Management

Kritik des Lobens statt Kunst des Lobens

Wann Sanktionen notwendig sind – wie Strafen richtig eingesetzt werden – wie Sie individuelle Maßstäbe entwickeln

Das Lob ist bei der Mitarbeiterführung nicht immer der ­Königsweg: Zuweilen sind auch negative Sanktionen erlaubt und erforderlich. Ein eindeutiges Fehlverhalten auf Mitarbeiter­ebene darf nicht schöngeredet werden. Wie soll man als Chef vorgehen, wenn man konstruktiv mit Sanktionen arbeiten will?

Sanktionierung als Führungsinstrument

Sanktionen sind als Führungsinstrument verpönt – dabei kann wohl jeder Vorgesetzte Führungssituationen benennen, in denen es zielführend gewesen wäre, mit ihnen zu arbeiten. Der Führungstrainer Lothar Stempfle aus Erlenbach bei Heilbronn (www.stempfle-training.de) ist der Meinung, dass ­dieses Führungsinstrument in den Führungsköcher der modernen Führungskraft gehört. „Kommt es auf Seiten eines Mitarbeiters zu Grenzüberschreitungen, darf der Apothekenleiter nicht auf die Suche nach dem Positiven gehen und lediglich versuchen, das positive Haar in der Suppe zu finden. Bei eindeutigen Misserfolgen oder auch Fällen wie Mobbing und dem Spinnen heftiger Intrigen, die auf eindeutiges Fehlverhalten des Mitarbeiters zurückgehen, muss er das Verhalten sanktionieren.“

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Letzte Warnung! Doch dieser muss dann auch eine Sanktion folgen. Sonst reizt der „Übeltäter“ den Rahmen immer weiter aus.

Lob und Anerkennung – überschätzte ­Führungs­methoden?

Es gibt zig Motivationsbücher, in denen die Kunst des Lobens mit der ultimativen Lobhudelei geadelt wird. Eigentlich dürfte es in ­Unternehmen und auch Apotheken keine Motivationsprobleme geben, weil jede Führungskraft ein ­Experte auf dem Feld des produktiven Feedbacks, der lobenden Rückmeldung und der motivierenden Anerkennung sein müsste. Nur: Jeder weiß, dass es sich nicht so verhält.

Eventuell ist der Chef es selbst schuld, dass seine anerkennenden Worte nicht die gewünschte Wirkung zeitigen, weil er zu pauschal lobt und ohne richtige Begründung. Vielleicht jedoch ist die Sachlage eine ganz andere: Vielleicht wird das lobende Feedback in seiner Auswirkung fahrlässig überschätzt. Es ist an der Zeit, einmal einen kritischen Blick hinter die Lob-Kulissen zu werfen und sich mit einigen unliebsamen (Lob-)Wahrheiten zu beschäftigen.

Lob und Anerkennung sind die stärkste Motivation, die wir geben können – so heißt es. Aber es gibt nun einmal unterschiedliche Mitarbeitertypen: Der antriebsschwächere Mitarbeiter benötigt mehr Anerkennung als der selbstsichere Kollege, der über ein hohes Maß an Eigenmotivation verfügt. Hier darf der Apotheker die Mitarbeiter nicht über einen Kamm scheren. Vielmehr sollte er die Lob-Dosierung stets auf die individuelle ­Situation und die Mentalität und Persönlichkeit des jeweiligen ­Mitarbeiters abstimmen.

Ähnliches gilt für andere heilige Kühe der Mitarbeitermotivation, etwa das „Führen mit Zielen“: „Ziel erfüllt – Anstrengungen ­zurückfahren!“ Mitarbeiter überspringen dann die Ziele-Messlatte, um ihre Bemühungen einzustellen. Es stellt sich heraus: Das Ziel war viel zu niedrig angesetzt. ­Ärgerliche Folge: Ziel erreicht – und trotzdem verloren.

Nicht jeder Mitarbeiter reagiert so, aber doch einige. Darum ist es zuweilen besser, auf qualitative Ziele zu setzen und diese (zu) „hoch zu hängen“, um dem Mitarbeiter eine permanente Anstrengungsleistung abzufordern. Allerdings: Wer es wagt, den Begriff „permanente Anstrengungsleistung“ auch nur in den Mund zu nehmen, dem droht die unbarmherzige Kritik durch die Anhänger des Führens durch Loben. Lothar Stempfle sagt dazu: „Eben diese Tugendwächter der Streicheleinheiten-Führungslehre sind es, die es vehement ablehnen, überhaupt darüber nachzudenken, ob nicht auch Sanktionen bei der Mitarbeiterführung zum Einsatz gelangen dürfen.“

