Interpharm 2016 – ApothekenRechtTag

Kein Ende des Retax-Wahns in Sicht

Uneinheitliche Fristen, schwierige Nachweise, fehlende Telefonnummern – ein Update

ks | Eine „Monatsfrist“ kann Tücken haben – wenn man sich nicht einig ist, wie viele Tage ein Monat hat. Und nicht jede Friedenspflicht im Zusammenhang mit Retaxationen ist nachvollziehbar. Dies und mehr thematisierte Valentin Saalfrank, Fachanwalt für Medizinrecht in Köln, beim „Retax-Update“ des ApothekenRechtTags.

Der Apotheker hat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur dann einen Anspruch auf Vergütung, wenn bei der Abgabe des Arzneimittels alle gesetzlichen wie vertraglichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein Knackpunkt kann die Gültigkeitsdauer der Verordnung sein. Nach dem Rahmenvertrag ist die Belieferung vertragsärztlicher Verordnungen „längstens einen Monat“ ab Ausstellung ­zulasten der Krankenkasse statthaft. Doch was ist ein Monat? Die Auffassungen reichen von 28 über 30 bis zu 31 Tagen – und wann fängt die Frist überhaupt zu laufen an?

Foto: DAZ/C. Hartlmaier

Dr. Valentin Saalfrank gab ein Update der „aktuellen“ Retax-­Begründungen.

Bei Fristen ist das BGB einschlägig

Eigentlich verweist § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), soweit das SGB V selbst keine Regelung enthält, was bei den Fristen der Fall ist. Doch das Bundessozialgericht greift vorzugsweise auf das I. und X. Buch des Sozialgesetzbuchs zurück. Was die Berechnung der Dauer einer Frist betrifft, so verweist aber selbst das SGB X auf das BGB. Nach § 187 BGB – und so liest es sich auch im Rahmenvertrag – beginnt die Frist am Tag nach der Ausstellung der Verschreibung. Sie endet mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis (hier: Ausstellung der Verschreibung) fällt. Das heißt: Ist ein Rezept am 18. März 2016 ausgestellt worden, endet die Ein-Monatsfrist am 18. April 2016. Gibt es den Tag im nächsten Monat gar nicht, so endet die Frist am letzten Tag des Monats (Ausstellung am 31. März/ Fristende 30. April). Und das BGB regelt noch mehr: Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, so endet die Frist erst am Werktag ­darauf. Bei BtM- oder T-Rezepten, die eine kürzere Frist von sieben bzw. sechs Tagen vorsehen, sollte diese ­Regelung allerdings nicht angewendet werden. Denn hier dient die kurze Frist der Arzneimittelsicherheit. Im Fall von Ostern könnte sich die Frist um bis zu vier Tage verlängern, gibt Saalfrank zu bedenken. Das wäre doch sehr lang. Zumal Rezepte auch an Wochenenden und Feiertagen einlösbar sind.

Wie weit reichen Nachweis­pflichten?

Derzeit ein großes Problem sind die von einigen Kassen geforderten Nachweise bei Nichtlieferfähigkeit ­eines Rabattvertragsarzneimittels. Der Rahmenvertrag bestimmt, dieser Nachweis „kann durch Vorlage einer Erklärung des pharmazeutischen Unternehmers oder des Großhändlers geführt werden“. Das „kann“ weist für Saalfrank darauf hin, dass es auch andere Wege des Nachweises geben kann. Unklar sei aber, wie genau er überhaupt erfolgen soll: Wie viele Großhändler muss eine Apotheke etwa abtelefonieren? Zwei, drei? Was die Nachweispflichten bei pharmazeutischen Bedenken betrifft, enthält der Rahmenvertrag gar keine näheren Angaben. Anders als bei der Lieferfähigkeit geht Saalfrank davon aus, dass hier tatsächlich keine weiteren Nachweise nötig sind, die Angabe der Sonder-PZN reiche aus. Allerdings könne es aus Gründen der Beweissicherung dennoch hilfreich sein, intern genauer zu dokumentieren, warum Bedenken bestanden.

Fehlende Telefonnummer kann kein Retax-Grund sein

Die im letzten Jahr erfolgte Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung, wonach ein Rezept nun auch Vorname und Telefonnummer des ­Arztes enthalten muss, führte bislang nicht zu Retaxationen – dafür zu Friedenspflichten, die aus Saalfranks Sicht gar nicht nötig wären. Er ist überzeugt, dass ein Fehlen dieser Angaben kein Retax-Grund sein kann, da sie lediglich eine Hilfe für den Apotheker sein sollen, aber für die Abgabe nicht relevant sind.

Wenig Zuversicht, dass der Retax-Wahn einiger Kassen sich legt, gibt die rigorose Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Das im November 2015 ergangene Urteil zur Nullretaxation wegen der Versorgung eines Patienten mit Zytostatika ohne Exklusivvertrag sei „ein Paradebeispiel für die Dominanz des Wirschaftlichkeitsgebots“, so Saalfrank. Doch ein positives Urteil kam 2012 aus Kassel: Danach fällt der Kassenabschlag nur an, wenn eine Kasse die Rechnung einer Apotheke vollständig bezahlt hat – er unterliege nicht der vertraglichen Disposition (Az: B 1 KR 14/11 R). Ist eine Retaxation unzulässig, sei eine Rechnung nicht voll bezahlt, so Saalfrank. Daher sei die Entscheidung zwar ein „kleines, aber schneidiges Schwert“ im Kampf gegen die Kassen. |

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