Management

Work-Life-Blending statt Work-Life-Balance

Immer mehr Menschen vermischen Berufliches und Privates statt es zu trennen

Motivation durch das Gleichgewicht zwischen Arbeit und ­Leben – das ist nicht mehr zeitgemäß. Denn Work-Life-Balance verfestigt den künstlichen Gegensatz zwischen den Lebens­bereichen Arbeit und Leben. Seit einiger Zeit geht der Trend zum „Blend“ (engl. Mischung, Gemisch): Anstatt eine Balance von Arbeit und Leben herstellen zu wollen, vermischen Chefs wie Angestellte die beiden Bereiche sinnvoll – das ist Work-Life-Blending.

Vor einigen Jahren sorgte der Work-Life-Balance-Ansatz für ­Furore: Die Mitarbeiter und Führungskräfte sollten sich ihrer jeweiligen Lebensbereiche bewusst werden und sie in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander setzen. Es wurde dafür plädiert, mithilfe von Selbstmanagementstrategien die Bereiche Gesundheit, Job/Arbeit, Familie/Freunde, Partnerschaft/Privatleben sowie (Lebens-)Sinn/Spiritualität auszubalancieren. Dieser Ansatz sah die Arbeit als Minus-Pol, der als Belastung definiert wird und als Energieräuber die Ressourcen eines Menschen auffrisst, während das Private als Plus-Pol gesehen wurde, der als Inspirationsquelle und Fundament der Weiterentwicklung dient. Aber diese Lebensbereiche lassen sich selten so sauber von­einander trennen. Wie sollte das auch aussehen? Jeweils drei Stunden am Tag für die einzelnen Lebensbereiche, vielleicht ein wenig mehr für die Arbeit in der Apotheke?

Foto: blickkick – fotolia.com

... Blending gelingt, wenn der Feierabend nicht die Sehnsucht des Tages ist und Arbeit als wichtiger Baustein für ein mit Sinn erfülltes Leben gesehen wird.

Trend zum Blend

Work-Life-Blending hingegen heißt: Die Lebensbereiche werden nicht länger als Gegensätze verstanden, sondern „Work“ und „Life“ vermischen und ergänzen sich vielmehr.

Das Konzept des Work-Life-Blending macht Schluss mit diesem Gegensatz der Pole Leben und Arbeit – zum Beispiel: Während des Kindergeburtstages des Filius führt der Apotheker das wichtige Telefonat mit dem Mitarbeiter, weil dieser eine wichtige Frage hat. Und der Apotheker nimmt sich die Freiheit, berufliche Termine so zu legen, dass er am Mittwochnachmittag die Ballettaufführung der Tochter besuchen kann.

Natürlich hat ein Apothekenleiter bessere Möglichkeiten zum Blend als der Mitarbeiter. Dieser muss mit dem Chef absprechen, welche Optionen es gibt und inwiefern es möglich ist, private Angelegenheiten während der Arbeitszeit zu erledigen oder „mal zwischendurch“ die Apotheke zu verlassen, um das Fußballspiel des Sohnes mitzuverfolgen. Aber wenn sich Apotheker und Mitarbeiter vertrauen, ist es möglich, dass auch die Mitarbeiter das Konzept des Work-Life-Blending verwirklichen.

Die Rolle der modernen Kommunikationsmedien

Wobei hinzukommt: Der Trend zum Blend ist auch deswegen nicht aufzuhalten, weil es gerade für die jüngeren Mitarbeiter, die mit den modernen Kommunikationsmedien aufgewachsen sind, zu den Selbstverständlichkeiten gehört, Privates-Persönliches und Berufliches zu vermischen. Für sie gehört es zur Normalität, auch nach Feierabend eine E-Mail des Chefs zu beantworten. Gleichzeitig wollen sie auch während der Arbeitszeit private Mails checken dürfen. Natürlich: Das darf nicht während des Kundengesprächs ­geschehen, aber eventuell doch dann, wenn der Mitarbeiter etwas im Backoffice zu tun hat.

Apotheker, die selbst Work und Life miteinander kombinieren wollen, werden gewiss gemeinsam mit den Mitarbeitern Möglichkeiten finden und Spielregeln aufstellen können, die den Mitarbeitern den Blend erlauben, ohne dass die Arbeit in der Apotheke darunter leidet.

