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Gut gerüstet für 2025?
Das BfArM diskutiert seine Ausrichtung für die nächsten zehn Jahre
Zwei Tage diskutierten Gäste aus dem In- und Ausland, wohin die Reise des BfArM in den nächsten zehn Jahren gehen soll bzw. welche Erwartungen man an das BfArM habe, insbesondere vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft sowie der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens. Prof. Dr. Karl Broich, Präsident des BfArM, betonte bei der Eröffnung, dass die Patientinnen und Patienten vom BfArM erwarten, dass sichere, innovative Therapieoptionen künftig schneller verfügbar würden. Deshalb nehme man aktuell wichtige Weichenstellungen für die Zukunft vor. Man treibe die Beschleunigung der Zulassungsverfahren im europäischen Netzwerk engagiert, aber mit Augenmaß voran. Zugleich werde gezielt die Vigilanz gestärkt, um zukünftig steigende Datenmengen schneller auszuwerten und Risiken schneller zu erkennen. Staatssekretär Lutz Stroppe (Bundesgesundheitsministerium) ging dann auf das BfArM als wichtigen Standortfaktor für die deutsche Pharmaindustrie ein und lobte zudem die gute Zusammenarbeit zwischen Behörde und Ministerium. Als aktuelles Beispiel nannte er das schnelle Handeln anlässlich eines Krätzeausbruchs in einer Hamburger Flüchtlingsunterkunft.
Gesundheitsstrategie
Dass das deutsche BfArM unumstritten eine der führenden Zulassungsbehörden in Europa ist, dessen Expertise man im In- und Ausland zu schätzen weiß, darin waren sich die geladenen Experten einig. Man sei auf den Wissenstransfer angewiesen, hieß es. „Europa braucht das BfArM, das BfArM braucht Europa“ – mit diesen treffenden Worten charakterisierte Prof. Dr. Guido Rasi, der die europäische Aufsichtsbehörde EMA vertrat, die Rolle des BfArM in Europa. Er stellte in seinem Vortrag auch dar, wie sich die Zulassungsverfahren künftig ändern und so beschleunigt werden könnten. Und auch im globalen Netzwerk der Zulassungsbehörden ist das BfArM ein wichtiger Player im Spiel der Regulation und der Pharmakovigilanz. Ein ebenso wichtiger Partner wie für die anderen Behörden ist das BfArM auch für die Industrie. Der Vertreter der Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller, Dr. Thor Voigt, lobte ausdrücklich die gute Zusammenarbeit. Das BfArM ermögliche absolute Planungssicherheit, die er bei anderen regulatorischen Institutionen vermisse.
Konvergenz von Nutzenbewertung und Zulassung
Ein weiteres Thema, das immer wieder aufkam, war die Konvergenz zwischen den Anforderungen der Zulassung und den Anforderungen der Nutzenbewertung. Hier werde man, und dafür sprachen sich sowohl die Experten des BfArM aus als auch Prof. Dr. Josef Hecken vom Gemeinsamen Bundesausschuss, künftig verstärkt frühzeitig an die Firmen herantreten und ihnen diesbezüglich Beratung durch das IQWiG anbieten. So sollen zwar keineswegs die Anforderungen aneinander angepasst werden, aber man habe so die Möglichkeit, Hinweise zu geben, welche Anforderungen, zum Beispiel hinsichtlich der Endpunkte oder Subgruppen zusätzlich erfüllt sein müssen, um bei der Nutzenbewertung zu bestehen. Auch eine Erleichterung der regulatorischen Vorgaben, wie Dr. Martin Zentgraf vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie sie forderte, wird es nicht geben. Er begründete seinen Wunsch mit den gestiegenen Belastungen und gleichzeitig geminderten Möglichkeiten, Gewinne zu erzielen für die Hersteller durch Nutzenbewertung und Rabattverträge, oder wie BfArM-Vizepräsidentin Prof. Dr. Julia Stingl seinen Vorschlag kurz und auf den Punkt zusammenfasste: „Mehr Return on Investment durch erleichterte Regularien“.
