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Schwerpunkt Existenzgründung

Gegen die Wand fahren!

So scheitert Ihre Apothekengründung garantiert

Sie wollten schon immer mal wissen, wie man eine Existenzgründung an die Wand fährt? Dann lassen Sie sich für einen Moment zu „Pleiten, Pech und Pannen“ in der Apothekenwelt entführen – praktisch mehrfach erprobt, mit Beinahe-„Erfolgsgarantie“ ... Doch nein, ganz so schlimm wird es nicht. Auch an dieser Stelle gibt es genügend positive Aspekte zu entdecken, und aus Schaden sollte man bekanntlich klug werden. | Von Reinhard Herzog

Galt früher die Maxime, dass fast immer die alten und „fußkranken“ Apotheken schließen, während sich Neugründungen meist durchsetzen konnten, hat sich das mittlerweile geändert. Schließungen binnen eines Jahres nach Eröffnung, nicht selten in exponierten Lagen, sind keine Rarität mehr – hoch gepokert, verdammt viel verloren. Doch auch die Übernahme oder Neugründung einer „klassisch“ positionierten Apotheke bietet heute eine Reihe von Fallstricken.

Wandeln wir also einmal etwas auf dem „Medaillentreppchen“ der Misserfolgsfaktoren (siehe Abbildung auf Seite 46).

Persönlichkeit – Nicht zu ändern

Hier liegen die größten Fallen und Gefahren, und deshalb betrachten wir diesen Punkt etwas ausführlicher. Sachliche Fragen, Finanzierung, Standortqualitäten, Vertragsange­legenheiten – all das lässt sich analysieren und aufarbeiten, selbst wenn man auch hier herbe Fehler machen oder schlicht zu leichtgläubig sein und auf falsche Ratgeber hereinfallen kann.

An der eigenen Person kann man jedoch nicht mehr allzu viel ändern, zudem steht das Thema Selbsterkenntnis im Raum. An letzterer sollten Sie als potenzieller Existenz­gründer arbeiten, denn eine falsche Entscheidung bei der Apothekengründung streifen Sie nicht mehr so leicht ab wie einen falsch gewählten Job. Eine Arbeitsstelle kann man recht leicht wechseln. Haben Sie sich aber erst mal mit „Haut und Haaren“ vertraglich an Banken, Vermieter und Lieferanten gebunden, hängen Sie drin, und zwar auf lange Zeit. Kluge Gründer überlegen sich zwar immer eine „Exitstrategie“. Als Apotheker ist das nicht ganz leicht, da eben eine Haftungsbeschränkung (z. B. mittels einer GmbH) ausscheidet.

Deshalb steht die zentrale Frage im Raum: Tauge ich zum Unternehmer, zur Selbstständigkeit? Und dann noch an dem entsprechenden Ort in dem anvisierten Objekt? Das kann durchaus differieren: Selbstständig ja, aber auch in Klein-Entenhausen fernab vom Schuss? Gerade bei so personenabhängigen Berufen wie Arzt oder Apotheker spielt es eine enorme Rolle, ob man zu Land und Leuten passt, dort glücklich wird und sich zu integrieren versteht.

Und so wird es dann mit einem solchen Persönlichkeits- und Fähigkeitsprofil garantiert schwierig:

