zu Wadenkrämpfen und Sehstörungen (durch den wechselnden Turgor der Augenlinse).
- Häufig leiden Diabetiker auch an Hauterscheinungen wie Pruritus (oft genitoanal), bakteriellen oder Pilzinfektionen (z.B. Candidamykose) oder Rubeosis diabetica (Gesichtsrötung). Im Gegensatz zu diesen Hauterscheinungen zeigt die beim Diabetiker auch nicht selten vorkommende Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) keine Korrelation zum Blutzuckerwert.
Notfall Ketoazidose
Ein Teil der Betroffenen zeigt zunächst überhaupt keine Symptome. Bei 15 bis 25 Prozent von ihnen führt erst das Auftreten einer diabetischen Ketoazidose zur Diagnose eines manifesten Diabetes mellitus Typ 1. Hierbei handelt es sich um eine Stoffwechselentgleisung, die biochemisch definiert ist durch
- einen Blutglucosewert > 250 mg/dl (cave: international unterschiedliche Grenzwerte),
- eine Ketonurie oder Ketonämie (durch verstärkte Bildung von Ketonkörpern wie Acetoacetat),
- eine metabolische Azidose mit einem arteriellen pH-Wert < 7,35 und Serumhydrogencarbonat-Wert < 15 mmol/l.
Leitsymptome sind ein rascher Beginn, Zeichen der Exsikkose mit Kollapsneigung, Tachykardie, langsame und tiefe Atemzüge (Azidose- oder Kussmaul-Atmung) mit Acetongeruch der Ausatemluft, eventuell auch Bauchschmerzen (diabetische Pseudoperitonitis). Im Extremfall kann sich durch eine massive Exsikkose ein lebensbedrohlicher Zustand entwickeln: kardiovaskulär durch einen Volumenmangelschock, renal durch ein akutes Nierenversagen. Andere mögliche Komplikationen sind Thromboembolien, Infarkte, Hirnödem und Koma. Therapeutisch steht zunächst die Kreislaufstabilisierung durch Volumengabe im Vordergrund. Die nächsten Schritte bestehen darin, langsam den Blutglucosespiegel zu normalisieren (niedrig dosierte Zufuhr von Normalinsulin über Perfusor) und hierbei den Kaliumspiegel „hochnormal“ zu halten. Erst wenn der pH-Wert unter 7,0 gesunken ist, wird die Azidose mit Natriumhydrogencarbonat beseitigt.
Spätfolgen durch Gefäßschädigung
Die meisten diabetischen Spätfolgen beruhen auf Schädigungen der Blutgefäße. Man unterscheidet eine unspezifische Makroangiopathie von einer diabetesspezifischen Mikroangiopathie (s. Tab. 1).
- Bei der Makroangiopathie ist das Risiko für atherosklerotische Gefäßwandveränderungen erhöht (Ursache ist u.a. die bei Insulinmangel gesteigerte Lipolyse). Betroffen sind in der Regel größere Arterien wie die Herzkranzgefäße und die Hals- und Hirn- und Beinarterien.
- Zur diabetischen Mikroangiopathie kommt es u.a. durch die Glykierung von Proteinen der Gefäßwand mit nachfolgender Endothelschädigung. Diese manifestiert sich an kleinsten bzw. sogenannten Endstromgefäßen, beispielsweise in den Nierenglomeruli oder in der Netzhaut.
Um mögliche Spätfolgen rechtzeitig zu entdecken, sollte sich der Patient ab einer Erkrankungsdauer von fünf Jahren verschiedenen Kontroll- und Früherkennungsuntersuchungen unterziehen. Ist noch keine Folgeerkrankung eingetreten, sollten diese Untersuchungen wenigstens einmal pro Jahr stattfinden (s. Kasten).
Cave Spätschäden! Kontrollen helfen bei der Früherkennung
Diabetische Folgeschäden können sehr belastend, bisweilen auch lebensbedrohlich sein. Um die Frühstadien zu erkennen, sollten Diabetiker ihren Arzt wenigstens einmal pro Jahr zu gezielten Kontroll- oder Früherkennungsuntersuchungen aufsuchen. Folgende Tests und Untersuchungen sind sinnvoll:
- Bestimmung der Albumin-Kreatinin-Ratio und Berechnung der glomerulären Filtrationsrate der Niere (→ diabetische Nephropathie)
- Binokulare Kontrolle des Augenhintergrunds bei weitgestellten Pupillen (→ diabetische Retino- oder Makulopathie)
- Neurologische Anamnese und Untersuchung, ggf. mit Gefäßdoppler (→ diabetische Neuropathie, Verschlusskrankheit von Hals-/Hirngefäßen)
- Anamnese und Untersuchung der unteren Extremität, ggf. mit Gefäßdoppler (→ pAVK, diabetisches Fußsyndrom)
- Kardiovaskuläre Anamnese und Untersuchung, ggf. mit Belastungs-EKG, Echokardiografie (→ koronare Herzkrankheit, arterielle Hypertonie, gestörter Herzrhythmus)
- Bestimmung der Blutlipide (→ Fettstoffwechselstörungen)
Erstdiagnose: Patienten meist jung und schlank
Bei klinischen Verdachtsmomenten wird der Arzt in der Regel den Nüchternblutzuckerspiegel (NBZ) im venösen Plasma bestimmen. Der diagnostische Richtwert für Diabetes mellitus liegt bei ≥126 mg/dl (≥7,0 mmol/l) und sollte durch eine wiederholte Messung verifiziert werden. Als „Blutzuckergedächtnis“ der zurückliegenden acht Wochen gilt der HbA1c-Wert – eine durch Glykierung des Hämoglobins entstandene Ketoamin-Form, deren c-Unterfraktion mit 70 Prozent am stärksten vertreten ist. Bei HbA1c-Werten ≥6,5% kann man von einer manifesten Diabeteserkrankung ausgehen. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung des Typ‑1- vom Typ‑2-Diabetes ergibt sich in den meisten Fällen anhand des jungen Alters, des schlanken Phänotyps und des Beschwerdemusters des Patienten, dennoch sollten hierzu verschiedene Kriterien hinterfragt werden (s. Tab. 2).
