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Arzneimittel und Therapie
Leitlinien-Update: Morbus Parkinson
Die wichtigsten Empfehlungen auf einen Blick
Morbus Parkinson zählt hierzulande mit etwa 220.000 Betroffenen zu den häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Die Krankheit zeigt einen stadienhaften Verlauf mit motorischen und psychologischen Beeinträchtigungen. Das Ziel der evidenz- und konsensus-basierten Leitlinie ist es, Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie zu geben, die dem neuesten wissenschaftlichen Stand entsprechen. Was bleibt, was ist neu?
Diagnostik
Bei Verdacht auf IPS sollte eine Überweisung zu einem Spezialisten mit einer Expertise in der klinischen Differenzialdiagnose von Parkinson-Syndromen veranlasst werden. Die korrekte Frühdiagnose erfordert eine sorgfältige neurologische Anamnese und ist entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf und den Erhalt der Lebensqualität. Zum Ausschluss symptomatischer Ursachen sollte die kraniale Computertomografie (cCT) oder kraniale konventionelle strukturelle Magnetresonanztomografie (MRT) eingesetzt werden. Bei Unklarheiten ist ggf. zum Nachweis eines nigrostriatalen Defizits der Einsatz des präsynaptischen Dopamin-Transporter-SPECT (DAT-SPECT) sinnvoll.
Frühstadium von IPS
Die Therapie des IPS im Frühstadium sollte neben Alter, Erkrankungsdauer und sozialer Situation künftig auch die steigende Lebenserwartung verstärkt berücksichtigen. Durch den individuellen Einsatz von Dopaminagonisten (DA), MAO-B-Hemmern und Levodopa soll eine bestmögliche Kontrolle der Symptome und Linderung der Funktionsbeeinträchtigungen erreicht werden. Ob MAO-B-Hemmer einen Einfluss auf die Krankheitsprogression haben, ist nach wie vor unklar. Auch für DA und Levodopa gibt es keine Anhaltspunkte für eine krankheitsmodifizierende bzw. neuroprotektive Wirkung. Aufgrund mangelnder Evidenz kann weder Coenzym Q10 noch Vitamin E zur Neuroprotektion empfohlen werden.
Fortschreiten von IPS
Bei fortgeschrittener Erkrankung und schweren motorischen Komplikationen kommen invasive Therapieverfahren wie die Tiefe Hirnstimulation infrage. Hier wird eine bestimmte Hirnregion (Nucleus subthalamicus) durch implantierte Mikroelektroden gezielt stimuliert. Aufgrund der umfangreichen Erfahrung in den letzten Jahren (EARLYSTIM-Studie) kann diese Therapie bereits in den ersten drei Jahren nach Einsetzen von Fluktuationen oder Dyskinesie in Betracht gezogen werden. Basierend auf der guten Datenlage stellt die intrajujenale Levodopa-Carbidopa-Infusion (LCIG) eine weitere Therapieoption für Patienten im fortgeschrittenen Stadium mit schweren motorischen Komplikationen dar. Diese Therapieform sollte nur von darin erfahrenen Ärzten unter Einbeziehung neurologischer und gastroenterologischer Kompetenzen initiiert werden. Die subkutane Apomorphin-Pumpentherapie kann eingesetzt werden, erfordert jedoch ein umfangreiches Monitoring und sollte nur in spezialisierten Zentren durchgeführt werden.
Zudem sind Begleiterkrankungen zu beachten: 40% der Parkinson-Patienten leiden unter Depressionen, die bevorzugt mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Venlafaxin behandelt werden sollen.
Nichtmedikamentöse Optionen
Ferner sind in der neuen Leitlinie erstmals Bewertungen zu mehreren nicht-medikamentösen und alternativen Ansätzen zu finden. Insbesondere der Physiotherapie wird neben der medikamentösen Behandlung in allen Phasen der Erkrankung eine entscheidende Bedeutung beigemessen (Empfehlung der höchsten Evidenzstufe): Gangtraining, Gleichgewichtsübungen, Kraft- und Dehnungsübungen sowie Sturzprävention bilden hierbei den Schwerpunkt. Beweglichkeit, Schmerzfreiheit, Wohlbefinden und Selbstständigkeit sollen so gefördert, erhalten oder wiederhergestellt werden. Bei Sprechstörungen, die bei 70 bis 80% der Parkinson-Patienten auftreten, und bei Schluckstörungen sollte eine logopädische Behandlung angeboten werden. Eine Ergotherapie ist bei eingeschränkter Handlungsfähigkeit zu empfehlen. Darüber hinaus beinhaltet die Leitlinie wichtige Aspekte der Pflege und Versorgung. Generell wird eine stärkere Einbindung der Patienten und/oder Begleitpersonen in die Behandlung durch Aufklärung und Information über pathophysiologische Zusammenhänge mithilfe von Schulungsprogrammen befürwortet. Zudem sollte in allen Phasen der Erkrankung der Zugang zu psychosozialer und sozialrechtlicher Beratung uneingeschränkt möglich sein.
In der obenstehenden Abbildung sind die Therapieoptionen bei IPS zusammenfassend dargestellt. |
Quelle
S3-Leitlinie „Idiopathisches Parkinson-Syndrom“, Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), 2016, verfügbar unter www.dgn.org/leitlinien
Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vom 6. April 2016
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