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4. AMG-Änderungsgesetz: Ethische Fragen verzögern unter anderem das Verbot von DrEd-Rezepten
Mit dem „4. AMG-Änderungsgesetz“ will die Große Koalition insbesondere Vorgaben der neuen EU-Richtlinie für klinische Studien umsetzen. Die Überarbeitung des Arzneimittelgesetzes nutzt sie aber auch für weitere Regelungen. Unter anderem will sie klarstellen, dass eine Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln grundsätzlich nicht erfolgen darf, wenn die Verschreibung für den Apotheker offenkundig nicht nach einem direkten Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt wurde. Diese Regelung soll das im ärztlichen Berufsrecht niedergelegte Fernbehandlungsverbot flankieren. Nicht zuletzt sieht die Gesetzesnovelle die versprochene erneute Erweiterung des Apotheker-Berufsbildes in der Bundes-Apothekerordnung vor: Ausdrücklich umfasst sind künftig auch Tätigkeiten in der Lehre und Forschung und in der öffentlichen Verwaltung.
Kritische Forschung an Demenzkranken
Das Bundeskabinett hatte den Gesetzentwurf bereits im März beschlossen, die erste Lesung im Bundestag erfolgte im April. Doch der Plan, das Gesetzgebungsverfahren vor der Sommerpause abzuschließen, ging nicht auf. Dafür sorgte ein überraschend eingeführter Passus, der nun im Oktober neu beraten werden soll. Anders als der Referentenentwurf sah der Kabinettsentwurf plötzlich und ohne inhaltliche Begründung vor, dass zukünftig in manchen Fällen Studien an Patienten möglich sein sollen, die selber nicht einwilligen können – und persönlich nicht von der Forschung profitieren. Von vielen Politikern, Patientenschützern wie auch Ethikern und Theologen wurde dies als Tabubruch kritisiert, auch wenn die Patienten vorab einwilligen müssen, dass sie beispielsweise bei späterer Demenz bereit sind, an Studien teilzunehmen. Es kam zu hitzigen Debatten, die auch in den Medien für Schlagzeilen sorgten. Mittlerweile liegen drei fraktionsübergreifende Änderungsanträge zur umstrittenen Regelung vor. Für den 19. Oktober ist eine Expertenanhörung im Bundestag zu diesem Punkt vorgesehen.
DrEd setzt auf Plan B
Die geplante Änderung in § 48 Arzneimittelgesetz, nach der Apotheker im Grundsatz keine Verordnungen beliefern dürfen, die aus ihrer Perspektive „offenkundig“ ohne vorherigen Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt wurden, trifft vor allem die britische Online-Arztpraxis DrEd. Diese berät Patienten aus einem Londoner Büro via Internet. Dabei hat sie sich auf Indikationen spezialisiert, die im Internet besonders gut laufen, etwa Erektionsstörungen, die Pille danach oder Haarausfall. Bislang bekommt der Patient sein Rezept aus England gemailt. Er kann sich aber beim Internet-Gespräch mit dem Arzt schon dafür entscheiden, dass die Verordnung direkt an eine Versandapotheke weitergeleitet wird. Mit zwei deutschen Versandapotheken kooperiert DrEd bislang. Damit dürfte bald Schluss sein. Zwar hält man die geplante deutsche Regelung bei DrEd für nicht europarechtskonform. Aber ehe das geklärt ist, hat die Online-Praxis eine andere Lösung, das „Lex DrEd“ zu umgehen: Die Rezepte sollen künftig von London direkt an eine EU-Versandapotheke außerhalb Deutschlands gehen. Welche das sein soll, will man allerdings noch nicht verraten.
Mit seiner Kritik ist DrEd nicht alleine. Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche hatte kürzlich angekündigt, dass ihre Fraktion sich dafür einsetzen werde, dass Ausnahmen vom Fernverschreibungsverbot geschaffen werden. In manchen Fällen, beispielsweise für die Landbevölkerung, müsse es möglich sein, Ferndiagnosen zu stellen und auch Rezepte zu verschicken. SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut sieht das generelle Fernbehandlungsverbot im Widerspruch zum E-Health-Gesetz. Für manche Patientengruppen würden Verschreibungen aus der Ferne große Erleichterungen bringen. Heidenblut will alleine deswegen zwar nicht gegen das Gesetz stimmen, da dieses viele gute Punkte enthalte. Doch ist es seiner Ansicht nach „schlecht gemacht“: Es gebe nämlich keine Sanktionen für Fälle, in denen die Rezepte trotzdem in Deutschland eingelöst werden. Das Fernverschreibungsverbot in seiner vorgeschlagenen Form sieht der SPD-Politiker daher eher als „freundlichen Appell“. |
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