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Keine Beauty-Creme zum Schlucken

Techniker Krankenkasse sieht Informationsbedarf bei Antibaby-Pille

BERLIN (ks) | Die Techniker Krankenkasse (TK) fordert eine bessere Aufklärung zur Antibaby-Pille. Aus ihrer Sicht kann es nur an mangelnder Information liegen, dass die Pillen der 3. und 4. Generation sich im Markt durchsetzen – sie wirken nicht besser als ältere orale Kontrazeptiva, haben aber ein höheres Nebenwirkungsrisiko. Mit ­ihrem nun präsentierten „Pillen­report“ will die Kasse ihren Beitrag zur Aufklärung.

In ihrem jüngsten Innovationsreport hatte die TK auch eine Antibaby-Pille unter die Lupe genommen: Zoely® (Nomegestrolacetat + Estradiol). Das Präparat schnitt mit dem Prädikat „kein Zusatznutzen“ ab. Es verhütet nicht besser als bewährte Levenorgestrel-Präparate. Dennoch ist es wie seine jüngeren Vorgänger im Pillenmarkt eingeschlagen. Fast die Hälfte der 19-Jährigen nimmt eine Pille der 3. oder 4. Generation. Für TK-Chef Jens Baas Grund, den Erfolg der neuen Pillen genauer zu erforschen.

Was ihm gegen den Strich geht: Die Hersteller versprechen neben der Verhütung auch Vorteile rund um die Schönheit: die Haut werde reiner, das Haar schöner und die Brüste größer. Für Baas sieht es so aus, als stehe hier eine Lifestyle-Verordnung im Vordergrund – „das macht uns Sorgen“. Er betonte: „Wir sind keinesfalls gegen die Pille – aber sie ist keine Beauty-Creme, die man schlucken kann.“ Der TK-Chef unterstrich, dass es hier nicht ums Geld gehe, schließlich wird die Pille nur Mädchen und jungen Frauen bis 19 Jahren erstattet. Es gehe um die ­Gesundheit.

Erhöhtes Thrombose-Risiko

Professor Gerd Glaeske von der Uni Bremen, der neben Professor Petra Thürmann, Direktorin des Philipp-Klee-Instituts für klinische Pharmakologie, und einem mehrköpfigen Team hinter dem Pillenreport steht, erläuterte: Präparate der 3. und 4. Generation haben ein größeres Risiko für die Bildung von Thrombosen als die Pillen der 2. Generation – vor allem für junge Frauen, die rauchen und Übergewicht haben. Seit 2014 muss darauf auch in der Fachinformation dieser Präparate hingewiesen werden. Das Thromboserisiko ist bei Pillen mit den Gestagenen Desogestrel, Gestoden und Drosperinon nahezu doppelt so hoch wie bei Pillen mit Levenorgestrel.

Glaeske sieht angesichts dieser Datenlage den Arzt gefordert: Der Beipackzettel entlaste ihn nicht von einer eigenen Aufklärung, betont er. Die Beratung sei nicht zuletzt wegen der großen Therapietreue bei der Pille nötig. Thürmann sieht überdies Fachgesellschaften und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gefordert, zur Aufklärung beizutragen. Es gebe noch keinen Ansatz, wie man die bestehenden Risiken kommuniziert, ohne gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten. „Es ist zwar weder cool noch sexy über solche Dinge zur reden“, räumt Thürmann ein – geschehen müsse es dennoch.

BfArM verweist auf eigene Webseite

Das BfArM seinerseits will sich keine Vorwürfe machen lassen. Die wichtigsten Risiken und die Empfehlungen zu kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) habe es auf seiner Webseite zusammengestellt (www.bfarm.de/kontrazeptiva). Unter anderem empfiehlt die Behörde hier insbesondere für Erst­anwenderinnen und Anwenderinnen unter 30 Jahren ausdrücklich die Verordnung eines KOK mit niedrigerem Risiko für venöse Thromboembolien (levonorgestrelhaltige KOK).

Zudem heißt es auf der BfArM-Web­seite: Wenn junge Erstanwenderinnen aus kosmetischen Gründen nach bestimmten KOK fragen, müsse die ärztliche Beratung auch darauf abzielen, dass Verhütungspillen keine „Lifestyle-Produkte“ sind, sondern Arzneimittel, die mit Risiken verbunden sein können. Die Verordnung dürfe nicht aus kosmetischen Gründen erfolgen. |

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