Die Messung der Glucose im Urin und der orale Glucosetoleranztest (oGTT) finden in der klinischen Routine in der Regel nicht (mehr) statt. Letzterer dient dem Nachweis einer gestörten Glucoseverwertung: Nach Messung des NBZ nehmen (erwachsene) Patienten eine Testlösung mit 75 g Glucose ein. Ist die Insulinsekretion ungenügend oder besteht eine Insulinresistenz, verläuft der Rückgang der BZ-Konzentration verzögert (Messung nach 120 min).
Biomarker
Beweisend im Sinne von Biomarkern ist der Antikörpernachweis: Am häufigsten finden sich Antikörper gegen Glutamat-Decarboxylase (GADA), aber auch Antikörper gegen Insulin (IAA), Insel-assoziiertes Antigen (IA-2A) und Zink-Transporter (ZnT8). Die Insulinproduktion der B-Zellen lässt sich anhand des C-Peptids messen, das vom primären Peptid Proinsulin abgespalten wird und dessen Konzentration direkt mit dem Insulinspiegel korreliert.
Aufwendig und kein Bestandteil der Routinediagnostik ist der Nachweis von Inselantigen-spezifischen autoreaktiven T-Zellen (vor allem die CD4+- und CD8+-T-Zellen), die an der Zerstörung der Langerhans-Inseln beteiligt sind.
Lebenslange Insulintherapie
Bei Menschen mit Typ‑1-Diabetes ist die sofortige und lebenslange Substitution des fehlenden Insulins indiziert, flankiert durch die Komponenten Schulung, Ernährung und psychosoziale Betreuung. Zur Insulinersatztherapie stehen derzeit in Deutschland zwei Substanzgruppen zur Verfügung, Humaninsuline und Insulin-Analoga (s. Tab. 3). Bei den Letzteren wurde die Aminosäurensequenz des Insulins an einzelnen Stellen verändert, um Wirkeintritt und -dauer zu variieren und für die individuellen Anforderungen zu optimieren. Tatsächlich konnte mehrmals nachgewiesen werden, dass die Gabe von Insulin-Analoga zu einer im Tagesverlauf gleichmäßigeren Senkung des Blutzuckerspiegels führt.
Als Therapieziel sollte in der Regel ein HbA1c-Wert unter 7,5% angestrebt werden, auch bei Kindern und Jugendlichen. Wenn es unter der entsprechenden Therapie zu schweren Hypoglykämien kommt, empfiehlt es sich, den HbA1c-Zielwert vorübergehend anzuheben. Einerseits ist dieser Zielwert nicht als starre Vorgabe anzusehen, sondern als Kompromiss zwischen Risiko (Hypoglykämie), Nutzen (Risikoreduktion hinsichtlich Spätfolgen) und der Compliance des Patienten. Andererseits ist zu beachten, dass auch bei Kindern und Jugendlichen ein schlecht eingestellter Diabetes frühzeitig zu Nieren- und Herz-Kreislauf-Komplikationen führen kann. Daher hat die amerikanische Diabetesgesellschaft (ADA) in einem aktuellen Positionspapier die bisherigen altersadaptierten HbA1c-Zielwerte aufgegeben und fordert nun einheitlich <7,5%.
Basis plus Bolus – mit Spritze oder Pumpe
Behandlungsstandard sollte eine sogenannte intensivierte Insulintherapie sein. Die intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) ist gekennzeichnet durch
- die „Basisversorgung“ mit einem Verzögerungsinsulin oder langwirksamen Insulin-Analogon und
- prandiale (mahlzeitenbezogene) Bolusgaben eines Normalinsulins oder kurzwirksamen Insulin-Analogons, wobei sich die einzelnen Dosen nach dem präprandialen Blutzuckerwert und den Kohlenhydraten in der Mahlzeit richten.