  • „Ich weiß nichts von der Praxis, aber alles besser.“ Das ist nicht nur bei Neugründern kritisch, die damit jeden Planer, Lieferanten, später eben auch Ärzte (dann wird’s langsam kritisch ...) oder gar viele Kunden gegen sich aufbringen. Bei Übernahmen droht ganz schnell der Laden auseinanderzufliegen, wenn man meint, als „Grünschnabel“ alle etablierten Strukturen im Hauruck-Verfahren ändern zu müssen, womöglich ohne eigenen, sinnhaften Plan. Auch bricht sich die reine Lehre der Pharmazie und Wissenschaft rasch an der praktischen Lebensrealität, damit muss man umgehen können.
  • „Labor, Vorschriften und Prozessbeschreibungen waren schon immer meine Welt, so wie ich mich gerne in mein Schneckenhäuschen zurückziehe, wann immer es geht.“ Vergessen Sie es und suchen Sie sich einen Laborjob in einer Pharmafirma! Beim Kunden spielt die Musik, nur deshalb haben Sie Ihre gesellschaftliche Berechtigung. Sie müssen Menschen mögen – Vorschriften, Prozesse und Co. sind Mittel zum Zweck, leider viel zu oft bereits weit über das Ziel – nämlich den Patienten zu dienen – hinausgeschossen und zur Selbstbefriedigung geworden. Als Unternehmer müssen Sie aber die richtigen Prioritäten setzen!
  • „Ich kümmere mich um alles, am liebsten im ­Detail.“ Aber eben dann doch um nichts richtig. Oder Sie brauchen für Alltagsdinge dreimal so lange wie erfahrene Kräfte. Vertrauensvoll delegieren und Loslassen an den richtigen Stellen ist eine Kunst – und als Unternehmer unverzichtbar!
  • „Auf meine Mathe-Fünf bin ich stolz, BWL sagt mir gar nichts, und das soll so bleiben“. Nun, auch mit einer Fünf in Mathematik kann man noch die Grundrechenarten beherrschen und die Prozentrechnung. Damit kommen Sie bereits erstaunlich weit. Und Sie müssen auch nicht BWL und Steuerrecht bis ins Detail kennen. Aber ein paar wesentliche Kennzahlen, die Beurteilung eines „Cockpits“ mit den wesentlichen Randdaten, die Unterscheidung von Umsatz, Gewinn und Spanne sollten schon sein. Kein Hexenwerk – im Grunde reichen für einen aufgeweckten Naturwissenschaftler tatsächlich wenige Wochenendseminare. Aber ein wenig mit Zahlen sollten Sie als Unternehmer schon können ...
  • „Work-Life-Balance und Familie sind mir ganz wichtig.“ Ein ganz heißes Thema in unserer heutigen Zeit. Nur: Von nichts kommt nichts! Gewisse Dinge muss man sich schlicht erarbeiten – oder erheiraten bzw. ererben. Und das bedeutet ohne Traumprinz(essin) oder vermögende Vorfahren: Einige Zeit kürzer treten, beißen, auch mal Dreck schlucken. Und sich so dann Privilegien und Freiheiten erarbeiten, um die Sie andere dann beneiden werden. Das gilt selbstredend für eine Neugründung noch einmal mehr wie für eine Übernahme eines ertragsstarken Betriebes. Doch auch Letzterer erfordert in der Anfangszeit manch Extraleistung!
  • „Ich bin rausgeflogen – Apotheke geht doch immer irgendwie?“ Schlechte Idee in der heutigen Zeit – die Apotheke als beruflicher Notnagel. Fragen Sie sich lieber nach den Gründen für das Scheitern. Ist damit nicht der nächste Misserfolg, dann selbstständig „auf eigene Rechnung“ und mutmaßlich viel teurer, vorprogrammiert?
  • „Blöder Job, aber das Schmerzensgeld stimmt noch!“ Wenn Sie jenseits der Fünfzig sind, mag dieses Argument stechen. Stehen Sie am Anfang Ihrer Laufbahn, steigen Sie ab vom für Sie emotional „toten Pferd“ der Apotheke – oder erst gar nicht auf. Suchen Sie nach Alternativen, aber machen Sie sich nicht unglücklich, weil (vermeintlich) eine sichere Existenz winkt. Oder Sie stehen vor der Erbschaft eines so attraktiven Betriebes, der Ihnen alle Freiheiten erlaubt. Doch selbst dann denken Sie nochmal ernsthaft nach – sogar große, erfolgreiche Familienkonzerne wurden schon zugrunde gewirtschaftet, weil es an Motivation oder Fähigkeiten fehlte. Heutige Gewinne schützen nicht vor dem künftigen Absturz.
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Abb.: Das „Medaillentreppchen” der Misserfolgsfaktoren (und vice versa damit der Erfolgsfaktoren) bei der Gründung einer Apothekenexistenz. Die Goldmedaille gebührt meist der Persönlichkeit des Inhabers bzw. der Inhaberin, Standortwertigkeit und Lage der Apotheke konkurrieren um diesen Spitzenplatz. Finanzierungsfragen sind wichtig, doch talentierte Unternehmer an einem erstklassigen Standort müssen sich darum weniger Sorgen machen.