Negative Sanktionen sind zuweilen zielführend

Entscheidend ist die Verabschiedung des Glaubens an die Allmacht des Lobens und Anerkennens, die allein zu besseren Mitarbeiterleistungen führen würden. Stempfle nennt das Beispiel „Verkehrsregeln“: Geschwindigkeitsüberschreitung und Falschparken – die meisten Menschen begehen diese Gesetzwidrigkeiten wissentlich. Dabei kommt es zu einem fatalen Effekt: Je öfter es gut geht, desto mehr ­positive Verstärker für dieses Fehlverhalten erhalten wir. Erst wer in Flensburg ganz oben in der Punkte­tabelle steht, fährt bewusst im Rahmen der Gesetzgebung.

Übertragen auf das Thema „Führung“ heißt das: Je öfter ein krasses Fehlverhalten nicht spürbar sanktioniert wird, desto größer die Gefahr, dass der Mitarbeiter – zum Beispiel – seine Intrigenspiele fortsetzt.

Darum sollte jeder Chef hin und wieder sein Führungsverständnis hinterfragen und gegebenenfalls ändern. Er muss nicht Everybody’s Darling sein und auf der Beliebtheitsskala ganz oben stehen. Wenn ihn die Analyse eines Fehlverhaltens zu dem Ergebnis führt, der Mitarbeiter habe eine Grenze überschritten, bringt er dies unmissverständlich zum Ausdruck: „Ich dulde nicht, dass Sie über die Stränge schlagen!“

Stempfle gibt zu bedenken: „Ansonsten erweitern Mitarbeiter ihre Freiräume und nutzen diese immer mehr aus. Demotivierender Nebeneffekt: Die Ehrlichen sind die Dummen – Mitarbeiter, die sich an den Grenzsetzungen orientieren, fühlen sich verulkt, wenn sie sehen, dass der Grenzüberschreiter ohne Sanktionen durchkommt, während ihr regelkonformes Verhalten nicht anerkannt wird.“

Handlungsrahmen setzen und klar formulieren

Damit der Einsatz der Sanktionen zu konstruktiven Ergebnissen führt, sollten Vorgesetzte laut ­Lothar Stempfle einige Regeln ­beachten:

  • Der Chef, die Chefin setzt klare Handlungsrahmen, innerhalb derer sich die Mitarbeiter autark bewegen können.
  • Wer den Rahmen verlässt, muss mit Sanktionen rechnen.
  • Der Vorgesetzte definiert, ab wann eine Überschreitung des Handlungsrahmens vorliegt. Der Grund: Die Mitarbeiter wollen die Kriterien, nach denen der Chef negative Sanktionen ausspricht, natürlich nachvollziehen können. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Sanktionssystem von den Mitarbeitern akzeptiert wird und die vom Chef erwünschten Verhaltensveränderungen nach sich zieht.

Individuelle Sanktions-­Maßstäbe entwickeln

Vielleicht fordert jetzt so mancher Apothekenleiter mehr Konkretheit ein: „Um welchen Handlungsrahmen genau geht es denn?“ Stempfles Antwort: Objektive Sanktionsmaßstäbe gibt es kaum, außer bei eindeutigen Verstößen wie etwa Mobbing oder fahrlässiges Verhalten dem Kunden gegenüber. Diese Fälle sind zu zweifelsfrei, als dass man darüber diskutieren müsste. Entscheidend sind die Zwischenräume, die Grautöne.

Der Chef steht in der Verantwortung, für diese Zwischenräume den Handlungsrahmen zu definieren. Er muss die Vorgehens- und Verhaltensweisen, die die Mitarbeiter während ihrer Arbeit an den Tag legen, beobachten und feststellen, zu welchen Ergebnissen und Resultaten diese Handlungen führen, um dann eine Bewertung vorzunehmen:

  • Bei positiven Abweichungen ist weiterhin das Lob als Verstärker angebracht.
  • Im umgekehrten Fall ist die unmittelbare und für alle sichtbare Sanktionierung der Weg, der doch noch zum Ziel führt. Und zwar zu dem Ziel, dem Mitarbeiter zu verdeutlichen, dass er sich außerhalb des erlaubten Rahmens bewegt.

Fazit

Wer Führung ernst nimmt, muss ein System einführen, das Leistung belohnt und Verweigerung und offensichtliche Fehlleistungen sanktioniert. Effektive Führung setzt Leitplanken und gibt Orientierung, unter welchen konkreten Umständen Handlungen tolerabel sind und wann mit Sanktionen zu rechnen ist. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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