Das Ende des Privatlebens?

Dabei stellt sich die Frage, ob Apotheker, die den Mix zwischen Arbeit und Leben realisieren möchten, auf ihr Privatleben verzichten wollen. Die Karrierecoachin Stefanie Demann zeigt in ihrem Buch „Selbstcoaching für Führungskräfte“ (Gabal Verlag), wie der Blend gelingen kann und argumentiert: „Nein, das bedeutet nicht, dass sie kein Privatleben mehr haben. Sie haben es nur anders. Wenn sie auf dem Laufband ein Gedankenblitz für das aktuelle Kundenprojekt trifft, winken sie nicht ab, sondern nutzen ihn, auch wenn sie nicht in der Apotheke sind. Weil es sie erfüllt, etwas Sinnvolles zu tun. Sie trennen soziale Netzwerke im Internet nicht mehr nach beruflichen und privaten Kontakten. Sehen sie etwas beruflich Nützliches, teilen sie es, auch wenn sie schon Feierabend haben. Weil es ihnen sinnvoll erscheint. Und sie werfen auch einen Blick auf Nachrichten, die sie außerhalb der Apotheke und nach Feierabend erreichen.“

Arbeit als Baustein eines sinnerfüllten Lebens

Menschen, die in ihrer Arbeit Sinnerfüllung sehen und suchen, bezeichnet Demann als Selbstcoacher, für die der Blend keine Belastung ist, sondern eine Wohltat. Menschen, die ihr Leben als Selbstcoacher in die eigenen Hände nehmen, suchen aktiv nach Möglichkeiten, das Berufliche in das Privatleben zu integrieren und das Privat-Persönliche in den beruflichen Kontext einzubetten. Für sie ist der Feierabend nicht die Sehnsucht des Tages und der Sommerurlaub nicht das Highlight des Jahres. Denn sie betrachten die Arbeit nicht als fremdbestimmtes Tun gegen Bezahlung, sondern als einen wichtigen Baustein für ein mit Sinn erfülltes Leben. Darum fokussieren sie sich auf Ergebnisse – und der Weg dorthin darf durchaus abwechslungsreich und spannend sein und sogar Spaß machen. Sicher ist dabei: Work-Life-Blending setzt einen Bewusstseinswandel voraus, in dessen Gefolge die Mauer zwischen Arbeit und (Privat-)Leben immer unschärfer und schließlich aufgehoben wird.

Prioritäten setzen statt überlasten

Trotzdem birgt Work-Life-Blending die Gefahr der Selbstausbeutung. Während des Joggens neue Strategien der Kundenansprache ausbaldowern, unter der Dusche den Gesprächsleitfaden verfeinern, sich zu Hause kurz für eine Stunde aus dem Familiengeschehen ausklinken, um die Agenda für die morgige Teambesprechung in der Apotheke zu erarbeiten – das kann auch belastend sein. Darum sollte man fähig sein, entschlossen Prioritäten zu setzen.

Selbstcoacher fragen sich ständig, was in welcher Lebenssituation wichtig ist und was nicht. Und sind dann in der Lage, beim Überschwappen des beruflichen Bereichs in den privaten Bereich auch einmal konsequent Nein zu sagen, um sich auf das Hier und Jetzt, auf das Familiengeschehen oder das Gespräch mit Freunden und Partner zu konzentrieren. Die Agenda und der Gesprächsleitfaden müssen warten – jedoch nicht bis zum nächsten Arbeitstag, sondern bis zur nächsten freien Stunde im Privatleben.

Fazit

Die Trennlinie zwischen Arbeit und (Privat-)Leben wird immer unschärfer – das gilt insbesondere für Menschen, die zwischen den Faktoren „Arbeit“ und „Leben“ nicht differenzieren wollen und deswegen keine Balance zwischen den Lebensbereichen anstreben, sondern vielmehr einen Mix.

Work-Life-Blending erfordert ein Umdenken auf vielen Ebenen und von allen Beteiligten. Apothekenleiter, die das Konzept für sich nutzen, sollten zugleich erkennen, dass es Vorteile für sie hat, wenn sie auch den Mitarbeitern gestatten, den Blend zu kreieren und das Privatleben in das Berufsleben hinüberschwappen zu lassen. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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