Gesundheitspolitik

Neue Rolle für die Apotheker gesucht

Apotheker-Präsidenten aus deutschsprachigen Ländern diskutieren Zukunft des Berufs

SCHLADMING (wes) |  Die Herausforderungen für den Apotheker­beruf in den deutschsprachigen Ländern waren das Thema der berufspolitischen Diskussion am Donnerstag auf dem Pharmacon in Schlad­ming. Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, diskutierte mit Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Dominique Jordan, ehemaliger Präsident des schweizerischen Apothekerverbands PharmaSuisse, und Dr. Maximin Liebl, Präsident der Apothekerkammer Bozen/Südtirol über das Medikationsmanagement und andere neue Dienstleistungen, die die Apotheker gerne anbieten möchten, und über die dafür notwendigen Veränderungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung, über die Probleme in der Zusammenarbeit mit anderen Heilberufen sowie über die regulatorischen Rahmenbedingungen der Apotheken. Trotz der unterschied­lichen Ausgangssituation war sich die Runde einig, dass die Zukunft des Apothekerberufs in der Kompetenzerweiterung und im Angebot neuer Dienstleistungen liegt.
Foto: az/wes-jb

Quo vadis Apotheker? Die berufspolitische Diskussion zeigte für die Schweiz, Italien, Österreich und Deutschland politikbedingt in verschiedene Richtungen. Sicher ist: Die Apotheker müssen aktiv werden, um nicht unterzugehen.

Während Kiefer von den Problemen in Deutschland sprach, das für Modellvorhaben wie ARMIN notwendige Vertrauen zwischen Ärzten und Apothekern aufzubauen, konnten Wellan und Jordan ­berichten, wie es in Österreich und der Schweiz gelungen ist, die Kompetenzen der Apotheker auszubauen.

Auch in Italien gab es in den vergangenen Jahren weitreichende Veränderungen. Der Südtiroler Liebl berichtete, dass alle Heilberufe außer verschreibenden Ärzten nun ihren Beruf auch in Apotheken ausüben dürfen. So ­gebe es eine Kooperation der Südtiroler Apotheker mit Psychotherapeuten, die in Apotheken niedrigschwellige Erstgespräche anbieten. Es gebe auch Apotheker, die Krankenschwestern angestellt ­haben, um beispielsweise Infusionen zu verabreichen.

Jordan berichtete, dass der in vielen Regionen der Schweiz verbreitete Ärztemangel den Wandel des Apothekerberufs erleichtert habe. Mit dem 2015 verabschiedeten neuen Medizinalberufegesetz und der für März erwarteten Revision des Heilmittelgesetzes seien die Kompetenzgewinne offiziell festgeschrieben: Apotheker dürfen nun impfen, sie dürfen weitverbreitete Krankheiten diagnostizieren und mit der für März erwarteten Revi­sion des Heilmittelgesetzes dürfen sie bestimmte Arzneimittelgruppen verordnen. Einen von den Krankenkassen vergüteten Poly­medikationscheck gibt es in der Schweiz schon seit einigen Jahren.

Ohne Widerstand aus der Ärzteschaft sei diese Entwicklung natürlich nicht gewesen. „Der Apotheker kann sowieso machen was er will, die Ärzte werden dagegen sein. Das ist auch eine Machtfrage“, so Jordan. Aber: „Wie kann man akzeptieren, dass die Ärzteschaft entscheidet, was die Apotheker in Zukunft machen? Wir entscheiden auch nicht, was die Ärzte machen sollen.“

In Österreich haben nach Wellans Angaben bereits über 1000 der rund 6000 Apotheker die Fortbildung für das Medikationsmanagement absolviert, das als Dienstleistung der Apotheker angeboten wird. Allerdings sei man auch in Österreich weit von einer Bezahlung dieser Dienstleistung entfernt. Zur immer wieder geforderten „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ mit den Ärzten bemerkte Wellan süffisant: „Es gibt ja ­sogar noch eine Steigerung der ‚Augenhöhe‘, das ist die ‚gleiche Augen­höhe‘.“ Er wolle sich aber gar nicht mit den Ärzten messen, es seien verschiedene Berufe mit unterschiedlichen Aufgaben: „I don’t wanna be a Mini-Doctor, I want to be a Maxi-Pharmacist“, zitierte Wellan einen Kollegen aus England.

