Die Seite 3

Ein Wesenskern

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Benjamin Wessinger, Chefredakteur der DAZ

Es sieht so aus, als gelänge der ABDA zum Ende der Legislaturperiode wenigstens noch ein kleiner Erfolg bei der Vergütung. Bei der Abgabe von Rezepturen soll der Festzuschlag von 8,35 Euro (abzüglich Kassenabschlag von 1,77 Euro brutto) zusätzlich berechnet werden dürfen, und die BtM-Gebühr soll auf die von der ABDA geforderten 2,91 Euro steigen. Das ist einem „Eckpunkte-Papier“ aus dem Bundesgesundheitsministerium zu entnehmen (s. „Mehr Geld für Apotheken“, S. 11 dieser DAZ).

Große Summen kommen für die Apotheker dabei wohl nicht zusammen. Bei grob überschlagenen 8 Millionen „Standard-Rezepturen“ (also ohne Zytostatika, parenterale Ernährung und Methadon-Zubereitungen) geht es dabei um runde 55 Millionen Euro Festzuschlag – das ist nicht einmal die Hälfte der jährlich über den Notdienstfonds ausgezahlten Summe. Dazu kommt noch eine angepasste Arbeitsgebühr, so dass es sich insgesamt wohl um gut 60 Millionen Euro handeln dürfte.

Von einer kostendeckenden Rezepturvergütung ist man damit immer noch weit entfernt. Aus (mindestens) zwei Gründen ist dies aber nicht nur zu verschmerzen, sondern vielleicht sogar gut so.

Der erste Grund ist eher taktischer Natur: Wenn man verhindern will, dass die jetzige, marginale Erhöhung als Argument benutzt wird, um den Festzuschlag weiterhin „eingefroren“ zu lassen, muss man klar machen, dass es sich bei diesen Gebühren – wie beim Notdienstfonds – nur um einen Zuschuss dafür handelt, dass man ein eigentlich unprofitables Angebot, das jedoch gesellschaftlich gewollt ist, flächendeckend vorhält.

Nun könnte man natürlich argumentieren, dass gerade das ein Grund dafür wäre, die Rezeptur (und den Notdienst usw.) kostendeckend zu vergüten. Damit sind wir beim zweiten Grund, warum man gut überlegen sollte, ob man das heutige System der Quersubventionierungen innerhalb der Apotheke infrage stellt. Denn wäre die Rezepturherstellung an sich profitabel, würden wahrscheinlich relativ schnell spezialisierte Anbieter auf den Plan treten. Diese könnten durch Effizienzsteigerungen Rezepturen noch gewinnbringender herstellen (und so vielleicht auch zu Herstellbetrieben für andere Apotheken werden). Verstärkt würde diese Tendenz unter Umständen dadurch, dass Rezepturen deutlich teurer würden als heute und wahrscheinlich nicht mehr so häufig verordnet würden – was wiederum die Spezialisierung antreiben könnte.

Dass damit einer der Wesenskerne des Apothekerberufs – die Arzneimittelherstellung – aus vielen, wenn nicht den meisten Apotheken verschwinden würde, wäre nicht nur aus nostalgischen Gründen schade. Solche Gedankenspiele könnten das Ende der Apotheker als Angehörige eines Freien Berufs einläuten.

Wenn die Herstellung einer Rezeptur vollständig durch die für sie bezahlte, spezifische Vergütung honoriert wäre und nicht mehr durch einen „Gemeinwohlanteil“ des „allgemeinen Honorars“, dann würden Apotheken, die nur selten oder nie Rezepturen anfertigen, für die Bereitstellung der Möglichkeit – also Rezepturarbeitsplatz, Geräte, Labor, Ausgangsstoffe usw. – nicht mehr vergütet. In der Folge könnte man diese Vorhaltung von diesen Apotheken auch nicht mehr verlangen. Wenn die Apotheken aber nicht mehr flächendeckend Gemeinwohlpflichten verrichten, sondern nur die für sie am jeweiligen Standort profitablen Leistungen anbieten, müssen sie keine Freiberufler mehr sein. Sie werden dann zu reinen Kaufleuten – mit allen Konsequenzen für die Preisbindung, das Fremdbesitzverbot und nicht zuletzt ihr Selbstverständnis.


Dr. Benjamin Wessinger


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