Arzneimittel und Therapie

Kein Placebo für bedürftige Kinder!

Ein Gastkommentar von Raymund Pothmann, Hamburg

Dr. med. Raymund Pothmann

Grundsätzlich kann in nordamerikanischen Studien, speziell bei Kindern, aufgrund des hohen Interesses an Studien und der bekanntermaßen höheren Zuwendung zum Patienten mit einem ausgeprägten Placebo-Effekt gerechnet werden. In der vorliegenden Studie von Powers et al. ist die Verblindung durch die hohe Rate an unerwünschten Wirkungen jedoch quasi aufgedeckt. Die Nebenwirkungen ­lassen sich mit der unangemessen hohen Dosis der Verum-Medikamente erklären. Das Resultat der ­Studie widerspricht darüberhinaus vorangegangenen positiven Ergeb­nissen aus Studien mit Amitrip­tylin und Topiramat. Eine bessere Studienanlage wäre gewesen, in einer Run-In-Phase von z. B. vier Wochen zunächst den Placebo-Effekt zu eruieren und erst dann die Non-Responder randomisiert und doppelblind über acht Wochen zu prüfen.

Das Fazit für den therapeutischen Alltag sollte somit nicht heißen: Weg von Medikamenten in der Migräneprophylaxe bei den wirklich bedürftigen Kindern, sondern weiter leitliniengerecht gestuft über Magnesium in die Migräne-Prophylaxe einsteigen und akut evidenzbasiert mit beispielsweise Ibuprofen und Triptanen auch unter einem Alter von zwölf Jahren zu behandeln. Es bleiben dann nur noch wenige bedürftige Kinder, die eine Prophylaxe benötigen. Dabei sollten ein Betablocker (z. B. Metoprolol einmal abends) oder Flunarizin bei Kindern ohne Gewichtsprobleme und Topiramat (1 mg/kg einmal abends) speziell bei Kindern zur Vermeidung einer Gewichtszunahme eingesetzt werden.

Amitriptylin eignet sich eigentlich nur bei chronifizierten Kopfschmerzen vom Spannungstyp mit Komorbiditäten wie Schlafstörungen oder kombinierten Kopfschmerzen. Im Gegensatz zu den USA wird Amitriptylin in Europa, und speziell in Deutschland, nicht als First-Line bei Migräne empfohlen. Der kindertauglichste Zugang mit Amitriptylin ist: Abends eine Stunde vor dem Bettgang in Wasser einschleichend (tropfenweise) die Dosis steigern, bis Müdigkeit auftritt und das Einschlafen begünstigt wird. Die so ermittelte Dosis ist verträglicher und wirk­samer als eine Tabletteneinnahme.

Dr. med. Raymund Pothmann,Spezielle Schmerztherapie, Systemische Psychotherapie, Hamburg

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