Wissenslücken gezielt schließen
Der Vormittag des zweiten Tages stand dann ganz im Zeichen der Forschung. Professor Julia Stingl stellte nach einem Grußwort des Dekans der medizinischen Fakultät der Universität Bonn die Forschungsstrategie des BfArM vor und hob dabei vor allem auf die Unterschiede zur „normalen“ universitären Forschung ab. So sieht es das BfArM als seine Aufgabe an, Wissenslücken, die anderswo entstehen, sei es bei der Zulassung oder der Pharmakovigilanz, gezielt zu schließen. Dabei steht immer der Patient im Mittelpunkt. Man fokussiere sich dabei nicht auf einen bestimmten Wirkstoff oder ein Medizinprodukt, sondern betrachte die Dinge Kohorten- oder Populations-bezogen, so Stingl. Dabei kooperiere man eng mit den Universitäten, aber auch mit anderen Forschungseinrichtungen. Ein Kind, das aus der Kooperation mit der Hochschule hervorgegangen ist und somit ein Beispiel für deren Fruchtbarkeit ist, ist beispielsweise das Zentrum für Translationale Medizin, das eine Schnittstelle zwischen präklinischer Forschung und klinischer Entwicklung bilden soll, also „from Bench to Bedside“. In weiteren Vorträgen wurden dann zahlreiche Kooperationen mit anderen Forschungsinstitutionen sowie ein Forschungsprojekt zu Medikationsfehlern vorgestellt. In Kooperation mit drei Notaufnahmen in Deutschland verspricht man sich wertvolle Erkenntnisse zu Fehlern im Medikationsprozess. Dabei wurde die Wichtigkeit der Vernetzung mit anderen universitären und sonstigen Forschungseinrichtungen besonders betont. Zudem werden auch künftig bereits vorhandene, aber bisher ungenutzte Daten der Versorgungsforschung zur Verfügung gestellt, nämlich die der Bundesopiumstelle. In keinem Bereich der Arzneimittelversorgung seien so umfassende Daten vorhanden wie bei der Versorgung mit Betäubungsmitteln, berichtete der Leiter der Bundesopiumstelle, Dr. Peter Cremer-Schaeffer. Dieses Potenzial wolle man nutzen.
Herausforderung Medizinprodukte
Ein weiteres Thema auf der Agenda, das zuvor bei der Nutzenbewertung schon kurz angeklungen war, waren die Medizinprodukte. Hier war es dann auch weitestgehend vorbei mit der Einigkeit zwischen Behörden und Industrie. So ist die Medizinprodukte-Industrie eine der innovativsten in Deutschland. Die meisten verwendeten Produkte sind weniger als drei Jahre auf dem Markt. Anders als bei Arzneimitteln werden aber für die Zulassung keine klinischen Studien gefordert, es reichen Fallserien, und das auch bei invasiven Produkten wie Endoprothesen oder Herzschrittmachern. So war es in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen und Rückrufen gekommen. Der Vertreter des Bundesverbandes Medizintechnologie, Joachim M. Schmitt, stellte vor allem den Fortschritt in den Vordergrund, betrachtete Verschärfungen der Regeln als innovationsfeindlich und warb um Verständnis für die Besonderheit der Medizinprodukte. Die Vertreter der Aufsichtsbehörde, für die die Patientensicherheit im Vordergrund steht, sahen dies ein wenig anders. So wird zum Beispiel ein Register aller invasiver Medizinprodukte als unerlässlich angesehen, und auch an anderen Stellen ist noch einiges zu tun, um eine sichere Anwendung der zum Teil hochkomplexen Medizinprodukte zu gewährleisten.
Den Abschluss der Veranstaltung bildeten dann die Blöcke zum Thema Fälschungen, wo das Securpharm-Projekt noch einmal vorgestellt wurde, und zur Antibiotikaresistenz. Dort wurden verschiedene Projekte in diesem Bereich vorgestellt und Impfungen als Strategie gegen resistente Erreger vorgestellt, die bei den Pneumokokken bereits erfolgreich umgesetzt wurde. |
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