DAZ aktuell

„Es wird falsch und irreführend informiert“

foodwatch kritisiert TTIP-Desinformationskampagne

BERLIN (jz) | Die Verbraucherorganisation foodwatch fordert, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA zu stoppen. Zudem wirft sie den Befürwortern eine Fehl- und Desinformationskampagne vor: Es werde falsch und irreführend über TTIP informiert. „Eine so breit angelegte Desinformationskampagne wie bei TTIP habe ich noch nie erlebt. Das Muster ist stets dasselbe: Die Chancen des Abkommens werden aufgebauscht, die Risiken geleugnet oder verschwiegen“, ärgert sich foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode, der seine Kritik nun in einem Buch festgehalten hat („Die Freihandelslüge: ­Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet“).

Im Kapitel „Die Demontage der Vorsorge“ verweist der foodwatch-Gründer auf ein „herausragendes europäisches Rechtsprinzip mit Verfassungsrang“, das Vorsorgeprinzip. Es gilt unter anderem im Gesundheitsschutz und spiegelt einen Kompromiss zwischen den Schutzinteressen von Mensch und Umwelt einerseits und den Wirtschaftsinteressen andererseits. Während die Amerikaner in weiten Teilen dem Nachsorgeprinzip folgen, muss ein Unternehmen in ­Europa, wenn es ein neues Produkt auf den Markt bringen will, zuvor die Unschädlichkeit nachweisen.

Vorsorgeprinzip verteidigen!

„Man kann das Vorsorgeprinzip als Zeichen für Angsthasentum verunglimpfen“, schreibt Bode – seiner Meinung nach haben die Europäer aber „allen Grund, das Vorsorgeprinzip selbstbewusst zu verteidigen“.

Das sollte seiner Meinung nach auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn. Bode bezieht sich auf ­einen Blog-Eintrag des Gesundheitspolitikers, in dem dieser Warner und Kritiker „quasi zu Angsthasen, Nörglern und Antiamerikanern“ ­abstempele. Spahn fragt seine Leser unter anderem: „Was würdet ihr ­lieber essen? Ein ‚Antibiotika-Huhn‘ oder ein Chlorhuhn?“ Seine Antwort – eine Kennzeichnungspflicht wäre das Beste, so könnte jeder entscheiden, was er essen wolle – ist aus Sicht des Verbraucherschützers entlarvend und eine politische Bankrotterklärung. Übersetzt bedeute das nämlich, so Bode, dass der Verbraucher nur noch die Wahl zwischen diesen beiden schlechten Alternativen habe.

Kritik an mangelnderTransparenz

Bode kritisiert überdies die mangelnde Transparenz der Verhandlungen. Eine aufrichtige und öffentliche Debatte sei aber wichtig, konstatiert er. Auch hier übt er Kritik an Spahn, dessen politischer Gestaltungswille komplett erlahmt scheine: In seinem Blog treffe er nämlich die bemerkenswerte Aussage, dass die Forderung nach transparenten Verhandlungen „absurd“ sei. „Absurd ist eher“, konstatiert Bode, „dass ein Volksvertreter offenbar ungerührt hinnimmt, wie EU-Beamte und Lobbyisten einen völkerrechtlichen Vertrag mit weitreichenden Konsequenzen aushandeln, ohne dass Abgeordnete wie er irgendein Mitspracherecht haben.“

Investorenschutz als gefährlichste Konsequenz

Beim Thema Investitionsschutz findet Bode ebenfalls deutliche Worte: „Eine Paralleljustiz für den Schutz privater Investoren, ein Regulierungsrat als institutionalisiertes Einfallstor für Konzernlobbyisten und die Unterwerfung der EU- und nationalstaatlicher Rechtsetzung unter den völkerrechtlichen TTIP-Vertrag: Das ist ein geballter, ein dreifacher Angriff auf die ­Regulierungsautonomie der EU und ihrer Mitgliedstaaten.“ Europa gebe seine Steuerungshoheit über wichtige politische Prozesse und Entscheidungen an private Konzerne ab, die nur ein Bestreben hätten – staatliche ­Regulierung zum Zwecke des Allgemeinwohls unter allen Umständen zu verhindern. „Das ist wohl die wichtigste und gefährlichste Konsequenz von TTIP.“ |

ABDA hat TTIP auf dem Schirm

Die ABDA hat das Freihandelsabkommen und die möglichen ­Gefahren für den Apotheken- und Arzneimittelbereich im Blick, wie Michael Jung vom ABDA-Geschäftsbereich Recht im Rahmen des ApothekenRechtTags bei der Interpharm in Hamburg versicherte. TTIP sei für die ABDA kein neues Thema. Nur weil es dazu nicht jede Woche ein Rundschreiben gebe und nichts in der Presse stehe, ­bedeute das nicht, dass man sich nicht damit beschäftige und nicht tätig sei. „Ich kann Ihnen versichern“, so Jung, „dass sowohl bei uns im zuständigen Geschäftsbereich Recht, der sich damit befasst, als auch in unserer Brüsseler Vertretung und unserem Europaverband der EU dieses Thema natürlich im Blickfeld ist und wir natürlich in den Gesprächen sind mit den jeweils Handelnden, um hier nichts anbrennen zu lassen.“

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