Standortfaktoren – Lage, Lage, Lage

„Lage, Lage, Lage“ – wenn die nicht stimmt, wird es schwierig und anspruchsvoll – oder gar hoffnungslos. Ohne hier auf die ganzen Facetten der Standortbegutachtung einzugehen: Die Fehleinschätzung des Marktvolumens vor Ort sowie dessen mögliche Verteilung zwischen den Konkurrenzstandorten ist der Kardinalfehler schlechthin bei Neugründungen. Wenn Sie Überraschungen mögen, dann glauben Sie einfach den schönen Ausarbeitungen am besten noch von den anbietenden Maklern.

Dazu kommt die Zeitachse. Es mag ja genug Potenzial da sein – nur wie aufwendig und teuer (Marketing!) ist es, ­dieses zu heben, und wie lange dauert es?

„Business is local“ – das gilt gerade für Apotheken mit ihren vielen Besonderheiten. Am Ende müssen Sie als „Newcomer“ den Umsatz jedoch irgendwo herholen, das bedeutet je nach örtlichen Gegebenheiten von der näheren oder weiteren Konkurrenz. Umsätze sind jedoch heute oft fester gebunden, die anderen Kollegen schlafen nicht und sind aktiver als vielleicht noch vor zehn oder fünfzehn Jahren. Dinge wie die Verankerung vor Ort, Mitgliedschaft in Vereinen, exzellente Kontakte zu wichtigen Schlüsselpersonen oder verwandtschaftliche Beziehungen („local hero“) lassen sich schwer in Standortgutachten fassen. Deshalb ist eine in die Tiefe gehende Konkurrenzanalyse, insbesondere der dahinterstehenden Personen, so wichtig. Viele Umsätze sind eben nicht leicht neu zu verteilen. Auch Mentalitätsunterschiede der Bevölkerung werden gerne übersehen. Für jemanden aus einer ganz anderen Gegend kann dies ein echtes Problem werden.

Eine weitere Großbaustelle ist die Einschätzung von Verordnungsvolumina. Durchschnittszahlen sind, wie der Name schon sagt, statistische Schnitte mit einer hohen Streubreite. Wer sich nur auf solche Angaben verlässt, steht möglicherweise bald verlassen in der wirtschaftlichen Eiseskälte.

Gegen die Wand

„Gier frisst Hirn“, „kleiner Mann einmal ganz groß“, „die Apothekerurkunde verleiht Flügel“ - man kann spekulieren oder auch schmunzeln, was Menschen antreibt, sich geradewegs ins Unglück zu stürzen.

Da lässt sich ein grundsolider Kollege mit einer nicht besonders gut, aber immerhin auskömmlich laufenden Apotheke beschwatzen, jetzt einmal das ganz große Ding zu drehen. Umsatzperspektive > 3 Mio., laut Makler 5 Mio., Top-Einkaufscenter, Top-Miete, ordentlich ausschauendes Gutachten, welches dann doch entscheidende Punkte übersieht. Die Wesentlichen: Ein Center kann gut laufen - nur kommen die Leute auch genau an meiner Tür vorbei? Und wo bekomme ich, selbst bei guter Fre-quenz, mal so eben 4 oder 5 Mio. Euro her, wenn im näheren Umfeld ebenfalls starke Apotheken mit womöglich noch besseren Standortfaktoren und den Praxen im Haus sitzen? Und warum schlägt bei einer solchen Chance keiner der umliegenden Kollegen zu, die die Lage doch alle viel besser kennen? Das Ergebnis: 150 bis 180 Kunden täglich in den ersten Wochen, nach einem halben Jahr kaum mehr, benötigt würden aber deutlich über 500. Wirtschaftlicher Exitus nach weniger als einem Jahr, kein Wunder bei operativen Verlusten von 20.000 Euro - monatlich!

Ähnlich ein Kollege, dem ein properes Ärztehaus nicht gut genug war. Zwar keine Riesen-Apotheke, doch sehr ordentlich und auskömmlich. Aber genug ist eben nicht genug - und so ging es hinaus in die weite Welt, in die Top-Einkaufsmeile einer bundesdeutschen Metropole, über 70.000 Kunden am Tag - nur nicht in seiner verschämten Ecke ganz hinten, dafür trotzdem eine Top-Miete. Dann war’s wirklich genug und reif für die Abwicklung - ebenfalls nach knapp einem Jahr, als jeder Liquiditätsplan gesprengt war.

