Management

„Wechseln Sie den Blickwinkel!“

Wie Sie Denkfehler bei Entscheidungen vermeiden können

Denkfehler vermeiden – wer will das nicht, insbesondere bei wichtigen Entscheidungen. Aber selbst den klügsten Menschen unterlaufen zuweilen ­fatale Denkfehler. Dazu trägt bei, dass vielfach die Komplexität von Entscheidungen unterschätzt und am Bewährten zu lange festgehalten wird. Von Michael Madel

Der Psychologe Dietrich Dörner hat vor über 30 Jahren eindrucksvoll gezeigt: Dem Menschen fällt es schwer, mit Komplexität angemessen umzugehen. In einem Experiment übernahmen Teilnehmer das Amt eines Bürgermeisters der im Computer simulierten Stadt „Lohhausen“. Während eines fiktiven Zeitraums von zehn Jahren verfügten sie über diktatorische Vollmachten und konnten jede Entscheidung treffen, die ihrer Meinung nach dem ökonomischen und sozialen Wohl der Lohhausener diente.

Dann jedoch das niederschmetternde Ergebnis: Die meisten „Bürgermeister“ scheiterten, sie stürzten die Stadt Lohhausen in ein Fiasko und trieben sie in den Ruin. Als Grund machte Dörner das „Prinzip der Überwertigkeit des aktuellen Motivs“ aus: Die Sorge um gegenwärtige Missstände hatte die „Bürgermeister“ daran gehindert, zukünftige Entwicklungen gedanklich vorwegzunehmen. Mit anderen Worten: Das Alltagsgeschäft verhindert den strategischen Weitblick.

Hinzu kommt laut Dörner, dass Menschen meistens nicht imstande sind, die Komplexität von Entscheidungen zu analysieren und deren Folgen im Detail und über einen längeren Zeitraum hinweg einzuschätzen und angemessen zu berücksichtigen.

Die Herausforderung: Schwierige Entscheidungen können immer nur im Hier und Jetzt und in Abhängigkeit von den Tatsachen und Fakten, die im Moment verfügbar sind, getroffen werden. Man sollte trotzdem versuchen, neben der Beurteilung der gegenwärtigen Situation auch die zukünftigen Folgen in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. Aber wie?

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Aus dem Räderwerk des Alltags ausbrechen und sich Zeit nehmen für den Perspektivenwechsel – und plötzlich sieht man manches anders ...

Mit Selbstreflexion Entscheidungskompetenz verbessern

Bei der Beantwortung der Frage, wie es gelingt, kluge oder zumindest klügere Entscheidungen zu treffen, gibt es kein Patentrezept. Denn ob eine Entscheidung richtig oder falsch ist, zeigt sich oft erst in der Zukunft. Darum ist es wichtig, Weitsicht walten zu lassen – soweit dies möglich ist.

Eine Möglichkeit, einer Denkfalle zu entgehen, besteht in der Selbstreflexion. Wenn wir in die Situation geraten, rasch entscheiden zu müssen, verlassen wir uns oft auf unsere Erfahrungen. Oder wir vertrauen unserem Bauchgefühl und treffen die Entscheidung spontan. Die erste Entscheidung muss aber nicht immer die beste sein, ganz gleich, ob sie rational oder intuitiv getroffen wurde. Falls möglich, sollte man sich innerlich zurückziehen, die Situation überdenken und sie mit einer zweiten Person, der man vertraut, durchsprechen. Wichtig ist es, zur eigenen Position einen Abstand aufzubauen, um die Situation aus einem anderen Blick­winkel zu betrachten. Der Entscheidungsprozess sollte nur in Ausnahmefällen eine „One-Man-Show“ sein.

Perspektivenwechsel statt übereilte Entscheidungen

Eine andere Sichtweise einnehmen – das schützt zum Beispiel vor dem Fehler, immer in denselben Bahnen zwar erfolgreicher, aber vergangener Entscheidungen zu denken. Der Perspektivenwechsel durch Selbstbefragung und das Gespräch mit Menschen unseres Vertrauens helfen uns, neue Rahmenbedingungen zu bedenken und kritisch zu fragen, ob die eingefahrenen Entscheidungswege nicht auch einmal verlassen werden sollten.

