INTERPHARM 2015 – Wirtschafts-Interpharm

Total vernetzt

Die Apotheke und ihre Netzwerke

wes | Apotheken sind keine „Einzelkämpfer“, sie sind in verschiedene Netzwerke eingebunden, in manche lose, in andere fest. Diese Netzwerke bestehen aus den örtlichen Ärzten, Pflegediensten und den belieferten Heimen, aus anderen Apotheken innerhalb einer Kooperation oder aus Geschäftspartnern wie dem Großhandel und Herstellern.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

Prof. Dr. Kristina Friedland

Den sogenannten heilberuflichen Netzwerken, in denen Apotheken mit anderen Heilberufen in einer strukturierten Art und Weise zusammenarbeiten, widmete sich der Vortrag von Prof. Dr. Kristina Friedland von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen. Sie ­betonte, dass sich diese Netzwerke erst formen und sich meist noch im ­Stadium des Modellprojekts befinden.

Vernetzen für AMTS

Ausführlich ging Friedland dabei auf das Projekt MetropolMediplan 2016 ein. Dieses Projekt ist – wie beispielsweise auch PRIMA in Sachsen – ein vom Bundesgesundheitsministerium gefördertes Forschungsprojekt zur Praktikabilität des bundeseinheitlichen Medikationsplans. Dabei wird der „Bundes-Medikationsplan“ mit einem elektronischen eMedi-Plan verknüpft, der von den Beteiligten – neben Ärzten und Apothekern sind Krankenhäuser und das Pharmazeutische Institut der Uni Erlangen dabei – mit Informationen rund um den Patienten, die Indikationen und die Therapie angereichert werden kann. Auch die weiteren ­Modellprojekte zur Etablierung von Medikationsplänen, -analysen, -checks von ARMIN in Sachsen und Thüringen bis zur „Vernetzten AMTS durch einen elektronischen Medikationsplan in Rheinland-Pfalz“ stellte Friedland vor. (Einen umfassenden Überblick über diese Projekte finden Sie in der DAZ 2014, Nr. 38.)

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Prof. Dr. Roland Trill

Der Patient im Netz

Dass Deutschland sich viel zu lange mit Modellprojekten aufhalte und darüber den Schritt zur Umsetzung verpasse, kritisierte der Flensburger Gesundheitsökonom Prof. Dr. Roland Trill. Die skandinavischen und baltischen Länder seien hier viel weiter, auch was den Einsatz elektronischer und digitaler Angebote, gemeinhin mit dem Schlagwort eHealth bezeichnet, angehe. Bei der Verfügbarkeit und Nutzung von eHealth-Angeboten liege Deutschland in Europa nur auf Platz 19, so Trill. Dabei seien solche Angebote von den Patienten durchaus gewünscht – und mitnichten nur von den jüngeren. Fast drei Viertel der Deutschen über 65 wollen eHealth nutzen, um ihre Gesundheit besser im Auge zu behalten, 73 Prozent der Senioren möchten an Arzneimitteleinnahmen und Arzttermine erinnert werden und immerhin 38 Prozent ­dokumentieren heute Messwerte wie Blutdruck oder Gewicht elektronisch, so Trill. Er sei immer wieder überrascht, wie offen sich gerade ältere Menschen für elektronische Gesundheitsanwendung zeigen.

Trill plädierte dafür, eHealth-Angebote und Gesundheits-Apps für das Smartphone („mHealth“) als Chance zu sehen und nicht als Risiko. Er teile die Einschätzung von Prof. Friedland, dass eher die Ärzte neuen Angeboten skeptisch gegenüber stehen als die Patienten. „Die Ärzte bezeichnen sich immer als die Anwälte der Patienten. Die heutigen Patienten brauchen aber keine Anwälte mehr“, die Zeit der Bevormundung sei vorbei. Dazu habe auch das Internet beigetragen, dass von 74 Prozent der Deutschen genutzt werde, um sich über Gesundheitsfragen zu informieren.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Markus Preißner

Vom Netzwerk zur Kette?

Nicht nur mit Ärzten und anderen Berufsgruppen im Gesundheitswesen vernetzen sich Apotheken, sondern auch untereinander: in Kooperationen. Diese gibt es – wie im Einzelhandel schon lange üblich – in verschiedenen Ausprägungen, wie Dr. Markus Preißner vom Institut für Handelsforschung IFH in Köln erläuterte. Die „niedrigste“ Kooperationsstufe bildet dabei die Einkaufsgemeinschaft, die von einer niedrigen Verbindlichkeit für die Mitglieder geprägt ist. Straffer geführt werden Spezialverbünde, die zwar ein eingeschränktes Angebot für ihre Mitglieder haben, hier aber eine hohe Verbindlichkeit einfordern. Dem stehen sog. Full-Service-Dienstleister gegenüber, die ein sehr breites Angebotsspektrum – Marketing, Fortbildungen, Eigenmarken usw. usf. – mit einem hohen Freiheitsgrad, diese auch zu nutzen, kombinieren. Bei all diesen Kooperationsmodellen verneinte Preißner die im Titel seines Vortrags ­gestellte Frage, ob Kooperationen ein Schritt auf dem Weg zu einer Kette seien. Anders könne – müsse aber nicht! – das bei Konzept- oder Systemverbünden sein. Hier werde das breite Angebotsspektrum der Full-Service-Anbieter mit der hohen Verbindlichkeit straff geführter Konzepte kombiniert, was bis zum Franchise mit insgesamt stark eingeschränkter Autonomie der einzelnen Mitglieder führen könne.

„Für die meisten Apotheker sind straff und hierarchisch geführte Konzepte eher weniger geeignet“, resümierte Preißner. Kombiniert mit der Sicht der Kunden, für die bei der Wahl der ­Apotheke die räumliche Nähe und die Beratung viel wichtiger sind als die Zugehörigkeit zu einer Dachmarke, sieht Preißner die Kooperationen nicht auf dem Weg dazu, Apothekenketten zu bilden. |

Kippt das gemeinsame Boot?

Die Vernetzung der Apotheken mit ­„ihrem“ Großhandel kann sehr eng sein. Unter dem Titel „Großhandel und ­Apotheke: Kippt das gemeinsame Boot?“ diskutierten DAV-Vorsitzenden Fritz ­Becker, Noweda-Chef Wilfried Hollmann und Gehe-Chef André Blümel. Einig waren sie sich, dass das System des Arzneimittelhandels in Deutschland insgesamt unterfinanziert ist. „Einen Euro mehr“ Fixhonorar für die Apotheken will Fritz Becker, Hollmann fordert ein Fixum von 9,10 Euro und ein Absinken des Kassenabschlags unter einen Euro. Uneinigkeit gab es dagegen bei der Uneinheitlichkeit – Becker sprach von Unübersichtlichkeit – der Konditionen. Beide Großhändler halten unterschiedliche Konditionen für unterschiedliche Warengruppen für ­essentiell, Becker sprach dagegen von „Rabatt-Hol-zurück-Modellen“. Einen ausführlichen Bericht zum aktuellen Streit um die Zulässigkeit der Großhandels-Skonti und die Reaktionen auf die Aussagen bei der Wirtschafts-­Interpharm finden Sie auf S. 13.

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