Sprichwörtlich sind die Fälle, in denen Apothekengründungen auf das Versprechen von Arztpraxen hin erfolgen. Das Zeichen setzende MVZ mit einer ganzen Reihe von Top-Verordnern entpuppt sich dann aber als 08/15-Ärztehaus mit Allgemeinmediziner, Kinder- und Augenarzt dummerweise noch im Gewerbegebiet. Auch hier: Jalousie runter nach einem Jahr, Juristen mögen sich um nicht eingehaltene Versprechungen kümmern, und man kann dann von Glück reden, wenn es einen Kollegen mit drei weiteren Apotheken trifft, den das Ganze „nur“ empfindlich viel Geld kostet, aber nicht die ganze Existenz.

Doch auch zwei Nummern kleiner kann Ungemach drohen. So verfiel eine aparte Kollegin, weltgewandt, stets in Großstädten zu Hause, auf die Idee, eine durchaus tragfähige Landapotheke zu übernehmen. Doch schon nach kurzer Zeit begannen die Konflikte - mit der Belegschaft, die nun mal jahrzehntelang einen gewissen Arbeitsstil entwickelt hatte, mit Ärzten, mit der „rückständigen“ Bevölkerung. Ergebnis: Umsatzabbau von über einem Drittel binnen weniger als zwei Jahren, und eine im Grunde „bombensichere“ Apotheke fuhr somit frontal an die Wand. Hier war schlicht die falsche Person am falschen Ort, woanders wäre die Kollegin mit ihren Ideen und Konzepten wohl sehr erfolgreich gewesen.

Übrigens: Wahrscheinlich alle diese Fälle wären mit etwas mehr Analysearbeit, Augenmaß und Selbsterkenntnis zu verhindern gewesen!

Finanzierung – das liebe Geld

Engansitzend finanziert wie ein Maßanzug – für Neugründungen vor allem in exponierten Lagen wird hier der Kragen rasch zu eng. Besonders gefährdet sind große Einkaufs­center, Innenstadt-Lauflagen, Bahnhofs- oder Flughafen-Apotheken, aber auch manch „spezielles“ Ärztehaus. Da glauben Sie einmal zu viel den schönen Gutachten, die bereits nach ein, zwei Jahren gute Gewinne prognostizieren. Überhöhte Kundenzahl- und Rezeptannahmen, aber auch Tricks wie das Strecken des Kapitaldienstes auf den Sankt Nimmerleins-Tag („griechisches Modell“) zaubern unter dem Strich ein Plus herbei. Sie freuen sich, das „große Los“ gezogen zu haben, dabei sitzen Sie als „Einzelkämpfer“ ohne weitere Apotheken und Reserven im Hintergrund auf dem sicheren Nebengleis mit Zielbahnhof „Insolvenz“. Planmäßige Ankunft dieses Pleitezuges ist gerne bereits rund ein Jahr nach Eröffnung.

Für viele hochtrabende Projekte mit (scheinbar) exzellenten Aussichten muss man daher heute das notwendige „Spielgeld“ mitbringen, und das kann jenseits der Millionengrenze liegen. Angesichts der Beträge, die man heute für viel schöne Technik liegen lassen kann, und der Raumkosten in 1A-Lagen, die teils groteske Züge annehmen, steigt dieser Spieleinsatz eher noch. Vor allem die seriös schwer im Voraus kalkulierbaren Verluste der teils mehrjährigen Anlaufzeiten müssen Sie als Neugründer schultern können. Je „exklusiver“ das Objekt, umso mehr, trotz attraktiver Gewinnaussichten irgendwann, wenn, ja wenn ...

Das geben die klassischen Finanzierungspläne oft nicht her. Deshalb sind solche exponierten Neugründungen im Grunde nur etwas für Kolleginnen und Kollegen mit dem entsprechenden Vermögenshintergrund und Stehvermögen, was z. B. durch vorhandene, gut laufende Apotheken gebildet wird.

Besser kalkulierbar sind somit Übernahmen gut eingeführter Betriebe. Deshalb lautet der Tipp an „Neulinge“ ohne Vermögen: Angesichts des demografischen Wandels in der Apothekerschaft warten in den nächsten Jahren viele Apotheken auf Nachfolger – und das sind nicht nur Schließungskandidaten. Und nicht jede wirtschaftlich erfolgreiche Apotheke hat einen Familiennachfolger, auch wenn dies immer noch ein häufiges Modell ist. Die „Familiendynastien“ erleben im Zuge der Filialisierung und Marktkonzentration eine Renaissance. Dennoch tun sich Lücken auf – und diese gilt es für Existenzgründer zu füllen. Aus dem normalen Angestelltenverhältnis über eine leitende Funktion in die Nachfolge hineinzuwachsen ist daher der berechenbarste Weg. Auch dieser ist mit Fallen und Fettnäpfchen gespickt, in die man aber nicht zu treten braucht.

