Management

Der große Sprung

Erste Schritte beim beruflichen Aus- und Umstieg

Über kurz oder lang merkt manch eine Apothekerin*, dass dieser Beruf nicht oder nicht mehr das Richtige für sie ist. Rechtzeitig neu anfangen heißt dann die Devise, denn ein zu langes Zögern kostet nur Zeit und Kraft. Das neu zu findende Arbeitsfeld kann noch mit der Apotheke verbunden sein oder in einer ganz anderen Welt liegen.

Irgendwann merken Sie, dass Sie nicht das Leben führen, das Sie führen wollten. Das muss nicht zwangsläufig mit Ihrem (falschen) Beruf zusammenhängen. Nicht jede berufliche Unzufriedenheit muss gleich mit einem Wechsel der Arbeitsstelle oder gar der Branche beantwortet werden. Oft genug gibt es auch in der aktuellen Lage Einiges, was man ändern könnte, ohne gleich ganz auszusteigen. Wichtig aber: Zögern Sie nicht, sondern setzen Sie die Veränderungen, unter ­Umständen mithilfe eines Coachs, schleunigst um.

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Ist mein Leben für mich ok? Von Zeit zu Zeit kann eine Bestandsaufnahme Wunder wirken. Und vielleicht steht dann ein beruflicher Wechsel an ...

Anders sieht die Situation aus, wenn Sie sich klar darüber sind, dass Ihre momentane Tätigkeit Sie ganz und gar nicht mehr befriedigt oder ausfüllt. Hier gibt es zwei Varianten: Entweder möchten Sie sich stärker als bisher einem Teilgebiet der Pharmazie zuwenden oder einen völlig anderen Beruf ergreifen. Wie gehen Sie vor?

Die Basis: was stimmt jetzt nicht?

Machen Sie sich klar, was es ­eigentlich ist, das Ihnen nicht (mehr) gefällt: Die Arbeitszeiten, das Gehalt, die Inhalte? Haben sich Ihre Werte und Wünsche geändert? Wenn es zum Beispiel die Kollegen sind, die Sie nicht mehr aushalten, brauchen Sie keinen neuen Beruf, sondern eine neue Apotheke, bzw. anders denkendes Personal oder andere Persönlichkeiten im Team. Wichtig ist bei diesem Prozess: Seien Sie ehrlich zu sich selbst, nur so finden Sie den richtigen Weg.

Einen radikaleren Wechsel, bis hin zu einem völlig neuen Beruf, sollten Sie ernsthaft in Betracht ziehen, wenn Ihre bisherige Tätigkeit bei Ihnen eine der großen Lebensängste auslöst, von denen der Motivationspsychologe Marc Stollreiter in seinem Buch „Act big“ spricht:

  • Ihre Lebenszeit zu vergeuden.
  • Immer nur eine Rolle spielen und niemals wirklich Sie selbst sein.
  • Ihre Lebensaufgabe nicht zu ­erkennen, geschweige denn zu erfüllen.
  • Nicht mehr in den Spiegel sehen können, weil Sie gegen Ihr eigenes Gewissen verstoßen.
  • Sich leer fühlen, weil Sie zu ­wenig Liebe, Freiheit, Glück und Freuden erleben.

Welche Fähigkeiten haben Sie?

Wenn Sie sich für einen beruflichen Wechsel entschieden haben, müssen Sie klären, was Sie besonders gut können. Beachten Sie ­dabei den Unterschied zwischen Kompetenzen und Talenten. Erstere haben Sie genauso erworben, wie Sie sich zukünftige erschaffen können, Letztere stecken schon in Ihnen. Das ist etwas, das Sie mit Leichtigkeit ausüben, das ­Ihnen Freude bringt und das Sie jederzeit wiederholen können, ­einfach so. Es sind oft Tätigkeiten, bei denen wir Raum und Zeit vergessen und bei denen wir uns ­dauerhaft und ohne Mühe konzentrieren können.