Ein weiterer Denkfehler ist, zu schnell und zu übereilt zu entscheiden, ohne die Faktenlage ­ausführlich analysiert zu haben. Auch hier trägt der Perspektivenwechsel dazu bei, in Ruhe nach Lösungsalternativen zu suchen.

Auf der anderen Seite jedoch ist es ein Irrglaube, bei der Entscheidungsfindung immer jedem Aspekt gerecht werden zu müssen: Eine Entscheidung kann auch ­„totanalysiert“ werden. Man verliert sich dann im Dickicht der Argumente und des Für und Wider. Darum sollte man die Komplexität des Entscheidungsprozesses so weit wie möglich reduzieren und das Grundsätzliche der Entscheidung in den Vordergrund stellen. Es darf dabei allerdings nicht zur unzulässigen Verkürzung kommen, es geht um die Konzentration auf das Wesentliche.

Mehrere Entscheidungsoptionen aufbauen und nutzen

Vermeiden Sie Entweder-oder-Entscheidungen! Zuweilen kann, ja muss eine Entscheidung darin bestehen, ein „Sowohl-als-auch“ zu akzeptieren. Nehmen wir an, ein Apothekenleiter steht vor der Entscheidung, einem Mitarbeiter zu vertrauen oder ihn stärker zu kontrollieren. Das Dilemma: Seine Einstellung, das Team werteorientiert zu führen, lässt ihn die Entscheidung ins Kalkül ziehen, dem Mitarbeiter einen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Auf der anderen Seite hat der Mitarbeiter Aufgaben zu erfüllen, die sehr wichtig sind für die Kundenzufriedenheit und die Qualität der Kundenorientierung. Daher würde der Apothekenleiter lieber genau wissen, inwieweit der Mitarbeiter diesen Aufgaben gerecht wird.

Worin besteht der Ausweg aus dem Dilemma? Dazu ein Vorschlag: Der Apothekenleiter verknüpft Vertrauen mit Kontrolle. Das heißt, er vertraut seinem Mitarbeiter so viel wie möglich und kontrolliert nur, wo es unbedingt notwendig ist. Was notwendig ist, hängt von der konkreten Situation und dem Reifegrad des Mitarbeiters ab. Es gibt Mitarbeiter, die wünschen die enge Begleitung durch eine Führungskraft oder einen erfahrenen Kollegen. Andere wiederum erfüllen ihre Aufgaben am besten, wenn der Chef ihnen Freiraum lässt. Entscheidend ist, die Entweder-oder-Entscheidung nicht als einzige Option in Betracht zu ziehen, sondern den ­Fokus auf das „Sowohl-als-auch“ zu lenken.

Entscheidungen nie unter Stress fällen

Weniger ein Denkfehler, sondern mehr ein Handlungsfehler liegt vor, wenn der Apothekenleiter zwar eine Entscheidung trifft, aber keine Taten folgen lässt. Darum sollte er schon im Vorfeld die konkreten Umsetzungsschritte bedenken, die zur Realisierung der Entscheidung notwendig sind. Zuweilen kann diese Überlegung dazu führen, eine Entscheidung nochmals zu überdenken – wenn sich nämlich herausstellt, dass sich die Umsetzung kaum leisten lässt.

Grundsätzlich dürfen wichtige Entscheidungsprozesse nie unter Stress und Druck ablaufen. Denn dann ist die Gefahr am größten, sich allein von Gefühlen leiten zu lassen und in Denkfallen zu tappen. Aber selbstverständlich lässt sich der Entscheidungsdruck nie ganz verhindern: Oft sind Entscheidungen ja eben deshalb so schwierig, weil sie in Stresssituationen getroffen werden müssen.

Hier ist wiederum die Kompetenz des Apothekenleiters zur Selbst­reflexion gefragt. Es genügt manchmal, nur kurz die Helikopter-Perspektive einzunehmen, die Entscheidungssituation aus der ­Distanz zu betrachten und zu prüfen, ob es eine Alternative gibt. |

Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater

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