Doch Kiefers Kollegen berichteten auch von Problemen und Herausforderungen. So steht in Italien ein Gesetz vor der Verabschiedung, das weitreichende Deregulierungen in vielen Branchen vorsieht, darunter auch die Apotheken. Vor allem beinhaltet der Entwurf eine vollständige Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots. Zwar hätte die Apothekerschaft eine Begrenzung des Fremdkapitals auf 49 Prozent vorgeschlagen, doch Liebl befürchtet eine Verabschiedung ohne jede Änderung. Wenigstens sei aber die Niederlassungsbeschränkung nicht in Gefahr, sodass die wegen der wirtschaftlich schwierigen Situation im Wert schon stark gesunkenen Apotheken nicht völlig wertlos würden.

Am Ende der rund zweistündigen Diskussion kam dann aber wieder Optimismus auf. Für Jordan steht die Zukunftsfähigkeit der Apotheke außer Frage. Der Beruf habe seine Anpassungsfähigkeit schon früher unter Beweis gestellt. „Unsere ‚Vorfahren‘ haben nur Arzneimittel hergestellt. Das macht heute die pharmazeutische Industrie – und wir sind auch nicht verschwunden.“ Doch nur wer Herausforderungen proaktiv angehe, habe eine Chance auf Veränderungen. Jordans Rat: „Bekämpfen Sie Liberalisierungen, solange Sie können. Aber vergessen Sie nicht, die Zukunft vorzubereiten.“ Die beste Vorbereitung sei eine neue Rolle für den Apotheker, als „reiner Verteiler von Medikamenten“ habe er keine Zukunft.

Wellan prophezeite den Apotheken gar eine glänzende Zukunft: „Einer meiner Professoren hat ­immer gesagt, der ideale Patient ist einer, der im Reichtum dahinsiecht. Wenn ich mich in Europa umsehe, kommen wir diesem Ideal schon sehr nahe.“ Aber auch für ihn steht in Zukunft nicht mehr das Arzneimittel als Produkt im Mittelpunkt der apothekerlichen Tätigkeit, sondern ein Gesamt­paket für den Patienten.

Österreich: Studium à la Bolognese

Mit dem Beginn des Wintersemesters 2015/16 wurde in Österreich das Pharmaziestudium auf das Bologna-System umgestellt. Auf den Bachelor of Science nach dem dreijährigen Grundstudium folgt ein zweijähriges Master-Studium. Bisher war Pharmazie in Österreich ein ­Diplom-Studiengang.

Lange habe die Österreichische Apothekerkammer gegen die Einführung des Bologna-Systems für das Pharmaziestudium gekämpft, erzählte ihr Präsident Max Wellan auf dem Pharmacon-Kongress der deutschen Bundesapothekerkammer in Schladming. Immerhin habe man durchsetzen können, dass es auch in Zukunft keine „Apotheker 2. Klasse“ geben wird, denn mit dem Bachelor-Abschluss alleine sei keine Tätigkeit in der Apotheke möglich. Außerdem werde jedem Bachelor ein Platz im Master-Stu­diengang garantiert.

Mit dem neuen Abschluss wurde auch ein neuer Studienplan eingeführt. Das Fach Chemie nehme nun weniger Raum ein, dafür sei das Medikationsmanagement aufgenommen worden. Das neu gegliederte Studium dauert nun zehn statt bisher neun Semester. Die fertigen Apotheker dürften sich aber weiterhin „Magister“ nennen, betonte Wellan, „Titel sind in Österreich eben wichtig“.

In Österreich kann man bisher an den Universitäten Wien, Graz und Innsbruck Pharmazie studieren, in Zukunft will auch eine private Hochschule in Salzburg den Studiengang anbieten. Wer sein Pharmaziestudium vor dem Wintersemester 2015 begonnen hat, kann es bis 2023 nach dem alten System beenden.

Liebl erinnerte an eine kürzlich vorgestellte Studie, die durch die Digitalisierung rund die Hälfte aller heutigen Berufe bedroht sieht. Da beratende und fürsorgliche Berufe davon nicht betroffen seien, sieht er den Apothekerberuf nicht in Gefahr. „Unserer Zukunft wird nichts entgegenstehen, wenn wir unseren Beruf so weiterentwickeln, dass wir selbst damit zufrieden sind“, so Liebl. Dann könne man es auch verkraften, für eine befristete Zeit etwas weniger Geld zu verdienen.

Auch für Kiefer ist der Ansatz, die Berufsausübung und die Rolle der Apotheker weiterzuentwickeln, „genau der richtige“. Dazu sei eine weiterhin enge Zusammenarbeit mit den europäischen Kollegen wichtig. Wie offensiv eine solche Weiterentwicklung ­betrieben werden solle, müsse aber wohlüberlegt sein. Man könne auch nicht einfach die Rezepte aus Österreich oder der Schweiz auf die teilweise ganz anderen ­Bedingungen in Deutschland übertragen. |

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