Foto: shock - Fotolia.com

Management

Mit Öffnungszeiten punkten

Arztpraxen, umliegende Betriebe und ÖPNV als Frequenzbringer

In viel zu vielen Apotheken werden die Umsatzbringer ausgesperrt! Seit das Ladenschlussgesetz liberalisiert und reformiert wurde und seit 2002 von einer Apothekerin die Teilnahme von Apotheken an verkaufsoffenen Sonntagen vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten wurde, kann jeder Apothekeninhaber die idealen Öffnungszeiten maßgeschneidert selbst bestimmen. Von Karin Wahl

Stadt-, Stadtrand- und Landapotheken haben den unschätzbaren Vorteil, dass sie – im Unterschied zu Center-, Bahnhofs- und Flughafenapotheken – nicht durch ihre Mietverträge vorgeschrieben bekommen, wann sie zu öffnen oder zu schließen haben. Sie können sich ganz auf die örtlichen Begeben­heiten einstellen wie

  • Straßenbahn- oder Bushalte­stellen mit hohen Frequenzen im Berufsverkehr,
  • Arztpraxen, Klinikambulanzen und Heilpraktiker,
  • Betriebe, Behörden usw. mit ­vielen Angestellten oder
  • sonstige Frequenzbringer wie Supermärkte etc.

Doch fatalerweise haben viele kleine und mittlere Apotheken – häufig auch aus Rücksicht auf die Wünsche des Personals – stereotyp Öffnungszeiten von 8.30 bis 12.30 Uhr und von 14.00 bis 18.30 Uhr! Dabei geht es oft nur um eine Stunde hin oder. Stellt man z. B. fest, dass die benachbarten Arztpraxen immer bis 13.00 Uhr Sprechstunde abhalten, wäre es kontraproduktiv, um 12.30 Uhr die Apotheke zu schließen, wenn in dieser halben Stunde noch viele Patienten ihre Rezepte einlösen wollen. Auch wenn um 18.35 Uhr eine vollbesetzte S-Bahn aus der Großstadt kommt, ist es durchaus überlegenswert, diesen Schwung an potenziellen Kunden noch abzuwarten.

Natürlich sollte man nach einer Änderung der Öffnungszeit in angemessenem Zeitabstand überprüfen, ob sich die Änderung positiv, negativ oder womöglich gar nicht auf die Anzahl der Kunden und auf Umsatz und Ertrag ausgewirkt hat.

Die Kundenfrequenz messen

Schwarz auf weiß erhält man die Kundenfrequenz mit einem entsprechenden Programm der Apotheken-EDV. Dabei ist es wichtig, diese über eine normale Periode zu messen und folgende Parameter einzugeben:

  • Montag bis Freitag
  • Zeitraum 1 Monat und zwar ­jeden Monat im Jahr (Januar bis Dezember)
  • halbstündliche Auswertung (ist ergiebiger als stündliche Auswertung)

So lassen sich die optimalen Öffnungszeiten sowohl für das laufende Jahr als auch für die Ferienzeit bestimmen. Die Kundenfrequenz gibt auch Auskunft, ob man wirklich um 8.00 Uhr aufmachen oder bis 19.00 Uhr geöffnet haben muss. Es zeigt sich an den Werten zudem, wann auch das halbe Team ausreicht und wann es womöglich nur einzelnen Kunden auffällt, wenn man die Öffnungszeit um eine halbe Stunde verändert.

Damit kann man nicht nur die Öffnungszeiten optimieren, sondern es wird auch ein gestaffelter Personaleinsatzplan möglich, der sowohl dem Team als auch dem Kunden entgegenkommt.

Sollte sich eine Maßnahme nicht positiv ausgewirkt und finanziell gelohnt haben, lässt sie sich auch wieder rückgängig machen. Dabei passiert es höchst selten, dass Apotheken, die sich zu einer durchgehenden Öffnungszeit entschlossen haben, wieder zur Schließung über Mittag zurückkehren – die Erhöhung der Kundenzahl und des Umsatzes sind in der Regel absolut überzeugend.

Foto: .shock – Fotolia.com

Wer in einem Einkaufszentrum freie Öffnungszeiten wählen kann, sollte sich den anderen Geschäften anpassen. Ein gutes Personaleinsatzsystem hilft, auch Öffnungszeiten bis in die Abendstunden zu besetzen.