Existenzgründung – noch empfehlenswert?

So stellt sich die Frage: Soll man heute überhaupt noch das Risiko einer Apothekengründung eingehen? Hierauf gibt es keine pauschale Antwort. Zudem hängt dies so stark wie nie von den individuellen Voraussetzungen ab. Die Spaltung des Marktes in hoch erfolgreiche Betriebe und die „Abgehängten“ schreitet fort. Eine Tendenz zu neofeudalen Erbhof-Strukturen ist unverkennbar, und viele Züge sind abgefahren, freilich nicht alle. Das verschärft die Entscheidung: Neugründung oder Übernahme?

Deshalb hier die Einschätzung eines „Querdenkers“ im Hinblick auf eine Existenz-, insbesondere aber Neugründung: Angesichts des Sackgassenrisikos bei gleichzeitig guten Beschäftigungschancen quer durch die „Life Sciences“ will eine solch langfristige Festlegung sehr gut überlegt sein. Apotheke am Ort X muss man wollen, aber heute auch wirtschaftlich solide bespielen können. Daher wird man öfters mal abraten müssen. Im Einzelfall kann aber das schnelle, entschlossene Ergreifen einer Chance genau die richtige ­Lebensentscheidung sein.

Nur sollte der Standort dann perspektivisch zum oberen Viertel, der sicheren Seite, zählen. In Umsatzzahlen übersetzt bedeutet das deutlich über 2 Mio. Euro und Roherträge ab etwa 600.000 Euro. Alternativ kommt eine solch interessante Nische in Betracht, die ungeachtet der nackten Umsätze auch wieder attraktiv ist. Das läuft aber ebenfalls auf das Prinzip der Besten hinaus – die Besten in der Nische. Es ist eben als „Newcomer“ heute sehr schwer, gegen eine teils übermächtige, filialgestärkte und kapitalkräftige Konkurrenz Boden gut zu machen, oder aber man segelt abseits des Trubels „unter dem Radar“. Reden wir nicht drumherum: Die Märkte sind ziemlich verteilt.

Weiterhin sollten die persönlichen Voraussetzungen stimmen. Nicht wenige sind tolle Sachverwalter, ausgezeichnete Fachleute – aber keine Unternehmer, sondern gute Angestellte. Sie sollten es bleiben.

Neugründungen und Übernahmen können unverzichtbar sein im Rahmen der Sicherung der eigenen Marktposition und Expansion. Dies ist jedoch ein ganz anderes Thema für die bereits Selbstständigen.

Heutige, junge Existenzgründer sollten zudem einige grundlegende Überlegungen anstellen. Wir werden gravierende Marktveränderungen erleben, anders, als sich das viele vorstellen können. Schon jetzt sind bedeutende Teile der Apothekentätigkeit automatisierbar, nur (änderbare) Gesetze verhindern einen drastischen Rationalisierungsschub. Im Gefolge des Online-Handels bilden sich völlig neue Logistikstrukturen heraus, und zudem sind regelrechte Technologieumbrüche gerade bei den Therapien teurer Erkrankungen zu erwarten, welche für die „klassische Pharmazie“ viele Fragezeichen aufwerfen werden. Eine Existenzgründung, im Alter um die 30 angegangen, sollte eine Perspektive für weitere 30 bis 40 Jahre bieten. Und in diesem Zeithorizont ist bei den „Life Sciences“ nicht zuletzt angetrieben durch die Fortschrittskostenfalle verdammt viel zu erwarten – mehr als in den letzten 40 Jahren. Die Zukunftsfrage wird sich neu stellen für die Apotheken: Schaffen sie den Schwenk zu einer Art „Life Science Center“, oder werden sie vom Fortschritt überholt? Künftige Gründergenerationen werden ­jedenfalls eine weit höhere Veränderungsbereitschaft mitbringen müssen als die vergangenen. |

Autor

Apotheker Dr. Reinhard Herzog, Berater, Entwickler, langjährige Hochschullehrertätigkeit, Buch- und Fachartikel-Autor zu wirtschaftlich-technischen Themen in Apotheke und Industrie.

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