Gesundheitspolitik

Gute Aussichten für Apotheker

Neue Rechtsprechung führt zu verringerter Verantwortung für Produktangaben

FRANKFURT | Immer wieder sind Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke wegen unrichtiger Kennzeichnung Ziel von Abmahnungen. Dabei geraten neben den Herstellern auch Apotheker, die die Produkte vertreiben, ins Visier streitbarer Mitbewerber. In der Vergangenheit hatten Apotheker dabei schlechte Chancen: Gerichte ­bejahten durchgängig auch ihre Verantwortung für falsche Packungsangaben. Diese Praxis scheint sich nun zu wandeln. Auf der Grundlage einer Ende 2014 in Kraft getretenen EU-Verordnung hat erstmalig ein Oberlandesgericht anders entschieden und die Verantwortung allein dem Hersteller zugewiesen.

Das OLG Düsseldorf hatte im Dezember 2015 und im Januar 2016 mehrfach über Fälle zu entscheiden, in denen Herstellern – unter anderem der Doppler Health GmbH und der Firma Weber & Weber – der Vorwurf gemacht wurde, auf der Verpackung seiner Produkte falsche Angaben gemacht zu haben. Bei den Produkten handelte es sich insbesondere um bilanzierte Diäten, etwa Migra 3 und Orthoexpert© – Pro Man bzw. Orthoexpert© Migravent classic. Hinter der Abmahnwelle stand Veniapharm – ein Unternehmen, das Nahrungsergänzungsmittel online vertreibt – und der Mannheimer Rechtsanwalt Thorsten Beyerlein. Sie mahnten auch zahlreiche Apotheker ab, die die fraglichen Produkte verkauften. Die Landgerichte hatten noch eine Verantwortung der Apotheker für den Rechtsverstoß bejaht. Sie wiesen deren Einwand zurück, bei der enormen Vielzahl von Arzneimitteln und sonstigen in Apotheken erhältlichen Produkten sei die Kontrolle der Verkehrsfähigkeit praktisch undurchführbar. Dem hielten die Gerichte entgegen, dass der erfolgreich abgemahnte Apotheker einen Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller habe. Ein schwacher Trost, bedenkt man, dass dieser Anspruch erst einmal vor Gericht durchgesetzt werden muss.

Vor diesem Hintergrund könnten die aktuellen Entscheidungen des OLG Düsseldorf zu einer dauerhaften Absicherung und Entlastung der Lage der Apotheker führen. Sie basieren auf der bereits am 13. Dezember 2014 in Kraft getretenen EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Diese stellt lebensmittelbezogene Informationen auf eine neue und EU-weit einheitliche rechtliche Basis. Sie gilt für Hersteller, Verarbeiter und Händler. Die Gerichte hatten bisher gezögert, Apotheker mit „Händlern“ gleichzusetzen. Nun hat das OLG Düsseldorf zugunsten der Apotheker entschieden: Sie stehen, was die Einschränkung ihrer Verantwortlichkeit für die Deklaration der verkauften Produkte betrifft, den Händlern gleich.

Die neue europäische Regelung konkretisiert die Verantwortlichkeiten des Herstellers in Bezug auf die Produktinformationen. Das heißt: Neben seiner Hauptverantwortung für die Beschaffenheit ­eines Produktes, ist es allein der Hersteller, der für die Richtigkeit der produktbezogenen Informationen einstehen muss. Artikel 8 LMIV stellt klar, dass der Händler, soweit er vorverpackte Ware innerhalb des EU-Binnenmarktes einkauft, grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass diese richtig gekennzeichnet ist. Dies gilt nach bisher konsistenter Rechtsprechung des 20. Senats des OLG Düsseldorf auch für Apotheker. „Von einem Apotheker kann eine Kenntnis zur Wirksamkeit aller erhältlichen – also auch nicht zu seinem normalen Sortiment gehörenden – Produkte nicht erwartet werden“, heißt es in den aktuellen Urteilen (u. a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2016, Az.: I – 20 U 22/15, I- 20 U 25/15; Urt. v. 15.12.2015, Az.: I- 20 U 24/15)

Sorgfaltspflichten bleiben

Völlig frei von allen Sorgfaltspflichten sind Apotheker aber auch nach diesen Entscheidungen nicht: Besteht ein konkreter Anlass, an der Zuverlässigkeit des Herstellers, namentlich an der Verkehrsfähigkeit eines Produktes, zu zweifeln, wird die Kenntnis des Apothekers über die mangelnde Verkehrsfähigkeit vermutet. Das ist, wie den bisherigen Entscheidungen der Gerichte zu entnehmen ist, insbesondere der Fall, wenn der Hersteller bereits erfolgreich abgemahnt wurde. In diesen Fällen wird allerdings in der Regel das betreffende Produkt unverzüglich vom Markt genommen, wie es auch in den hier zitierten Fällen geschehen ist. Damit entfällt bei logischer Betrachtung das Risiko für den Apotheker weitestgehend. Außerhalb des Abmahn-Szenarios sind nur wenige Situationen denkbar, in denen mit Sicherheit von einer Unzuverlässigkeit des Herstellers bzw. von einer mangelnden Verkehrsfähigkeit des Produktes auszugehen ist und die Kenntnis des Apothekers vermutet werden muss. Umgekehrt dürfte es schwer sein, außerhalb solcher ­Situationen einem Apotheker die Kenntnis von einem Rechtsverstoß belastbar nachzuweisen. Dieses relativ geringe Restrisiko einer Haftung sollte jedoch nicht zur Sorg­losigkeit verleiten. Eine gewissenhafte Prüfung der Ware sowie eine Beobachtung aktueller Rechtsfälle, sind sicher empfehlenswert.

Es bleibt zu sagen, dass es von anderen Oberlandesgerichten noch keine entsprechenden Urteile gibt. Es stehen aber sowohl in Düsseldorf, als auch in Frankfurt und München in Kürze weitere Entscheidungen an, die sich voraussichtlich ebenfalls mit dieser Frage befassen werden. Eine höchstrichterliche Entscheidung durch den Bundesgerichthof ist vorerst nicht zu erwarten. Bisher wurde in keinem der entschiedenen Fälle die Revision zugelassen. |

Rechtsanwältin Dr. Bettina C. Elles, LL.M., Marxhausen Rechtsanwälte, Frankfurt

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