Es ist gut möglich, dass Sie noch unbekannte Fähigkeiten in sich entdecken. NIE hätte ich als junge Frau gedacht, dass ich als freie ­Autorin für die Deutsche Apotheker Zeitung schreiben kann! Aber irgendwann war es so weit. Seien Sie wach für eigene Intuitionen und Rückmeldungen anderer, die Sie zum Thema „In welchem Beruf könntest Du Dir mich noch vorstellen und wo absolut nicht?“ interviewen. In seinem Arbeitsheft zum Thema Talente gibt Xavier Cornette de Saint Cyr den Tipp, auch seine Schwächen zu erkennen: In Ihrem neuen Berufsfeld sollten diese eine möglichst untergeordnete Rolle spielen. Es lohnt sich, sich ausgiebig mit dem ­Thema Talente zu befassen, Sie finden dadurch gezielter zu Ihrer neuen Tätigkeit.

„Nicht den Tod sollte man fürchten, sondern dass man nie beginnen wird, zu leben.“

Marcus Aurelius

Werte weisen den Weg

Bei der Berufswahl sind jedoch nicht nur die Fähigkeiten wichtig, sondern auch die persönlichen Werte. Laut Marc Stollreiter stellen sie ethische Grundbedürfnisse dar. Wie wichtig sind Ihnen zum Beispiel Sicherheit und Freiheit? Gesundheit? Freude am Tun? Das Wohlbefinden anderer Menschen? Manche Werte beeinträchtigen sich etwas untereinander, meist empfindet man einen als noch wichtiger als den anderen. Ihre neue berufliche Tätigkeit muss zu Ihren Werten passen, sonst ist die nächste Unzufriedenheit vorprogrammiert.

An die Finanzen denken!

Absolut nicht zu vergessen beim Verlassen des goldenen Käfigs: Haben Sie ein finanzielles Polster? Hiermit hängt auch die Frage zusammen, ob die berufliche Neuorientierung nur ein Ausflug sein oder ob das nun zu Findende Ihr Herz bis zur Rente erfreuen können muss.

Oft bietet sich die Möglichkeit, eine neue Aufgabe berufsbegleitend zu beginnen, gerade als Apothekerin ist Teilzeit zu arbeiten eine Option. Manchmal aber ist es angebracht, den großen Schritt zu wagen und ganz in das neue Nass zu springen. Ob es warm oder kalt ist, werden Sie dann sehen – und kühl kann auch erfrischend sein!

Konkret sollten Sie klären, ob Sie selbstständig oder als Angestellte arbeiten wollen. Alleine oder mit jemandem, der zusammen mit Ihnen den Neubeginn wagt, Finanzen und Kompetenzen mitbringt, die sich mit Ihren ergänzen?

Hier ein Hinweis zu Reaktionen Ihres Umfelds, wenn Sie sich ­umorientieren wollen: Gehen Sie nicht danach, was Sie sollen, ­sondern danach, was Sie wollen.

Es wird bei jeder (!) Richtung, in die Sie sich begeben, Menschen geben, die das für wunderbar ­halten und andere, die Sie als ­vollkommen übergeschnappt ­titulieren.

Wie sieht der Markt aus?

Wenn Sie sich außerhalb der ­Apotheke mit einer Geschäftsidee selbstständig machen wollen, sollten Sie unbedingt prüfen, wie der Markt dafür aussieht. Oft denken wir „Es gibt doch schon alles“ und werden doch ständig eines Besseren belehrt: Wieder jemand mit ­einer tollen Geschäftsidee, der Erfolg hat, weil er eine Marktlücke entdeckte. Ob klassisch oder neu: Betreiben Sie Recherchen ob Ihrer Chancen! Neben Mut und Fähigkeiten brauchen Sie auch Vertrauen, Wohlwollen und Geduld mit sich.

Träumen – und realistisch sein ...

