INTERPHARM 2015 – Infektiologie

Immer lästig, aber nicht immer banal

Durchfallerkrankungen in der Selbstmedikation

pj | Durchfallerkrankungen sind ein häufiger Anlass für einen Apothekenbesuch. Wann eine Selbstmedikation angezeigt ist und welche Arzneistoffe eingesetzt werden können, erläuterte Prof. Dr. Thomas Herdegen, Kiel.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Prof. Dr. Thomas Herdegen

Bei einer akuten Diarrhö besteht ein Ungleichgewicht zwischen Sekretion und Resorption von Flüssigkeit im Darm. Akute Durchfälle sind durch mehrere ungeformte Stühle (mehr als drei pro Tag) mit hohem Wassergehalt und erhöhtem Stuhlgewicht charakterisiert, können unterschiedliche Ursachen haben, verschiedene Verlaufsformen aufweisen (von mild bis schwer), halten nicht länger als 14 Tage an und sind meist selbstlimitierend. Sie können mit ernsthaften Gefahren einhergehen, so mit einem Nierenversagen aufgrund des Flüssigkeitsverlusts (cave bei älteren Patienten und der Einnahme nicht-steroidaler antiinflammatorischer Arzneistoffe), mit Elektrolytverlusten und Elektrolytverschiebungen (cave bei Vorliegen von Herzrhythmusstörungen) oder mit der Entwicklung einer pseudomembranösen Kolitis als Folge einer Antibiotika-Einnahme. Besonders gefährdet bei einer akuten Diarrhö sind Kinder sowie ältere Patienten mit Gerinnungsstörungen oder schlechter Nierenfunktion. Die essenzielle Basistherapie ist die Gabe einer oralen Rehydratationslösung (ORL), die mit 200 ml frischem Trinkwasser zubereitet werden muss. Cave: Bei der Verwendung anderer Volumina werden falsche Glucose- und Elektrolytkonzentrationen erzielt. Alternativen sind die Gabe von Tee, Zucker und Salz oder das Essen einer Banane, um den Kaliumverlust auszugleichen. Das Trinken von Cola ist ungeeignet, da diese zu viel Glucose und zu wenig Natrium enthält. Neben der Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten ist unter Beachtung des Zulassungsstatus, möglicher Kontraindikationen und Nebenwirkungen sowie des Alters der Betroffenen die Gabe von Loperamid, Racecadotril, Probiotika, Adsorbenzien, Gerbstoffen oder Phytopharmaka – letztere als add-on mit unklarer Wirkung – möglich. Bei jedem Beratungsgespräch sollten Hygienemaßnahmen erwähnt und Ernährungshinweise gegeben werden. Bei Kleinkindern muss neben der Flüssigkeit – je jünger das Kind ist, desto höher das Dehydratationsrisiko! – auch Nahrung substituiert werden. Bei älteren Patienten muss unbedingt eine Exsikkose (Risiko von Verwirrung und Thromboembolien) vermieden werden.

Eine essenzielle Basistherapie mit oralen Rehydratationslösungen ist auch zur Therapie einer Reisediarrhö angezeigt. Prophylaktisch können Probiotika eingenommen werden, allgemeine Hygienemaßnahmen sind einzuhalten. Bei länger anhaltenden Beschwerden muss der Arzt aufgesucht werden, zur Überbrückung kann Loperamid eingenommen werden.

Bei chronischer Diarrhö die Ursachen abklären

Berichten Patienten über chronische Durchfälle, sollten mögliche Ursachen ärztlich abgeklärt werden, um ernste Grunderkrankungen wie etwa Tumore, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Sprue, Störungen der Leber, der Galle oder des Pankreas auszuschließen. Klagt der Betroffene über Fieber, Koliken, Blut im Stuhl oder verschlimmerte Symptome, ist ebenfalls ein Arztbesuch erforderlich. Ebenfalls ist abzuklären, ob die Diarrhö nach einem Auslandsaufenthalt aufgetreten ist oder Folge einer medikamentösen Therapie sein kann. So können etwa Antibiotika, COX-Inhibitoren, Prokinetika, hoch dosierte Magnesium-Präparate, Cholinergika, Antidementiva, Abführmittel oder SSRI Durchfälle hervorrufen. Es ist auch möglich, dass die Diarrhö mit der Ernährung zusammenhängt, wie etwa beim Vorliegen einer Laktose- oder Fructose-Intoleranz oder als Reaktion auf Wein und Kaffee. Weitere mögliche Auslöser sind Stress oder ein Reizdarmsyndrom. Eine Änderung des Lebensstils oder die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten kann zu einer Verbesserung der Symptomatik beitragen. |

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