Gesundheitspolitik

2015 – Darf’s ein bisschen mehr sein?

Andreas Kaapke wagt den Ausblick

Der Apotheken-Ökonom

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Darf’s ein bisschen mehr sein? Mehr Pharmazie? Unbedingt. 2015 gilt es, die im Perspektivpapier angesprochenen Themen Punkt für Punkt abzuarbeiten, indem diese konkretisiert, spezifiziert und fokussiert werden. Das zweifelsfrei inspirierende Papier benötigt nun die Hinwendung zur flächendeckenden Umsetzbarkeit und zur nachhaltigen Finanzierbarkeit. Wer bezahlt dafür: der Staat, die Kassen oder die Privatpersonen?

Mehr Pharmazie! Ja, eben durch das Medikationsmanagement, das aber noch einen Geburtsfehler hat. In der einfachsten Umschreibung, was es soll und kann, nämlich die strukturierte Analyse der aktuellen Gesamtmedikation eines Patienten wie von der ABDA auf deren Internetseite beschrieben, löst ­diese Formulierung bei normalen Nichtpharmazeuten Verwunderung aus. Ach, das macht ihr noch gar nicht? Ach, dafür soll ich gesondert bezahlen? Die Vielschichtigkeit und Komplexität des Medikationsmanagements, also die Kommunikation, was es ist, für wen es gedacht ist und was es wirklich kann, ist noch nicht zufriedenstellend erfolgt – und solange das Paket nicht sicher geschnürt ist, kann es auch nicht verschickt werden. Und das beinhaltet eben auch symbolisch formuliert die ­adäquate Frankierung. Wer kauft schon die Katze im Sack? Hier liegt eine wichtige Aufgabe für die Standesführung, die entsprechenden Erläuterungen knapp, präzise und für die anzusprechende Zielgruppe attraktiv zu formulieren und damit eine begründete Preisvorstellung in die Diskussion zu werfen. Hier ist Fingerspitzengefühl angezeigt, denn die Politik mag an Apothekern eines gar nicht: die stets aufgehaltene Hand; die Haltung, zuerst wissen zu wollen, was man ­dafür bekommt, noch bevor die Leistung klar umrissen ist. Deshalb muss der Nutzen so sauber herausgearbeitet werden, dass er allen Beteiligten klar wird und ist. Der Aufwand, der damit verbunden ist, muss so transparent und auch lauter dargestellt werden, das er einleuchtend und opportun erscheint. Von einer detaillierten Definition jedenfalls ist die Internetseite der ABDA noch weit entfernt, mit Verlaub!

Doch können alle Apotheken dieses Mehr an Pharmazie? Diese ­Frage muss gestellt werden dürfen. Sind alle zu diesem vermeintlichen heilsbringenden Baustein in der Lage und welches Qualitätsniveau ist dabei anzustreben? Ist das Qualitätsniveau „ausreichend“ aus dem Schuldeutsch anzustreben, das zur Versetzung aber nicht zur Reputation reicht, oder dann doch „sehr gut“ und „gut“, die zu Recht als Prädikat bezeichnet werden? Soll das Medikationsmanagement die deutsche Apotheke wieder neu im Bewusstsein von Politik, Kassen und Bevölkerung zu positionieren helfen, bedingt dies ein flächendeckendes Angebot. Bedingt aber das flächendeckende Angebot auch, dass alle Apotheken es anbieten (können) oder nur ausgewählte Apotheken, damit eben das Prädikat vorherrscht und nicht nur das Ausreichende? Das Medikationsmanagement allen aufzubürden, wird auf einem hohen Niveau nicht funktionieren, und dann ist das Medikationsmanagement mit hoher Sicherheit zum Scheitern verurteilt. Hier werden Lösungsmuster zu stricken sein, die alle befriedigen, ohne den Eindruck einer Zweiklassen-Apothekerschaft zu manifestieren.

Mehr Pharmazie! Ja, in einer noch fundierteren Beratung, mit hoher Beratungsqualität, aber auch in der Darstellung der Kompetenz durch z. B. eine einzigartige Rezepturherstellung. Hier heißt es sich von den DMs, Rossmanns und Co. dieser Welt noch stärker abzugrenzen und sich nicht ihnen anzubiedern. Und das heißt, die Spezifika der Apotheke zu leben und nicht kurzatmig zu umgehen versuchen.

Und mehr Ökonomie? Unbedingt! Die Honorierungsfrage muss in 2015 wieder und wieder gestellt werden. Nicht mit dem zwingenden Wunschergebnis, mehr Fix­honorar zu bekommen, sondern um zuallererst drei Dinge zu erreichen: (1) die verbriefte regelmäßige Verhandlung über die Honorierung z. B. alle zwei Jahre; (2) die eindeutig definierte Leistung, die für das Fixhonorar zu erbringen ist und (3) die klare Festlegung, für welche Leistungen darüber hinausgehende Vergütungen zu beziehen sind und die von Politik und Apothekerschaft gemeinsam vorgenommene Berechnung, was ein tatsächlich mindestens kostendeckendes, noch besser mit einem Gewinnaufschlag versehenes Honorar für diese Zusatzleistungen sein könnte.

Und auf einzelbetrieblicher Ebene: Mehr Ökonomie? Na klar! Das Arbeiten mit Kennzahlen muss mehr denn je Pflicht sein, die Steuerung des Betriebs muss auch unangenehme Wahrheiten in eine daraus ableitbare Konsequenz münden lassen. Was sich nicht rechnet, muss auf den Prüfstand und muss, wenn nicht ökonomischen Zielen, zumindest außerökonomischen Zielen wie Bekanntheit oder Image dienen, die ihrerseits den ökonomischen Zielen Nahrung geben.

Es wird 2015 nicht darum gehen können, ob mehr Pharmazie oder mehr Ökonomie angezeigt ist, also eher Heilberufler oder Kaufmann. Die Offizin-Apotheker und ihre Lobbyisten werden 2015 von beidem mehr erbringen müssen: mehr Pharmazie, aber eben auch mehr Ökonomie! |

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