… diese beiden Eigenschaften gehören gleichermaßen zum Findungsprozess. Wenn Sie zum Beispiel tagträumen, in welcher Situation sehen Sie sich? Was tun Sie dann und was empfinden Sie dabei? Welche Tätigkeiten tauchen immer wieder auf? Variieren Sie sie, wenn Sie phantasieren oder ­etwas dazu malen oder aufschreiben, was fühlt sich am besten an? Behalten Sie zunächst auch Unsinn im Sinn und filtrieren Sie schließlich alles durch den Filter aus Realismuspapier: was kommt nun noch unten raus? Für Ihre liebsten, aber noch oben hängenden Ideen, dürfen Sie ein Lösungsmittel hineingeben und unten schnell eine neue Schale unter­stellen. Das Lösungsmittel heißt: Unter welchen Umständen könnte es DOCH gelingen? Wie schaffe ich diese Umstände und mit ­wessen Hilfe?

Nun bitte die Analyse fertigkochen und das Schönste weiterverarbeiten!

Anregungen für die Suche nach Ihrer neuen Aufgabe finden Sie unter anderem in Aussteigerbüchern, die auch typische Fehler aufzeigen. In einer Sinnkrise kann der Roman von Robin Sharma über die geheimen Briefe des Mönches helfen (s. Literatur). Hier wird deutlich, dass „letztlich nicht das zählt, was wir geschafft haben, sondern das, was dabei aus uns geworden ist“.

Denken Sie auch an die Möglichkeit eines Sabbatjahres oder wenigstens einiger Sabbatmonate, wenn Sie noch nicht wissen, wo es hingehen soll. Hier können Sie entweder gar nichts tun, zu Hause renovieren, auf Reisen gehen und sich jeweils dabei Gedanken machen oder ein paar Praktika absolvieren und die dort arbeitenden Menschen gründlichst beobachten und befragen. Wenn Sie Apothekenleiterin sind, sollten Sie ihre Pläne frühzeitig mit der Aufsichtsbehörde klären, vor allem ob während Ihrer Abwesenheit eine Verwaltung der Apotheke durch eine Ihrer angestellten Approbierten möglich ist. Diese hätte dabei die Gelegenheit, in die Selbstständigkeit „hineinzuschnuppern“. Falls Sie angestellt sind, fragen Sie Ihre Chefin, ob Sie Ihnen den Arbeitsplatz reserviert oder suchen sich einen neuen, wenn Sie entscheiden, doch weiterhin als Apothekerin zu arbeiten – bei der aktuellen Apothekerinnenknappheit stehen Ihre Chancen bei beiden Varianten nicht so schlecht.

„Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“

Demokrit

Wenn es an die Umsetzung geht, bedenken Sie auch Hindernisse, Rückschläge und dergleichen, nicht um zu verzagen, sondern um darauf gefasst zu sein und gut reagieren zu können. Zeiten der Einsamkeit, Ablehnung, Leere, Kraftlosigkeit, Ängste und des Zweifels sind normal, wenn man sich ins Neuland begibt. Planen Sie auch realistisch, was das Thema Zeit angeht, sowohl bei dem, was Sie an Arbeit leisten können als auch, was erste Ergebnisse angeht.

Es ist besser, zu scheitern als es nicht versucht zu haben! |

Ute Jürgens

Ute Jürgens ist PTA und Diplom-­Pädagogin für Erwachsene. Sie ist ­Seminartrainerin im Bereich Kommunikation mit Spezialisierung auf Heilberufler, www.kommed-coaching.de, info@kommed-coaching.de

Literatur

Xavier Cornette de Saint Cyr: Das kleine Übungsheft – Verborgene Talente ent­decken.Trinity Verlag

Robin Sharma: Die geheimen Briefe des Mönches, der seinen Ferrari verkaufte.Pattloch Verlag

Marc Stollreiter: Act big! Campus Verlag

Barbara Wietasch: Global Management: ein Tanz mit den Eisbergen – Klarkommen mit fremden Welten oder: Warum ein Auslandsknigge Sie nicht weiterbringt. Verlag Linde International

* Da die überwiegende Anzahl der Apothekenmitarbeiter weiblich ist, schreibe ich in der weiblichen Form. Männliche Kollegen dürfen sich gerne mit angesprochen fühlen.

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