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Ein seltener Einzelfall?
Bundesregierung zu manipulierten Studien aus Indien – EMA empfiehlt Ruhen weiterer Zulassungen
Bei einer Inspektion durch die französische Arzneimittelbehörde ANSM wurde im vergangenen Jahr entdeckt, dass GVK Biosciences an seinem Standort Hyderabad in mehreren Studien falsche Elektrokardiogramme verwendete, berichtet Fischbach in der Mitte letzter Woche veröffentlichten Antwort. Derlei behördliche Inspektionen stellten aber nur ein flankierendes ordnungsrechtliches Instrument dar, betont sie. „Sie können die primäre Verantwortung der Sponsoren, der pharmazeutischen Unternehmer und auch der Auftragsforschungsunternehmen zu einer ordnungsgemäßen Überwachung und Anleitung ihres Personals im Hinblick auf die Einhaltung der internationalen anerkannten GCP-Anforderungen und zu einer eigenverantwortlichen Auditierung ihrer jeweiligen Vertragspartner nicht ersetzen.“
Keine Versorgungsengpässe erwartet
Die Grünen hatten unter anderem gefragt, wann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von den Vorfällen erfahren hatte. Von der Thematik habe die Behörde im Juni 2014 erfahren, schreibt die Staatssekretärin. Im Rahmen eines Anhörungsverfahrens habe das BfArM ab dem 10. November Zulassungen von insgesamt 28 pharmazeutischen Unternehmern überprüft und ab dem 8. Dezember bei zunächst 80 Arzneimitteln das Ruhen der Zulassungen angeordnet. Inzwischen sei das Ruhen einiger Zulassungen wieder aufgehoben worden. „Derzeit (Stand: 12. Januar 2015) ruhen noch die Zulassungen von 53 Arzneimitteln.“
Insgesamt geht es aber um deutlich mehr: Im Zusammenhang mit den Fälschungsvorwürfen gegen GVK Biosciences nahm die EMA nach Angaben Fischbachs rund 1250 Arzneimittel-Zulassungen unter die Lupe. Dabei handle es sich ausschließlich um generische Präparate, deren Zulassung auf dem Nachweis der Bioäquivalenz beruhe. Angesichts dessen, dass es für alle betroffenen Produkte wirkstoffgleiche (einschließlich der Originalpräparate) oder therapeutische Alternativen gebe, sei nicht davon auszugehen, dass es in Deutschland zu Versorgungsengpässen komme. Auf die Frage, ob die bisher durchgeführten Kontrollen nach Meinung der Regierung ausreichten, verweist Fischbach darauf, dass die Anzahl in den Mitgliedstaaten stark variiere – das BfArM habe unabhängig vom aktuellen Fall aber bereits zusätzliches Personal vorgesehen, um die Anzahl zu erhöhen.
Verantwortung nicht abwälzen
Kordula Schulz-Asche (Grüne), die sich mit Kollegen an die Regierung gewandt hatte, ist mit diesen Antworten nicht zufrieden. „Die Bundesregierung darf ihre Verantwortung zum Schutz von ProbandInnen und PatientInnen zur Kontrolle von Arzneimittelstudien nicht auf pharmazeutische Unternehmer abwälzen“, kritisiert sie. Zwar seien die Pharmahersteller verpflichtet, die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen – das scheine jedoch schlecht zu funktionieren. Die Fraktion fordert daher mehr nationale und internationale Kontrollen. Die Ankündigung der Staatssekretärin, das BfArM werde für mehr Personal sorgen, „glauben wir erst, wenn bei den Haushalts-Beratungen unbefristete Stellen beantragt werden“, warnt Schulz-Asche. Nachhaken wollen die Grünen außerdem, ob die aktuellen Verstöße tatsächlich zu Strafen führen werden.
EMA empfiehlt Ruhen weiterer Zulassungen
Am Freitag empfahl die EMA sodann das Ruhen weiterer EU-weiter Arzneimittel-Zulassungen, die auf mangelhaften Bioäquivalenzstudien von GVK Biosciences beruhen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA war von der EU-Kommission beauftragt worden, eine Überprüfung vorzunehmen. Für über 300 Zulassungen waren nach Angaben der Agentur ausreichend unterstützende Daten aus anderen Quellen verfügbar. Soweit die EMA mit diesem Material zufrieden ist, bleiben die entsprechenden Arzneimittel in der EU auf dem Markt. Für Arzneimittel, für die keine unterstützenden Daten vorliegen, empfahl der CHMP das Ruhen der Zulassungen – soweit diese nicht „von entscheidender Bedeutung“ sind, weil keine Alternativen zur Verfügung stehen.
Die Entscheidung, ob ein Arzneimittel von entscheidender Bedeutung ist, liegt bei den nationalen Behörden der EU-Mitgliedstaaten in Abhängigkeit von der Situation in ihrem Land, erklärt die EMA. Bei Arzneimitteln, die als kritisch eingestuft werden, hätten betroffene Unternehmen zwölf Monate Zeit, zusätzliche Daten zu übermitteln. Eine komplette Liste der Arzneimittel, für die der CHMP das Ruhen empfiehlt, ist auf der Internetseite der EMA zu finden. Deren Empfehlung wird nun der EU-Kommission vorgelegt, die eine rechtsverbindliche Entscheidung trifft.
BfArM fühlt sich bestätigt
BfArM-Präsident Prof. Dr. Karl Broich begrüßte die Empfehlung: „Mit der kritischen Position des CHMP sehen wir unsere klare Haltung im Sinne des vorbeugenden Patientenschutzes bestätigt. Es ist gut, dass wir jetzt auch auf europäischer Ebene ein deutliches Signal für die Einhaltung unserer hohen ethischen und medizinischen Standards für klinische Prüfungen setzen.“ Das BfArM hatte im Dezember für zahlreiche deutsche Arzneimittel das Ruhen der Zulassung angeordnet. In seiner Bewertung von 176 Zulassungen hatte die Behörde seinerzeit den Inspektions-Prüfzeitraum 2008 bis 2014 zugrunde gelegt. Der vom CHMP erweiterte Prüfzeitraum beinhaltete zusätzlich die Jahre 2004 bis 2007. Das BfArM will nun schnellstmöglich über weitere Suspendierungen entscheiden. Bis dahin ist für die Verkehrsfähigkeit der Arzneimittel in Deutschland, die von der Ruhens-Anordnung vom 8. Dezember betroffen sind, die auf der BfArM-Internetseite abrufbare tagesaktuelle Liste maßgeblich.
AMK: Entscheidung der EU-Kommission abwarten
Trotz der Empfehlung der EMA, die Zulassungen von mehreren hundert Arzneimitteln in der EU ruhen zu lassen, betonte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK), Prof. Dr. Martin Schulz, dass sich vorerst für Apotheken und Patienten nichts ändere. Ob tatsächlich weitere Arzneimittel vom Markt genommen werden müssten, entscheide nun die EU-Kommission. „Sobald Informationen vorliegen, die ein konkretes Handeln erfordern, werden wir Apotheken und Öffentlichkeit zeitnah informieren“, so Schulz. Sowohl die EMA als auch der AMK-Vorsitzende weisen derweil darauf hin, dass es bislang keine Hinweise auf Gesundheitsgefahren durch betroffene Arzneimittel oder mangelnde Wirksamkeit derselben gibt. |
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