Arzneimittel und Therapie

Selbstmanagement nützt Risikopatienten

Hypertoniker können ihre Medikation selbstständig anpassen

Erstmals wurde ein Selbstmanagement bei multimorbiden Hypertonikern untersucht. Dazu erhielten Hochrisikopatienten entweder die übliche medikamentöse Therapie, oder sie wurden geschult und mit individuellen Algorithmen ausgestattet, anhand derer die Medikation von ihnen selbst angepasst wurde. Nach zwölf Monaten waren die systolischen und diastolischen Blutdruckwerte dieser Gruppe niedriger als in der Kontrolle.

In der TASMINH-2-Studie (Telemonitoring and Self-Management in Hypertension 2) konnte 2010 gezeigt werden, dass nach einem Jahr des Selbstmonitorings und Selbstmanagements einer antihypertensiven Medikation durch die Patienten der systolische Blutdruck um 5,4 mmHg reduziert werden konnte im Vergleich zur üblichen verordneten medikamentösen Therapie allein. Allerdings waren in dieser Studie nur wenige multimorbide Patienten vertreten. Deshalb wurde jetzt in einer Folgestudie diese Gruppe eingehender untersucht. Hierfür rekrutierten Hausärzte Hypertoniker mit mindestens einer der folgenden Diagnosen: Schlaganfall oder transiente ischämische Attacke, Diabetes, chronische Niereninsuffizienz Stadium 3 (GFR 30 bis 59 ml/min/m2), koronarer Bypass, Herzinfarkt oder Angina pectoris mit schlecht eingestelltem Blutdruck (> 145 mmHg systolisch). Bettlägerige und unheilbar kranke Patienten sowie solche, die von Spezialisten behandelt wurden oder nach Meinung des Hausarztes ungeeignet waren, wurden ausgeschlossen. Nach Ausschluss derjenigen, deren Blutdruck unter 130/80 mmHg oder über 180/100 mmHg lag, die aufgrund von Demenz nicht zum Selbstmonitoring fähig waren, an orthostatischer Hypotonie litten, in den letzten drei Monaten einen akuten kardiovaskulären Vorfall hatten, schwanger waren, mehr als drei Antihypertensiva nahmen oder bereits an der Vorgängerstudie teilgenommen hatten, wurden 555 Patienten in zwei Gruppen randomisiert.

  • Die Gruppe mit der üblichen Therapie ließ von ihrem Hausarzt den Blutdruck und die vorhandene Medikation überprüfen. Danach wurden Blutdruckmessungen oder Änderungen der Therapie allein vom Hausarzt vorgenommen.
  • Die Teilnehmer der Selbstmanagement-Gruppe erhielten eine Patientenschulung (zwei bis drei Sitzungen von je einer Stunde Dauer) zur Blutdruckmessung und zum Umgang mit einem individuellen Drei-Stufen-Plan zur Erhöhung oder Ergänzung der eingenommenen Antihypertensiva. Die Patienten führten in der ersten Woche jedes Monats morgens zwei Messungen durch. Wenn vier oder mehr Werte in den Messwochen von zwei aufeinanderfolgenden Monaten über dem Ziel von 120/75 mmHg lagen, musste die Medikation entsprechend dem Plan geändert werden. Hierfür wurde ein Formular vom Patienten an die Praxis geschickt. Bei sehr hohen (> 180 mmHg) oder sehr niedrigen (< 100 mmHg) Messwerten oder wenn alle drei Stufen ausgeschöpft waren, setzte sich der Patient mit seinem Arzt in Verbindung. Die Auswahl der Arzneimittel oblag dem Hausarzt.

Als primärer Endpunkt galt die Differenz beim systolischen Blutdruck zwischen der Selbstmanagement-Gruppe und der Gruppe unter ärztlicher Medikation nach zwölf Monaten.

Nach sechs und zwölf Monaten wurden die Teilnehmer in der Praxis untersucht. Es zeigte sich nach sechs Monaten ein um 5,5 mmHg niedrigerer systolischer Blutdruck in der Selbstmanagement-Gruppe; der diastolische Blutdruck lag 2,7 mmHg tiefer. Nach zwölf Monaten war dieser Unterschied noch deutlicher, mit einer Differenz von 8,8 mmHg in der Systole und 3,1 mmHg in der Diastole.

In beiden Gruppen stieg die verordnete Tagesdosis, in der Interventions-Gruppe um 0,91 definierte Tagesdosen, in der Kontroll-Gruppe um 0,41 zusätzliche Tagesdosen. Trotzdem konnte kein signifikanter Unterschied in Art oder Häufigkeit auftretender Nebenwirkungen und in der Lebensqualität festgestellt werden.

Die Autoren werten die Studie als Beleg dafür, dass auch kardiovaskuläre Hochrisikopatienten mit moderatem Schulungsaufwand in der Lage sind, ihren Blutdruck selbst zu kontrollieren und die Medikation gegebenenfalls anzupassen. Die niedrigeren Blutdruckwerte in der Selbstmanagement-Gruppe entsprechen laut systematischen Analysen aus anderen Studien einer ca. 30%igen Reduktion des Schlaganfallrisikos. Gerade bei Hypertonikern mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen, die schlecht eingestellt sind, sollte daher über ein Selbstmanagement nachgedacht werden.

Quelle

McManus RJ, Mant J, Bray EP et al. Telemonitoring and self-management in the control of hypertension (TASMINH2): a randomised controlled trial. Lancet. 2010;17;376:163–172 doi: 10.1016/S0140-6736(10)60964-6

McManus RJ et al. Effect of Self-Monitoring and Medication Self-Titration on Systolic Blood Pressure in Hypertensive Patients at High Risk of Cardiovascular Disease – The TASMIN-SR Randomized Clinical Trial. JAMA 2014;312(8)799–808

Nilsson PM, Nystrom FH. Self-titration of Antihypertensive Therapy in High-Risk Patients – Bringing It Home. JAMA 2014;312(8)795–796

 

Apothekerin Sarah Katzemich

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