Prisma

Ein Antibiotikum aus der Nase

Kommensales Bakterium synthetisiert Lugdunin

cae | In der Nasenschleimhaut vieler Menschen siedelt das Bakterium Staphylococcus lugdunensis. Es synthetisiert ein antibiotisch wirksames Cyclopeptid, mit dem es ausgerechnet einen nahen Verwandten, S. aureus,unter Kontrolle hält.
Lugdunin, ein zyklisches Hexapeptid, wird von einem Bakterium synthetisiert und wirkt antibakteriell. – Leu = Leucin, Trp = Tryptophan, Val = Valin; unten: Thiazolidin.

S. lugdunensis ist nach Lyon benannt, wo es 1988 entdeckt wurde. Infektionsforscher und organische Chemiker in Tübingen haben das harmlose Bakte­rium jetzt näher untersucht und dabei das zyklische Hexapeptid Lugdunin isoliert und als antibiotischen Wirkstoff erkannt. Lugdunin wird nicht von einem Gen codiert und in Ribosomen synthetisiert wie die meisten organischen Naturstoffe, sondern ist das Produkt von fünf Peptidsynthetasen. Deshalb besteht Lugdunin nicht nur aus proteinogenen L-Aminosäuren, sondern enthält auch zwei D-Valin und ein D‑Leucin und als weiteren Baustein einen Isobutylamino-thiazolidin-carbonsäure-Rest.

Die Entdecker stufen Lugdunin als Vertreter einer neuen Stoffklasse ein. Unter den etablierten Antibiotika ist es am ehesten mit dem zyklischen Dekapeptid Colistin vergleichbar. Wie dieses greift Lugdunin an der Zytoplasma­membran von Bakterien an.

Zwar stammen viele Antibiotika von Bakterien ab, insbesondere von Streptomyceten (s. DAZ 2016, Nr. 9, S. 6). Doch alle diese Bakterien besiedeln nicht den Menschen. S. lugdunensis dürfte das erste kommensale Bakterium sein, von dem bekannt ist, dass es ein Antibiotikum synthetisiert. Da die Mikrobiome von Menschen individuell sehr unterschiedlich sind, kommt S. lugdunensis nicht bei jedermann vor. Ist dies allerdings der Fall, ­verdrängt S. lugdunensis seinen potenziell pathogenen Vetter S. aureus, der bei immungeschwächten Patienten Pneumonien und Sepsis verursachen kann, aus der Nase. Eine Stichprobe in ­Tübingen ergab (n = 187): S. aureus kam bei 34,7 Prozent der Personen ohne S. lugdunensis, aber nur bei 5,9 Prozent der Personen mit S. lug­du­nensis vor. Versuche an Labormäusen bestätigten die toxische Wirkung von Lugdunin auf S. aureus.

Ob Lugdunin (oder ein Derivat) Potenzial als neuer Arzneistoff hat, ist derzeit nicht abzuschätzen, weil über mögliche Nebenwirkungen noch zu wenig bekannt ist. Es wäre auch denkbar, bei Risikopatienten S. lugdunensis durch ein geeignetes Verfahren in der Nase anzusiedeln. |

Quelle

Zipperer A, et al. Human commensals producing a novel antibiotic impair pathogen colonization. Nature 2016;535(7613):511-516

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