Keine falsche Rücksicht nehmen

Ein Beispiel: Ein Apotheker in einer attraktiven Kreisstadt in Baden-Württemberg mit sechs Apotheken bei ca. 15.000 Einwohnern im Kern und einem großen Einzugsgebiet im Umland möchte seine Apotheke in zwei bis drei Jahren verkaufen. Der Standort ist exponiert und sehr attraktiv, die Lage gegenüber dem Rathaus und in unmittelbarer Nähe zum Verwaltungsgebäude einer großen Versicherung mit 300 Mitarbeitern stimmt jeden Berater positiv. Dennoch kämpft der Inhaber mit einem Netto-Jahresumsatz von 1,1 Millionen Euro um seine nackte Existenz. Wie passt das zusammen?

Ein Blick auf die Öffnungszeiten löst das Rätsel: Montag bis Samstag 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr, Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag von 14.30 Uhr bis 18.00 Uhr, Mittwochnachmittag geschlossen. Das entspricht mit 38 Stunden Wochenöffnungszeit der Wochenarbeitszeit der drei Mitarbeiterinnen.

Ein typischer Fall, bei dem ein großer Prozentsatz der möglichen Kunden ausgesperrt wird. Eine Befragung der Rathaus- und Versicherungsmitarbeiter zeigt, dass sie gerne Kunden wären, aber zu den Öffnungszeiten ihre Betriebsstätten nicht verlassen können. Einige teilen mit, dass sie im Internet bestellen und an die Geschäftsadresse liefern lassen. Ein Super-GAU für eine Apotheke und das noch komplett selbst verschuldet.

Das Gespräch mit den Mitarbeiterinnen ergibt, dass sie tatsächlich aus familiären Gründen ihrem Arbeitgeber ihre Arbeitszeiten diktieren. Sie kommen immer alle zur gleichen Zeit, treten die Pausen zur gleichen Zeit an und verlassen die Apotheke zur gleichen Zeit bei Geschäftsschluss. Der Inhaber hat weder eine Lösung noch die Energie, sich gegen die Damen durchzusetzen. So ist der Traum, die Apotheke in zwei bis drei Jahren zu einem guten Preis zu verkaufen, in weiter Ferne.

Die gute Nachricht: Mit einer rücksichtsvollen, flexiblen Personaleinsatzplanung gelingt es, die Apotheke durchgehend zu öffnen und die ausgesperrten Kunden einzulassen. Zusammen mit einigen kleineren optischen Verschönerungsmaßnahmen steigt der Umsatz in kurzer Zeit um 30%. Der gute Verkauf der Apotheke in zwei bis drei Jahren ist jetzt realistisch, da der Umsatz und der Ertrag weiterhin nach oben zeigen.

Personaljoker für die Randzeiten

In Stadt- und Centerapotheken etc. ist es ein großes Problem, Personal für die langen Öffnungszeiten am Abend, häufig bis 20.00 Uhr oder sogar bis 22.00 Uhr, zu gewinnen. Das verlangt vom Inhaber ein sehr cleveres Personaleinsatzsystem, das den Mitarbeitern als Gegenleistung ganze freie Tage ermöglicht.

Mitarbeiter ohne Familie haben meist kein Problem, am Samstag bis spät abends zu arbeiten, wenn sie dann Sonntag und Montag frei haben.

Aber auch Mitarbeiter mit Familie übernehmen oft gerne eine Spätnachmittag- und Abendschicht, wenn der Ehepartner auf die Kinder aufpassen kann.

Sinnvoll ist zudem, gezielt Doktoranden aus Pharmazeutischen Instituten oder Berufsschullehrer anzusprechen, die noch ein paar Stunden Praxiserfahrung sammeln wollen. Ebenso sind PTAs und Approbierte, die im Außendienst tätig sind, oft bereit, an langen Samstagen ab und zu einzuspringen. Hier unterschätzen manche Inhaber die Vielfalt der mög­lichen „Aushilfen“. Der kleine Schönheitsfehler liegt bei diesem Konzept darin, dass Kunden, die immer zur gleichen Zeit kommen, nicht immer ihren „Stamm-Bediener“ antreffen. Ist aber das ganze Team gut geschult, motiviert und kompetent, lässt sich das kompensieren.

Auf Veränderungen achten

Umgekehrt gilt natürlich auch: Falls die Einzelhändler im Umfeld alle über Mittag schließen, kann sich die Apotheke diesem Vorgehen anschließen – es sei denn, sie ist gerade dienstbereit. Allerdings sollte man hier genau auf Veränderungen achten; wenn sich beispielsweise ein Discounter mit durchgehenden Öffnungszeiten ansiedelt, sollte die Apotheke ebenfalls durchgehend öffnen. Sonst wird sehr schnell angenommen, dass der Apotheker „es wohl nicht nötig hat“. Das könnte dann der Anfang vom Ende einer erfolgreichen Apotheke werden. Lassen Sie das nicht zu! |


Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie
und Unternehmensberaterin, Stuttgart

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.