Gesundheitspolitik

„Superbugs“ im Abwasser

Indien: Multiresistente Keime durch Antibiotika-Reste

REMAGEN (hb) | Mangelnde Abwasser-Reinigung bei der Produktion in Indien könnte zur Entstehung von Antibiotika-Resistenzen beitragen, berichtet der NDR. Touristen könnten die multiresistenten Keime weltweit verbreiten. Die Dokumentation kritisiert, dass Umweltaspekte bei der Arzneimittel-Einfuhr in die EU keine Rolle spielen.

Nach Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ sind Abwässer der Antibiotika-Produktion in Indien eine mögliche Quelle für die Entstehung und weltweite Verbreitung multiresistenter Bakterienstämme. Gewässerproben aus der unmittelbaren Nähe von Arzneimittel-Produktionsstätten in Hyderabad ergaben eine teils hundert- oder sogar tausendfach höhere Konzentration von Antibiotika-Resten als in deutschen Grenzwerten vorgesehen. Der Infektiologe Christoph Lübbert bezeichnet in der Dokumentation „Der unsichtbare Feind – Tödliche Supererreger aus Pharmafabriken“ die Kloaken in Hyderabad als „Bioreaktor unter freiem Himmel“. Gerade in Gewässern entwickeln Bakterien in kürzester Zeit Resistenzen. Diese seien nicht nur für die einheimische Bevölkerung ein Problem, sondern könnten durch Reisende weltweit verbreitet werden.

Die beteiligten Wissenschaftler kritisieren aber nicht nur die indischen Hersteller, sondern auch fehlende Vorschriften in Europa. So dürften bei den Qualitätskontrollen, denen Arzneimittel bei der Einfuhr in die EU unterliegen, Umweltaspekte in den Produktionsländern gar nicht berücksichtigt werden.

Der Verband der forschenden Pharmaunternehmen vfa räumt ein, dass bei der Arzneimittel­produktion in Schwellenländern Defizite möglich seien. Die vfa-Mitgliedsunternehmen hätten sich jedoch bereits im September auf Maßnahmen, beispielsweise zur Rückverfolgung der Herstellung und Überprüfung von Umweltaspekten geeinigt. Auch Pro Generika erklärt, die Mitgliedsunternehmen hätten bereits Maßnahmen zur Verbesserung der Produk­tionsbedingungen ergriffen. Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), stellt klar: „Zustän­de, wie sie vom NDR dokumentiert wurden, sind inakzeptabel.“ Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Industrie keinen Einfluss auf die von den jeweiligen Ländern gesetzten Umweltstandards habe.

In Indien stößt die Kritik der Forscher auf Widerspruch. „Es ist Quatsch, Industrieabwässer mit dem Transfer resistenter Bakterien auf Menschen zu korrelieren. Die Vorgänge sind deutlich komplizierter“, sagte Chandra Bhushan, vom Think-Tank CSE in Neu-Delhi. Das Phänomen resistenter Bakte­rien gebe es weltweit – und in den USA finde man Antibiotika-Rückstände „in jedem Produkt mit Hühnchenfleisch“. |

„Der unsichtbare Feind – Tödliche Supererreger aus Pharmafabriken“, 8. Mai, 22.45 Uhr, Das Erste

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