Dagegen wird bei der kontinuierlichen subkutanen Insulininfusion (CSII) mittels Insulinpumpe ein kurzwirksames Insulin oder Insulin-Analogon sowohl für die Basisversorgung als auch für den prandialen Bedarf eingesetzt. Die prandiale Bolusgabe ruft der Patient (wie bei der ICT) vor dem Essen ab, nachdem er mit einem externen Messgerät manuell seinen aktuellen BZ gemessen hat („open-loop-system“), denn die gängigen Insulinpumpen besitzen keinen automatischen Glucosesensor.
Unter einer CSII ist der Insulinbedarf meist um 30 bis 50 Prozent niedriger als unter einer ICT. In einer aktuell vorgestellten schwedischen Studie konnte gezeigt werden, dass Typ‑1-Diabetiker, die mit einer Insulinpumpe versorgt sind, ein um 29 Prozent geringeres Sterberisiko aufweisen als Patienten, die „sich spritzen“.
Als nachrangige Therapieoption ist die einfache konventionelle Insulintherapie anzusehen. Hier werden sowohl die Insulindosis als auch die Art und Abfolge der Mahlzeiten verbindlich vorgegeben. Eine befriedigende BZ-Einstellung erreicht man beispielsweise durch ein Regime von drei Injektionen pro Tag: morgens Mischinsulin – mittags Normalinsulin – abends Mischinsulin.
Wenn alte, behinderte und/oder kognitiv eingeschränkte Patienten den Anforderungen an eine intensivierte Insulintherapie nicht gerecht werden können, muss diese Variante durchgeführt werden.
Lipohypertrophie und Hypoglykämie
Eine lokale Nebenwirkung der subkutanen Insulininjektion ist die Lipohypertrophie, eine tastbare Verdickung des Fettgewebes um die Einstichstelle. Da sie die Insulinresorption vermindert, darf hier kein Insulin mehr appliziert werden. Um die Ausbildung einer Lipohypertrophie zu vermeiden, sollte die Einstichstelle konsequent gewechselt werden.
Weitaus gefährlicher ist die Hypoglykämie als Folge einer absoluten oder relativen Insulinüberdosierung. Letztere kann beispielsweise auftreten, wenn der Patient wegen einer interkurrenten Erkrankung weniger Nahrung zu sich nimmt. Ein häufig verwendeter Grenzwert für eine Hypoglykämie ist ein Blutzuckerspiegel unter 50 mg/dl. Die Symptome reichen von
- allgemeinen Beschwerden wie Heißhunger, Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbruch, erhöhte Atem- und Herzfrequenz bis zu
- zentralnervösen Symptomen wie Tremor, Koordinationsstörungen, Doppelbildersehen, Verwirrtheit, Somnolenz, Automatismen wie Schmatzen und Grimassieren, Krämpfe, zentrale Atem- und Kreislaufschwäche und Koma.
Die Therapie der akuten Hypoglykämie hängt von ihrem Schweregrad und vom Zustand des Patienten ab (s. Tab. 4). Eine aktuelle randomisierte Studie ergab, dass bei Patienten, die statt Humaninsulin Insulin-Analoga wie Insulin aspart und Insulin detemir anwendeten, die Zahl schwerer Hypoglykämien um 29 Prozent sank.
Andere (auch kommende) Therapieoptionen
Bei diabetischen Sekundärkomplikationen, vor allem einer Nephropathie, aber auch bei häufigen lebensbedrohlichen Hypoglykämien kann eine Pankreastransplantation indiziert sein. Je nach Konstellation wird nur die Bauchspeicheldrüse verpflanzt oder aber eine Niere und das Pankreas simultan. Bei hohem operativem Risiko besteht in Einzelfällen die Alternative einer Inselzelltransplantation aus der Bauchspeicheldrüse eines Organspenders.
Inzwischen wurde bei einem Diabetes-Typ‑1-Patienten auch ein künstliches Pankreassystem in Form einer kleinen flachen Kammer implantiert, in der Inselzellen unter kontrollierter Sauerstoffversorgung und ohne Immunsuppression ein Jahr lang zuverlässig Insulin produzierten.
Ein anderer neuer Ansatz richtet sich gegen die für den Typ‑1-Diabetes typische Immunreaktion. Mit einem „reversen“ DNA-Impfstoff gelang es amerikanischen Wissenschaftlern, bei betroffenen Patienten die Produktion von Restinsulin zu erhöhen. Dieser Impfstoff enthält die (leicht abgewandelten) Gene der Insulinvorstufe Proinsulin. Dadurch dass die Proinsulin-spezifischen CD8+-T-Zellen ständig mit größeren Mengen des Antigens konfrontiert werden, gewöhnen sie sich daran und tolerieren es schließlich, sodass die gegen die B-Zellen gerichtete Immunreaktion unterbleibt.
Literatur
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[8] Roep BO, et al. Plasmid-Encoded Proinsulin Preserves C-Peptide While Specifically Reducing Proinsulin-Specific CD8+ T Cells in Type 1 Diabetes. Sci Transl Med 2013;5:191ra82
Autor
Clemens Bilharz ist Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und zusätzlich als wissenschaftlicher Fachzeitschriftenredakteur ausgebildet. Er ist als Autor und Berater für Fachverlage und Agenturen tätig.
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